Räucherrituale für stille Zeiten

Das Verräuchern von Kräutern, Harzen und Gehölzen ist heutzutage hauptsächlich noch rund um die Raunächte, an Weihnachten, zum Jahreswechsel oder am Dreikönigstag in manchen Haushalten Brauch. Unsere Vorfahren nutzten Räucherungen allerdings das ganze Jahr über, sei es für sakrale, gesundheitliche oder praktische Zwecke. Das neue Buch „Räuchermomente im Jahreskreis“ von Wildkräuterführerin Adolfine Nitschke führt mit achtsamen Räucherritualen, umfassenden Informationen zu den Sonnen- und Mondfesten im Jahreskreis und ausgewählten Pflanzenportraits in die Kultur des Räucherns ein und gibt Anleitungen, um Räucherrituale in den Alltag zu integrieren.

Ein leicht quirrlendes Rauchfähnchen steigt auf und hüllt den Raum sogleich mit feinen Düften ein. Leises Knistern trägt zur Gemütlichkeit bei und hilft runterzukommen, den stressigen Alltag zu vergessen und abzuschalten. Die Autorin und Wildkräuterführerin Adolfine Nitschke gibt in ihrem neuen Buch „Räuchermomente im Jahreskreis“ einen Einblick in die Geschichte des Räucherns. Sie beschreibt die Jahreskreisfeste im heidnischen, meterologischen, germanischen sowie im christlichen Sinn — darunter etwa die Winter-Sonnenwende bzw. Thomasnacht, Raunächte, die Frühlings-Tagundnachtgleiche, Mittsommer/Johanni oder Allerheiligen (im keltischen Samhein). Zu diesen Jahreskreisfesten sind im Buch eine Reihe Räucherrituale niedergeschrieben — Vorschläge, die zu jeder Jahreszeit und dem jeweiligen Jahreskreisfest passen.
Auch Pflanzenportraits der verschiedensten Räucherpflanzen dürfen nicht fehlen: So sei Holunder etwa eine mächtige Kraftpflanze für „Übergangsrituale“. Mit Salbei kann für eine gute Raumluft gesorgt werden, da er verräuchert keimtötend und desinfizierend wirkt. Und um Harmonie in die eigenen vier Wände zu bringen, sind Blüten von Rose und Lavendel in der Räuchermischung unabdinglich.

Mit dem Feuer kam der Rauch

Räuchern mit Harzen und Kräutern hat in der Geschichte der Menschheit schon sehr bald einen wichtigen Stellenwert eingenommen — anfänglich als Mittel zum Zweck, um Fleisch und Fisch haltbar zu machen. Doch schon bald wurde die wohltuende und zum Teil auch berauschende Wirkung durch den Rauch von psychoaktiven Pflanzen auf Körper und Geist entdeckt. Das damalige Räuchern stellte für unsere Vorfahren eine Verbindung zu den höheren Mächten bzw. zwischen Erde und Himmel her. Und auch für Heilungsrituale kam der Rauch unterschiedlichster Pflanzen zum Einsatz: So wurde Wacholder ins Feuer gelegt und die von Gicht gekrümmten Finger über den Rauch gehalten, um Schmerzen zu lindern. Weltweit entstand ein regelrechter Räucherkult. In einigen Ländern entwickelte sich das Räuchern zum wichtigen Bestandteil des täglichen Lebens, was sich zum Teil bis in die heutige moderne Welt zieht. In unserem Kulturkreis ist sehr wenig vom Brauch des Räucherns erhalten geblieben – fast in Vergessenheit geraten ist das Wissen rund um die positive Wirkung auf Körper, Geist und Seele.
Anders als bei der Zubereitung von Tee, wo die Wirkstoffe mit Wasser aus den Pflanzen gelöst werden, erfolgt beim Räuchern die Lösung der Inhaltsstoffe mittels Feuer oder Glut. Laut Nitschke wird durch Räuchern „das innerste Wesen der Pflanze, ihre Information und Schwingung vom Körper gelöst und geht in den Rauch über“. Freigesetzte Duftmoleküle und Wirkstoffe gelangen über die Nase direkt in unser limbisches System im Gehirn, dem Zentrum für Emotionen. Dort werden Triebe gelenkt, Gefühle ausgelöst und Erinnerungen wachgerufen. So erklärt sich dann auch die Wirkung von duftenden Räucherungen auf unser Wohlbefinden und warum der Geruch von Zimt und Nelken sofort in weihnachtliche Stimmung versetzt. Die typischen „Glühweingewürze“ können das Bedürfnis nach Harmonie, innerer Wärme und Liebe gerade in der kalten Jahreszeit kraftvoll unterstützen. Wärmende Zimtrinde öffnet das Herz, Sternanis schafft Vertrauen und wirkt tröstend. Ingwer wirkt wie ein Nerventonikum und Nelken befreien von negativen Gedanken. Und um den Zauber der Weihnachtszeit zu vervollständigen, können auch Weihrauch und Myrrhe zur Aufhellung und Segnung verräuchert werden.

Räuchern an Festtagen und in den Raunächten

Die stillste Zeit im Jahr rund um Weihnachten ist geradezu prädestiniert für achtsame Räucherrituale. Es gibt eine Reihe wichtiger Anlässe dafür wie die Adventzeit, Winter-Sonnenwende, Weihnachten, die Raunächte, Silvester und den Dreikönigstag. Zu diesen Anlässen war es vielerorts schon bei unseren Großeltern Brauch, den Stall und die Stuben auszuräuchern und damit einhergehend um Schutz und Segen zu bitten. Die Raunächte werden bis heute traditionell vom 25. Dezember bis zum Dreikönigsfest am 6. Jänner zelebriert. Sie galten bei unseren Vorfahren als heilige Nächte, Überlieferungen zufolge sollen an diesen Tagen nach Einbruch der Dunkelheit die Gesetze der Natur aufgehoben sein und Geister hatten die Möglichkeit, auf die Erde zu kommen — in unseren Breiten die Perchten. Diese Nächte waren auch „Losnächte“ in denen jede noch so kleine Begebenheit genau beobachtet und dem neuen Jahr zugeschrieben wurde. Die Raunächte eignen sich daher auch besonders für ausgiebige Räucherrituale und eigenes „Orakeln“. Auch hierzu gibt die Autorin ausführliche Anleitungen: Belastende Ereignisse des vergangenen Jahres sollen bereinigt und abgeschlossen werden, um Platz für positive Energie im neuen Jahr zu schaffen. Für das Ritual steht jede der zwölf Nächte für einen Monat des kommenden Jahres.

Kohle oder Stövchen — Räuchern im Alltag

Aber sind solche Rituale unserer Vorfahren in der heutigen modernen und schnelllebigen Zeit nicht längst überholt? „Wir brauchten sie mehr denn je“, ist die Autorin Nitschke überzeugt und will dies auch ihren Lesern vermitteln. Räuchern kann man das ganze Jahr über, zu jeder Jahreszeit, im Jahreskreis, aber auch ohne Anlass. Es braucht nur eine kleine Grundausstattung: Für das Räuchern mit Kohle — eine der ursprünglichsten Methoden — benötigt man ein feuerfestes Gefäß, Sand, Kohle, eine Zange, Streichhölzer, eine Kerze und Räucherwerk. Sie eignet sich am besten zum Ausräuchern der Wohnung oder für Rituale im Freien. Schnell und schonend ist hingegen die Räuchermethode mit dem Sieb bzw. Räucherstövchen, wo nur ein Stövchen mit dazu passendem Sieb, ein Teelicht, Streichhölzer, ein Löffel und Räuchermaterial benötigt wird. Durch gezielte Platzierung des Materials lässt sich die Rauchentwicklung steuern, von sehr viel Rauch bis hin zu Raumduft ganz ohne Rauch. So kann man große Räucherrituale zelebrieren oder einfach nur ein Teelicht im Stövchen anzünden, ein paar Blüten oder eine fertige Räuchermischung aufs Gitter streuen und die wohlige Atmosphäre genießen.

Räucherritual „Haussegnung“

Am 6. Januar werden Haus oder Wohnung ausgeräuchert und gesegnet. Als Mischung eignen sich in diesem Fall Weihrauch und Myrrhe zu gleichen Teilen. Wenn Sie das Jahr über das Haus ausräuchern möchten, können Sie außerdem auf reinigende Kräuter zurückgreifen wie Salbei, Thymian, Lavendel und Fichtenharz. Wenn Sie alle nötigen Utensilien vorbereitet haben, zünden Sie zuerst drei Kerzen an, dann kann es losgehen. Gehen Sie mit der Räucherschale zuerst zur Eingangstür und von dort aus durch alle Räume. Folgen Sie dem Rauch, der nach oben steigt, vom Keller bis zum Dachgeschoß. Lassen Sie keinen Raum aus. Fächeln Sie den Rauch in alle Ecken und Winkel, auch hinter die Schränke und unter die Betten. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl. Ihre Intuition wird Ihnen zeigen, wo Sie intensiver und länger räuchern müssen. Räuchern Sie ausgiebig, bis Sie sehen können, dass der Rauch harmonisch fließt.

„Glück ins Haus“

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Bei dieser Haussegnung segnen Sie die Familie, sich selbst und die Wohnung. Deshalb ist sie auch sehr gut für den Neueinzug in ein Haus geeignet. Denken Sie an den Zweck dieser Räucherung. Was soll der Rauch bewirken? Ein alter überlieferter Spruch beim Ausräuchern lautet „Glück ins Haus, Unglück hinaus!“
Natürlich können sie eigene positive Segenswünsche formulieren, die genau auf Ihre Lebenssituation zugeschnitten sind. Vermeiden Sie aber negative Assoziationen. Zuletzt können Sie noch das Haus umrunden, den Garten oder die Garage. Ganz nach Belieben räuchern Sie allein, ruhig und besinnlich oder gemeinsam mit der Familie. Die Haussegnung wird am Dreikönigstag noch mit dem traditionellen Segensspruch ergänzt. Zuletzt blasen Sie die Kerzen aus, um das Hausreinigungritual bewusst zu beenden. Nach der Räucherzeremonie wird ordentlich gelüftet, damit alle gelösten schädlichen Energien entweichen können. (Auszug aus „Räuchermomente im Jahreskreis“)

Von Gisela Gillhofer

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