„Spiel der Könige“ erlebt noch nie da gewesenen Aufschwung

Österreich wird immer mehr zum Land der Schachspieler. Die Geschichte des „Spiels der Könige“ hat hierzulande eine lange Tradition. Als erster offizieller Schachweltmeister gilt der Österreicher Wilhelm Steinitz nach seinem Wettkampfsieg gegen Johannes Hermann Zukertort im Jahr 1886. Aktuell erlebt der Sport eine wahre Renaissance und erfreut sich weltweit bei jung und alt immer größerer Beliebtheit. Online-Portale jubeln gleichermaßen wie die Vereine und Verbände über Mitgliederrekorde. Ein Ende des Aufschwungs ist nicht abzusehen.

Der erste Schachverein der Welt wurde 1809 in Zürich gegründet. Mit dem anlässlich der Weltausstellung in London 1851 vom englischen Meister Howard Staunton initiierten ersten großen Turnier begann die Geschichte der modernen Schachturniere. Gemessen an der Zahl der in Vereinen organisierten Spieler ist Schach das populärste Brettspiel in Europa.

Und auch im Rest der Welt erfreut sich das „Spiel der Könige“ großer Beliebtheit. Aktuell grassiert nicht nur hierzulande ein echtes Schach-Fieber. Mit Beginn der Corona-Pandemie stieg die Zahl der Spieler auf den diversen Online-Plattformen sprunghaft an.

Mit dem Abflauen des Virus schlug sich das auch bei den Vereinen nieder. Aktuell sind rund 30.000 Landsleute in Klubs organisiert, Tendenz stark steigend.

Der Linzer Michael Stöttinger ist seit dem Herbst des Vorjahres Präsident des Österreichischen Schachbundes.

Boom durch Internet

Mitverantwortlich dafür war auch die im Oktober 2020 veröffentlichte Netflix-Serie „das Damengambit“. Diese handelt vom Weisenkind Elizabeth Harmon. Der fiktive Charakter wächst in den 1950er Jahren in einem Waisenhaus in Kentucky auf. Dort entdeckt sie ihr Talent zum Schachspiel und möchte in diesem männerdominierten Sport bestehen und Weltmeisterin werden.

Dabei verstärkt ihre im Heim erworbene Medikamenten- und später auch Alkoholabhängigkeit ihre Obsession für das Schachspiel, steht ihr aber zugleich im Weg. In den ersten 28 Tagen nach ihrem Erscheinen zählte die Serie unglaubliche 68 Millionen Seher und brach damit einen Rekord nach dem anderen. „Diese Serie war für die gesamte Schachwelt ein Glücksfall“, erklärt mit Michael Stöttinger der Präsident des Österreichischen Schachbundes, dem der Linzer seit Oktober 2022 vorsteht. Auch die Diskussion um etwaige Manipulationen bei der letzten Weltmeisterschaft hatte neben den vielen negativen auch positive Auswirkungen: „Schach ist plötzlich im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Diskussion gestanden und war ständig in den Schlagzeilen.“

Um den Sport fit für die Zukunft zu machen und den aktuellen Aufschwung so lange als nur möglich aufrecht erhalten zu können, verfolg der 44-Jährige, der dem Spiel selbst seit seiner Jugend verfallen ist, ehrgeizige Ziele und Ideen. „Eine Vision ist es beispielsweise, den Schachsport als einen Freigegenstand in der Schule zu etablieren“, verriet Stöttinger. Dazu will der erfahrene Veranstalter hochkarätiger Events diese in naher Zukunft in die Heimat holen.

Auch Ex-Weltmeister Magnus Carlsen und andere Top-Stars der Szene sollen in Österreich bald ihr Können zeigen: „Da bin ich sehr optimistisch, dass uns da in naher Zukunft etwas gelingen kann.“ Gespräche über die Ausrichtung der Weltmeisterschaft 2024 in Österreich verlaufen aktuell mehr als positiv. Auch Oberösterreich könnte als Austragungsort in Frage kommen: „Ich bin optimistisch, dass wir da in naher Zukunft etwas fixieren können.“

Der Russe Ian Nepomniachtchi (l.) und der spätere Champion Ding Liren aus China lieferten sich bei der letzten Weltmeisterschaft Ende April heiße Duelle. Der Sieger wurde erst im Tiebreak ermittelt.

Top-Event in Pasching

Wichtig, um den Sport für Kinder und Jugendliche fühl- und spürbar zu machen. „Natürlich sind solche Top-Events ein Zugpferd für die Jugend. Ich werde aber alles daran setzen, soviel Budget wie nur möglich für den Nachwuchs einzusetzen“, gibt der Marketingexperte Einblick in seine Pläne und ergänzt: „Unser Ziel als Verband muss es sein, in jedem Bundesland mehrere hauptamtliche Jugendbetreuer zu installieren. Zumindest muss man die dann geringfügig anstellen können. Bereits Ende des Monats (von 30. Juni bis zum 2. Juli) veranstaltet Stöttinger in der Paschinger Plus-City einen Grand-Prix im Schnellschach. Das Preisgeld hierfür beläuft sich auf stolze 50.000 Euro. Damit ist der Event beispielsweise höher dotiert als die vergangene Europameisterschaft und das Antreten internationaler Hochkaräter garantiert. Speziell hierbei ist, dass das Turnier für jeden Interessierten zugänglich ist.

„Wer Lust hat, kann vorbeikommen, sich registrieren und mitspielen“, erklärte der Verbandsfunktionär. Der den Einkaufstempel vor den Toren Landeshauptstadt nicht zufällig als Austragungsort ausgewählt hat. „Die Publikumswirksamkeit ist dort natürlich entsprechend groß. Einerseits versuchen wir dadurch so viele Quereinsteiger wie möglich begeistern zu können, andererseits bringen wir vielleicht Menschen, die schon lange nicht mehr am Brett gesessen sind, wieder auf den Geschmack.“ Auf die Sieger der Bewerbe in den offenen Klassen wartet ein Preisgeld von 5000 Euro.

Dass speziell Oberösterreich ein fruchtbarer Boden für den Sport ist, zeigte sich besonders deutlich bei der letzten Staatsmeisterschaft im April im Linzer Rathaus. Erstmals in der 103-jährigen Vereinsgeschichte ging die Goldmedaille an den Arbeiter-Schachverein Linz. Und das nur ein Jahr nach dem Aufstieg in die höchste Leistungsklasse.

Angeführt vom französischen Weltklasse-Großmeister Maxime Vachier-Lagrave und dem Iraner Juniorenweltmeister Parham Maghsoudloo gingen die Linzer kein Risiko ein und setzten bei allen 66 Partien ausnahmslos Großmeister ein. Das Niveau der ersten Bundesliga in Österreich ist durchgehend extrem hoch, so saßen sich beim Spitzenduell zwischen den Landeshauptstädtern und St. Veit der amtierende Weltmeister im Blitzschach mit dem französischen Linz-Spieler und der amtierende Europameister, Matthias Bluebaum aus Deutschland gegenüber.

Für den immer höheren Stellenwert, den Österreichs Schach-Szene auch international genießt, sprach auch die Anreise von Zurab Azmaiparashvili, Präsident des Europäischen Schachverbandes und selbst Großmeister. „Vom ersten Weltmeister bis zum Kulturgut Schach. Österreich ein Fixpunkt der Schachwelt. Ich freue mich natürlich über die extrem starken österreichischen Teams“, so der georgische Funktionär. Worte, die wohl auch für die etwaige Veranstaltung der WM 2024 große Wirkung haben werden.

Von Christian Baumberger

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