Raben & Menschen – Wir sind uns ähnlicher als gedacht

Sie sind intelligent, leben meist in Partnerschaften und „reden“ miteinander, sie sind aber auch große Trickser, Schwindler und Egoisten, wenn´s ums Futter geht – die Raben! Neueste Forschungen zeigen, dass die schwarzgefiederten Vögel uns Menschen ähnlicher sind als wir glauben. Eines der Zentren der wissenschaftlichen Arbeit mit den Raben ist Grünau im Almtal. Der Verhaltensbiologe Thomas Bugnyar hat jetzt die neuesten Forschungsergebnisse in dem Buch „Raben“ (Brandstätter Verlag) veröffentlicht.

„Raben sind auch nichts anderes als fliegende Affen“, verweisen die Forscher auf die Primaten mit ihrer entwicklungsbiologischen Nähe zum Menschen. Und Autor Bugnyar kommt, was die Raben betrifft, zu dem Schluss: „Sie sind uns in ihrer Erscheinung einerseits fremd, andererseits sind sie uns in ihrer Lebensweise, in ihrem Sozialsystem so ähnlich“.

Raben verstehen Zusammenhänge, zeigen Emotionen und reagieren auf ihre Umwelt, mit der sie im ständigen Austausch sind. Das gilt sowohl für Raben in freier Wildbahn, als auch im Besonderen für jene, die wie in Grünau mit dem Menschen im engeren Kontakt leben. Dazu Forscher Bugnyar: „Am verblüffendsten fand ich stets die Situationen, in denen ich bemerkte: sie verstehen mich“.

Köstliches Aas

Das Leben der Raben dreht sich naturgemäß vor allem um die Frage der Nahrung und deren Beschaffung. Grundsätzlich sind Raben „Kulturfolger“, das heißt, sie suchen die Nähe menschlicher Siedlungen, weil sie in den Abfällen und im Müll einen reich gedeckten „Tisch“ vorfinden.

Für die Raben als Aasfresser ist vieles, was wir Menschen weggeworfen haben, eine Köstlichkeit. Raben haben eine Vorliebe für Fleisch, fressen aber auch Obst, Gemüse, Salat und Insekten. „Haben sie allerdings die Wahl zwischen Fleisch und einem Apfel, dann entscheiden sie sich eindeutig fürs Fleisch“, schildert Forscher Bugnyar eine Ähnlichkeit zumindest mit einem Teil der Menschheit.

In der Forschungsstätte wiederum müssen die Raben vorerst Aufgaben erfüllen, die ihnen die Wissenschaft vorgibt, dann aber folgt die „Belohnung“ in Form z. B. von Hunde-Trockenfutter. Für ein schönes Stück Frolic „tun die Raben fast alles“, berichten die Forscher. Durchaus auch eine Parallele zum Menschen.

Unhaltbare Vorurteile

In der freien Wildbahn jagen Raben auch Mäuse oder junge Ratten. Größere Beute können sie in der Regel nicht machen, da müssen sie sich auf tote Tiere beschränken. Und hier kommt ein Vorurteil gegenüber Raben — oder auch Krähen — ins Spiel. Nämlich, dass diese Vögel mit ihren Schnäbeln anderen Lebewesen „die Augen aushacken“. Die Raben tun dies in der Tat — aber nur bei toten Tieren! Und vor allem auch deswegen, weil sie dickere Hautschichten mit ihren Schnäbeln nicht durchdringen können.

An dieser Stelle räumen die Forscher gleich noch mit einem Vorurteil gegenüber den Raben auf: Sie werden oft als „Todesvögel“ in dem Sinn bezeichnet, dass jemand stirbt, wenn die Raben auftauchen. Dieser Mythos wurzelt darin, dass Raben als Aasfresser einen Blick dafür entwickelt haben, wann es mit einem Tier zu Ende geht. Sie folgen diesem Tier und warten, bis es gestorben ist und als Nahrung zur Verfügung steht.

Täuschen und Tarnen

Zu den auffallendsten Eigenschaften der Raben zählen deren Tricks, wenn es darum geht, sich ihren Artgenossen gegenüber einen Futtervorteil zu verschaffen. Täuschen und Tarnen sind alltäglich.

Wobei die Sache überraschenderweise aber mit einem sozialen Verhalten beginnt: Sie „informieren“ beispielsweise andere Raben mit speziellen Lauten über eine gefundene Futterquelle, sie geben offensichtlich auch Auskunft, um welche Art von Futter es sich handelt und wie viel davon vorhanden ist. Die Raben haben hier ein ganzes Repertoire an Lauten zur Verfügung, die Experten bezeichnen die Raben daher zum Unterschied von den „Singvögeln“ als „Sprechvögel“.

Die Forschung hat auch festgestellt, dass es vor allem die Weibchen sind, die viel und laut rufen. Möglicherweise, um ihre männlichen „Partner“ zu rufen, damit diese ihnen helfen, an das Futter zu gelangen. Sind die Raben an der Futterquelle, dann ist allerdings Schluss mit Rücksicht und Sozialverhalten.

Im Gegenteil, dann beginnt ein Streiten und ein Schnabel-Kampf um die besten Stücke. Die meisten Raben nehmen dabei an Ort und Stelle nur einen Bissen und fliegen weg, um diesen an einem möglichst geheimen Platz zu verstecken. Das geht immer und immer wieder und Stück für Stück so. Keiner der Vögel frisst sofort, nicht selten verstaut er die Beute auch in seinem „Kehlsack“.

Schon Küken tricksen

Dieses Verstecken von Fressbarem liegt offensichtlich überhaupt in der Natur der Raben, bereits als Küken werden kleine Fleischstücke, die einem die Eltern geben, vor den Geschwistern versteckt. Später kommt dazu das Täuschen und Tarnen, um andere Raben vom Versteck und von dessen Plünderung abzuhalten. Stichwort Plünderung: Hat ein Rabe das Versteck eines anderen entdeckt, so gibt er sich unschuldig und tut so, als hätte er nichts gesehen. Kaum ist der „Besitzer“ des Verstecks weggeflogen, macht sich der Plünderer darüber her.

Klischee „Rabeneltern“

Zum Stichwort „Partnerschaft“. Raben leben meistens monogam in einer Beziehung, das wird in verschiedenen Situationen — gegenseitiges Kraulen, teilen des Futters u.a. — deutlich, speziell aber dann, wenn aus dem Paar Eltern werden.

Das Rabenpaar investiert umso mehr in die Partnerschaft, je mehr die Ansprüche an die Kindererziehung steigen. Rabenküken schreien auch häufig, aber nicht, weil die Eltern sie vernachlässigen, sondern weil sie erkannt haben: Je mehr sie schreien, desto mehr Futter bekommen sie! Das entspricht also so überhaupt nicht dem umgangssprachlichen Klischee, dass menschliche Väter und Mütter, die ihre Kinder vernachlässigen, als „Rabeneltern“ bezeichnet werden!

Eine Entdeckung anderer Art wurde in Grünau bei den dort lebenden Raben gemacht. Eine junge Rabin erwies sich als echte „Touristin“. Im Sommer war sie im Almtal, im Winter in der Gegend von Kitzbühel, im darauffolgenden Frühjahr wurde sie in Südtirol und Friaul gesichtet. Dann schaute das Rabenfräulein noch in St. Johann im Pongau vorbei. Später, wenn die Raben einmal einen Partner haben, werden sie sesshaft. Wer zweifelt noch, dass eine Ähnlichkeit mit dem Menschen besteht?

Am Ende des Buches berichtet Rabenexperte Bugnyar noch von einer geplanten Studie, bei der Raben lernen sollen, in der Stadt Unrat wie Plastikflaschen zu sammeln und diese bei einem eigens dafür aufgestellten Apparat zu „verstecken“, natürlich mit einem Leckerli als Belohnung. Es gibt bereits eine holländische Firma, die daraus ein kommerzielles Geschäft machen will.

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