Schönheit kommt von innen

Schönheit ist relativ, sie liegt im Auge des Betrachters. Warum aber manche Menschen mehr Zuspruch haben als andere, lässt sich mit ihrer Ausstrahlung erklären. Da können durchaus schöne Körper neben einem faltigen aber ausdrucksstarken Gesicht verblassen. Wer mit sich im Reinen ist und zufrieden durchs Leben geht, hat eine ganz andere Anziehungskraft als ein Griesgram.

Das Streben nach ewiger Jugend und Schönheit ist so alt wie die Menschheit, geändert haben sich in den jeweiligen Epochen nur die Schönheitsideale. Waren einst üppige Frauen der Inbegriff, liefen später die Mager-Models über den Laufsteg, mittlerweile dürfen auch wieder ein paar Kurven dabei sein.

Dennoch geben die Werbung und heutzutage auch Social-Media-Kanäle wie Instagram vor, was gerade en vogue ist. Für ein junges Mädchen, das erst seine Identität finden muss, eine große Herausforderung. „Instagram erzählt viele Geschichten, die mit der Realität nichts zu tun haben“, betont Renate Pelzguter, Klinische- und Gesundheitspsychologin, gegenüber dem VOLKSBLATT: „Wir müssen uns bewusst sein, dass wir bei den Geschichten, die daraus in unseren Köpfen entstehen, selber Regie führen können.“

Jeder Mensch kann selbst viel zu seinem Wohlbefinden beitragen, das ist auch in Zeiten wie diesen, in denen eine Krise die andere jagt, möglich.

Die Ausstrahlung kommt beim Gegenüber an

In ihrer Arbeit mit übergewichtigen Jugendlichen heißt es zu Beginn, zu vermitteln, „dass es um mehr geht als nur um das körperliche Erscheinungsbild. Es ist das, was wir ausstrahlen, das beim Gegenüber ankommt. Und das hat viel damit zu tun, wie ich mich in meiner Einzigartigkeit selber sehe. Wichtig ist, sich selbst anzunehmen, so wie man ist“, schildert Pelzguter.

Über den Gesundheitsaspekt lässt sich dann an den überflüssigen Kilos arbeiten. „Entscheidend ist, keinen Druck aufzubauen, sondern zu vermitteln, dass Bewegung Freude machen kann und dabei auch ein paar Kilos purzeln werden. Der eine geht gern laufen, der andere lieber schwimmen oder tanzen. Jeder sollte für sich das Richtige finden – Glücksmomente und positive Gefühle zu erspüren ohne dabei dem Körper Ungesundes zuzuführen“, erläutert die Gesundheitspsychologin. Für sie ist ganz klar, dass sich die Gedanken steuern lassen und jeder dabei einen gewissen Handlungsspielraum für sich und sein Wohlbefinden hat.

Dazu braucht es natürlich die tägliche Übung. Es hat viel mit Achtsamkeit zu tun und damit, im Hier und Jetzt zu leben. Ich kann mir in der Früh sagen, was mache ich heute, um mir den Tag positiv zu gestalten. Das beginnt schon bei der Körperhaltung: Wenn ich in aufrechter Haltung durchs Leben gehe und ein Lächeln meinen Mund umspielt, fühle ich mich deutlich besser als wenn meine Schultern und mein Kopf nach vorne hängen. Außerdem wirke ich auch auf andere Menschen ansprechender und erhalte wiederum von meiner Umwelt positivere Signale, so die Psychologin: „Das Gehirn erkennt die Haltung. Ein Lächeln verzaubert die Stimmungslage und auch mein Umfeld. Positive Rückmeldungen beflügeln mich wiederum. Es ist somit auch möglich, eine positive Spirale auszulösen.“

Drei Glücksmomente pro Tag notieren

Sie rät, jeden Tag ein paar Glücksmomente bewusst zu erleben. Dabei geht es nicht darum, das ganz große Glück zu suchen – was ohnedies schwierig ist –, sondern sich an kleinen Dingen zu erfreuen. Das mag an heißen Tagen beispielsweise ein kühler Wind, ein gutes Getränk oder der Sprung ins Wasser sein. Sich im Herbst an einem schönen Sonnentag zu erfreuen oder die bunten Farben der Natur zu genießen. Sich mit Freunden treffen oder etwas Kreatives zu gestalten.

Das ist ganz individuell, wichtig ist nur, sich Gedanken darüber zu machen und ein Glückstagebuch zu schreiben, in das jeden Abend drei dieser erlebten Momente neu Eingang finden. „Das bewirkt, dass man in Übung kommt und für derartige positive Kleinigkeiten sensibilisiert wird. Man erhält dadurch eine Sammlung an positiven Erlebnissen, an denen man sich, an Tagen mit schlechter Stimmung – auch diese sind erlaubt – erfreuen kann. Und auch das Einschlafen gestaltet sich leichter“, so Pelzguter: „Es macht auch glücklich, sich mit anderen Menschen über die Glückmomente auszutauschen.“

Negatives nicht ständig an sich heranlassen

Gerade in Zeiten, wo andernorts Krieg herrscht und Menschen unter schwierigen Bedingungen leben müssen, ist es erlaubt, sich an Dingen zu erfreuen und sich sein Glück zu gönnen. „Es verändert nichts an der Weltlage, wenn ich Trübsal blase oder ein schlechtes Gewissen habe, weil es mir besser geht. Im Gegenteil, es ist ganz wichtig, auf seine Befindlichkeit zu achten, einmal abzuschalten und die negativen Nachrichten nicht mehr an sich heranzulassen“, erklärt die Klinische Psychologin.

Im Alltag Dinge, wie einen Sonnenuntergang einfach genießen und ihn als einen Glücksmoment erleben. ©Goffkein - stock.adobe.com

Menschen, die achtsam oder dankbar durchs Leben gehen, meistern den Alltag viel leichter. Auch jene, die über sich selbst lachen können und eine gewisse Leichtigkeit des Seins verinnerlicht haben, strahlen ihr Wohlbefinden aus. „Ein echtes Lachen – dabei bilden sich um die Augen Lachfalten – kann viel zur Psyche beitragen. Und Lachen steckt auch die Umwelt an“, weiß die ausgebildete Humor-Trainerin.

Wohlbefinden erhöht die Leistungsfähigkeit

Es kommt immer auf die Bereitschaft an, sich auf das „Abenteuer“ einzulassen. Das ist auch bei den Seminaren so, die die Psychologin aus St. Ulrich bei Steyr in Firmen abhält. Die dabei thematisierte positive Psychologie wurde 1998 von Martin E. P. Seligmann propagiert. Seit etwa zehn Jahren hat sich in den Unternehmen verstärkt etabliert, dass sich das Wohlbefinden der Mitarbeiter auch auf deren Leistungsfähigkeit positiv auswirkt. „Eine Metastudie aus den USA, in die die Ergebnisse aus insgesamt 225 Studien eingeflossen sind, kommt zu dem Schluss, dass die Produktivität um 37 Prozent steigt, die Verkäufe um 31 Prozent und sich die Kreativität um das Dreifache erhöht“, betont Pelzguter. Positive Leadership, das heißt Chefs, die die positiven Gefühle ihrer Mitarbeiter mehren, die sich auf deren Stärken konzentrieren, Beziehungen unter den Mitarbeitern positiv beeinflussen, den Sinn der Arbeit transportieren und Erreichtes würdigen, kommt dem Unternehmen zugute. „Die Forschungsergebnisse zeigen eindeutig: Positive Leadership erhöht das Wohlbefinden der Mitarbeiter und bringt auch viele messbare Vorteile für das Unternehmen. Manchmal passieren auch AHA-Erlebnisse bei den Seminaren, Handlungsspielraum wird erfahrbar. Auf einmal heißt es: ,Ich bin die Lösung.‘ Das sind wunderschöne Momente …“, erzählt die Expertin.

Auch Menschen, die einen schweren Schicksalsschlag erlebt haben, können wieder an das Positive glauben. „Natürlich braucht das seine Zeit und es darf auch eine Zeit der Trauer geben. Niemand sollte sich scheuen, sich nötigenfalls professionelle Hilfe zu holen. Dabei ist es sinnvoll, dies schon frühzeitig zu tun, denn je tiefer man in eine depressive Stimmung verfällt, umso langwieriger wird es, sich da wieder herauszumanövrieren“, weiß Pelzguter. Manchmal erkennen Menschen erst nach einer schwereren Krankheit, dass sich Relationen verschieben, manches die negativen Emotionen gar nicht wert sind. Im Idealfall kann es auch einfach zu einer Veränderung des Blickwinkels kommen.

„Es gibt nicht das eine Rezept, um die Welt mit einer optimistischeren Brille zu sehen: Einfach einmal ausprobieren, was Spaß macht. Dabei ist es wichtig, auf das Bauchgefühl zu hören. Dem einen hilft eine Meditation, andere schöpfen aus ihrer Dankbarkeit Kraft oder erfreuen sich an ihren Glücksmomenten. Vielfach unterstützt auch das bewusste Erleben der Natur dabei, mit sich ins Reine zu kommen, weiß die Psychologin. Vielleicht ist es auch hilfreich, gemeinsam dem Glück auf die Spur zu helfen.

„Entscheidend ist jedenfalls der Wille, etwas ändern zu wollen und sich zu öffnen. Daran zu glauben, und zu entdecken, dass in uns ein großes Potenzial zur Glücksfähigkeit steckt. Vielleicht ist das nicht an jedem Tag gleich spürbar. Doch mit der Zeit wird es jeden Tag ein bisschen mehr. Und die Schönheit von innen lacht uns an, wenn wir in den Spiegel blicken“, meint die Psychologin.

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