Wenn Architekten ihr eigenes Hotel gestalten

Einen Traditionsbetrieb wiederbelebt hat die alteingesessene Familie Hinterwirth in Gmunden und begeistert mit einem Konzept, das viele äußerst positive Überraschungen bereithält. Zusammenfassend ist zu sagen: grandioses Essen, liebevolles Design, das moderne Technik trifft, alt fügt sich harmonisch mit neu zusammen. Ein Besuch im Boutiquehotel Goldener Hirsch in Gmunden.

Da hängt ein Nitsch neben einem Hirschgeweih, die Gurkerl von Erwin Wurm stehen in einer Nische, die einmal der Herrgottswinkel gewesen sein könnte. Der alte Kachelofen wurde wieder aufgebaut.

Die handbedruckte Polsterung leuchtet in den Farben regionaler Tracht: rosa und grün, dazwischen goldene Accessoires – „schließlich befinden wir uns im Goldenen Hirschen“, wie Chefin Inge Krebs-Hinterwirth erklärt. Und auch wenn sich da große Gegensätze auftun, passt alles stimmig zusammen.

Traditionsbetrieb seit dem 17. Jahrhundert

Die Hinterwirths sind im Brotberuf Architekten. Vater Gerhart ist im Haus gegenüber, direkt an der Traun-Mündung in den See, aufgewachsen, die Familie lebt schon lange hier. Reich an Erfahrung im Hotelgeschäft, haben sie doch u.a. das Grand Elisabeth in Bad Ischl gebaut, aktuell kümmern sie sich um die Erweiterung der Post in Traunkirchen und bauen dem Seegasthof Hoisnwirt einen Schwimmbad.

Und als der Goldene Hirsch, zum Verkauf stand, schlugen die Architekten 2019 kurzerhand zu. Zuerst sollten Büroräume und Wohnungen hier Platz finden, doch Senior Hinterwirth meinte mitten in der Corona-Pandemie energisch: „Das muss wieder ein Wirtshaus werden!“ Immerhin war es das mit kurzen Unterbrechungen seit dem 17. Jahrhundert (1624). „Die ganze Familie ist immer hierher essen gegangen“, erzählt Inge Krebs-Hinterwirth. Und die ganze Familie hat dann auch mitgeholfen, das alte Gemäuer auszuräumen, Krebs-Hinterwirth legte so manche alte Mauer frei, behandelte das Gebäude behutsam und mit viel Respekt im Sinne des Denkmalschutzes. Das Ergebnis ist eine großartige Revitalisierung. „Neben Bauen mit Holz ist Bauen mit Bestand ein Trend der Zeit“, wie Hinterwirth sagt. Wo möglich, wurden Gewölbe erhalten, die schöne Holzdecke wacht über dem Restaurant. Die Historie ist übrigens im Gang zu Weinstube und Weinkeller mit vielen Bildern und Dokumenten nachzuverfolgen.

Und dann ging es ans Einrichten. Was an altem Mobiliar da und geeignet war, wurde wieder fein hergerichtet, Antiquitätenhändler und Flohmärkte abgeklappert. Holzstühle mit Herzausschnitt fühlen sich neben modernen samtigen Stühlen in warmem Dunkelgrün wohl. Freilich gehört Gmundner Keramik dazu. Das Ganze mit Accessoires wie Hasenlampen und damit auch mit einem Augenzwinkern versehen. „Ich habe in acht verschiedenen Bettwäschen geschlafen, bis ich die richtige gefunden habe“, erzählt Michael Bauer, Hinterwirths Geschäftspartner im Hotel- und Restaurantbetrieb. Die Betten sind übrigens die, die auch das wohl bekannteste Hotel Wiens, wenn nicht Österreichs, das Sacher, in seinen Zimmern stehen hat.

Moosgrüner Samt sorgt für eine ruhige Ausstrahlung der Bettstatt, deren Gegenpol entzückende rosafarbene Couchen bilden. Nichts ist überladen, dem Gast wird viel Raum gegeben, auch weil man keine zusätzlichen Wände einziehen, sondern alles so großzügig belassen wollte. Jedes der 21 Zimmer und jede der Suiten ist ein wenig anders, zur modernen Bequemlichkeit trägt die Ausstattung der Mühlviertler Firma Loxone bei. Obendrauf hat die Architektin einen Wellnessbereich, wie sie ihn selbst gern mag, aus Holz gesetzt, mit Sauna und gemütlichen Betten und Kojen zum Entspannen. Nebenan kann man sich im Fitnessraum abstrampeln. Detailverliebt ist wohl ein passendes Attribut.

Im vergangenen Juni wurde eröffnet. Und es läuft gut. Nur die Zwischensaison schwächle, wie allgemein in der Gegend, noch ein wenig, heißt es. Auch die Einheimischen nehmen das neue Angebot äußerst gern an. Privatpersonen, Geschäftsleute, Gäste aus nah und fern, das Haus ist ein Ort für alle. Der See ist nur ein paar Meter entfernt, über der Brücke der Rathausplatz. Und die Besitzer setzen viele Aktivitäten: von Weinseminaren bis zum Valentinstagsmenü, von der Beteiligung am Wirtshausfestival Felix bis zum Frühschoppen. Im Sommer trifft man sich im Gastgarten, entzückende kleine Salettl dienen als Rückzugsraum und Schutz vor allzu großer Hitze. Im Keramikstüberl feiern geschlossene Gesellschaften, mit dem Hirschensaal gibt es auch einen Seminarraum. „Wir wollen ein offenes Haus sein, auch für längere Aufenthalte wie Sommerfrische“, so die Architektin.

Das Essen ist ein eigenes, spannendes Kapitel

Das Essen ist ein eigenes Kapitel: Chefkoch Giovanni Montagnuolo aus Italien hat in London bei Starkoch Gordon Ramsey gelernt. Da werden traditionelle regionale Gerichte erkennbar zitiert und mit ganz besonderen Geschmäckern versehen, über die der Gaumen jubiliert und der Kopf immer wieder nachdenkt, was diese oder jene Zutat vielleicht sein könnte.

Superspannend und auch optisch großartig! Viel Fisch aus See und Meer, mal als Sushi, mal in herrlicher Vielfalt gebraten schwimmend im köstlichen eigenen Sud als Fischsuppe, mal geräuchert. Vegetarier werden hier genauso gut bedient wie Fleischtiger – der Klassiker, das Wiener Schnitzel darf freilich nicht fehlen. Und wer auch immer hier der Patissier ist, hat nicht minder ein Händchen für harmonische wie überraschende Geschmackskompositionen.

Ein Beispiel gefällig: ein kleines Törtchen mit Zitrusfrüchten, Blutorangensorbet und selbstgemachtem Marshmallow, der sogar kritische Geister überzeugt. Alles ist mit Bedacht ausgewählt, man ist bemüht, hochwertige Zutaten einzukaufen, der köstliche Kaffee etwa kommt von den Röstern Bieder und Meier aus Wien.
Übrigens: Ein Teil der großartigen Kunstwerke im Hotel stammt aus der Galerie Lössl und kann käuflich erworben werden.

Von Melanie Wagenhofer
Die Verfasserin nahm auf Einladung des Hotel Goldener Hirsch an der Reise teil.

Das könnte Sie auch interessieren