„Man kann Applaus nicht als Messlatte sehen“

David Garrett gastiert mit seiner „Alive“-Tour am 22. und 23.7. am Linzer Domplatz

Pflegt seine Leidenschaft für die Geige seit Kindertagen: David Garrett.
Pflegt seine Leidenschaft für die Geige seit Kindertagen: David Garrett. © Christoph Köstlin

Nach coronabedingten Einschränkungen startet Stargeiger David Garrett wieder auf der Bühne durch. Am 22. Juli ist er mit dem Album „Alive“ am Linzer Domplatz zu Gast.

Garrett über Druck in der Kindheit, seine Autobiografie und ukrainische Verwandtschaft.

VOLKSBLATT: So richtig große Konzerte waren lange nicht möglich. Wie gehen Sie jetzt an solche Termine heran?

DAVID GARRETT: Ich freue mich drauf und war die ganze Zeit auf Abruf bereit. Ich bin sehr froh, endlich mit meiner Crew und meiner Band wieder unterwegs sein zu können, wir haben für das Publikum in Linz ein schönes Programm zusammengezaubert.

Mit Ihrem Album „Alive“ feiern Sie das Leben. Was darf das Publikum erwarten?

Das Publikum darf als Allererstes tolle Musik erwarten, darf Musiker auf der Bühne erwarten, die voller Lebensfreude sind, das Publikum unterhalten wollen und eine tolle Stimmung. Wir wollen den Menschen eine grandiose Show servieren, wo sie die schwierigen Seiten des Leben vergessen können, sich einfach fallen lassen dürfen.

Wir spielen natürlich ein bisschen was vom neuen Album, zum Beispiel „Happy“ von Pharell Williams, „Staying Alive“ von den Bee Gees, Metallica, „Come Together“ von den Beatles mit der E-Geige, das ist eine ganz tolle Improvisation. Wir spielen aber auch das „Confutatis“ aus Mozarts Requiem. Ein tolles, bunt gemischtes Programm, so wie die Leute das von mir kennen und ein Stück auch erwarten.

Wie sehen Sie den aktuellen Umgang mit russischen Künstlern? Finden Sie es richtig, dass diese sich erklären müssen, wo sie politisch stehen, um noch Engagements im Westen zu erhalten?

Ich bin kein Politiker, es ist schwierig für mich, das zu beurteilen. Ich fände es schön, wenn man sich klar gegen den Krieg äußert, gerade als russischer Künstler. Ob man das erwarten darf, weiß ich nicht. Ich stelle mir natürlich mehrere Szenarien vor, ein Beispiel: Du wohnst seit 20 Jahren in Deutschland oder in Österreich, hast allerdings deine ganze Familie noch in Moskau. Würdest du dann über den Herrn Putin ganz negative Sachen erzählen? Ich weiß es einfach nicht. Ich würde da wahrscheinlich auch sehr, sehr lange darüber nachdenken

Ihre Großmutter stammte aus der Ukraine, ist in den 1930er-Jahren von dort vor Stalin geflohen. Haben Sie noch Verwandte dort?

Nein, die sind alle ausgelöscht oder verschleppt worden oder konnten — wie meine Großmutter — fliehen. Das ist schon ein persönlicher Bezug, aber ich würde nicht so weit gehen, dass ich mich deswegen besser in so eine Situation hineinversetzen kann, das wäre übertrieben. Aber ich habe natürlich eine besondere Verbindung zu dem Land. Ich habe dort gespielt, aber auch in Russland. Was das Publikum anbelangt, kann ich über beide Nationen nichts Negatives sagen. Das Problem sind nicht die Menschen dort, das ist der politischen Situation geschuldet, und da gibt es ja eine Person, die das Ganze forciert. Es ist halt Putins Krieg.

Sie sind 41 und es sind bereits einige Bücher über Sie erschienen. Wollten Sie das mit Ihrer Autobiografie jetzt selbst in die Hand nehmen?

Die bisherigen Bücher sind zusammengewürfelt aus Interviewbrocken, ohne mein OK hat man so ‘was einfach rausgehauen. Manches ist schlecht geschrieben und auch nicht wahrheitsgemäß. Da dachte ich, mach´ ich doch einmal eine vernünftige Biografie. Die Arbeit daran war lange und langwierig, aber es war schon eine schöne Sache, das noch einmal ein Stück weit zu durchleben. Ich finde es auch immer gut, wenn man Dinge aufschreibt oder ausspricht, die einem nicht so gut gefallen haben. Das befreit und wirkt versöhnlich. Aber ich habe niemanden in die Pfanne gehauen, bin kein Mensch, der Vorwürfe äußert. Abrechnungen dürfen andere machen. Ich bin harmoniesüchtig und ich bin vor allem nicht nachtragend, weil mir diese Geschichten auch unglaublich viel Erfahrungsreichtum gegeben haben. Mir war es wichtig, das ehrlich anzugehen, nicht Sachen zu verschweigen, aber auch niemanden zu brüskieren.

Der Titel lautet „Wenn ihr wüsstet“ – was wäre dann?

Da sind Millionen Facetten drin, die noch nie ausgesprochen worden sind in Interviews oder Geschichten. Abgesehen davon habe ich jedes Kapitel mit QR-Codes bestückt, mit Videoaufnahmen von der Kindheit an, bestimmt 20 Stunden an Videomaterial, das mir wichtig war und das es sonst nirgendwo gibt. Und dann natürlich auch meine Geschichte, die zum allerersten Mal chronologisch vernünftig erzählt wird. Und auch Interessensgebiete: Ich erkläre, wie ein Instrument funktioniert, das Besondere, das Faszinierende an der Geige. Das finde ich alles sehr spannend und neu, deswegen: Wenn ihr wüsstet.

Sie sammeln ja auch Geigen …

Soferne ich sie mir leisten kann, ja.

Wie würden Sie Ihre Kindheit beschreiben: Man hört, dass Sie sehr bestimmt war vom vielen Geigenüben und dass es auch einen gewissen Druck seitens Ihres Vaters gegeben haben soll. Wie sehen Sie das heute?

Von Lehrern und von meinem Papa gab es viel Druck, ja, klar. Rückblickend bin ich aber froh, dass es den gab, weil es natürlich viel bewirkt hat geigerisch. Würde ich diesen Druck anderen zumuten? Nein! Würde ich ein Kind so unter Druck setzen? Nein, niemals, das könnte ich gar nicht! Würde ich mein Leben ändern? Nein, es ist, wie es ist.

Ist Ihr Vater heute noch Ihr wichtigster Kritiker? Und hängt das auch damit zusammen, dass Sie einmal gesagt haben, dass Ihnen Applaus nie wichtig war?

Mein Vater ist mittlerweile mein größter Fan und fragt mich oft nach Unterricht, das ist doch ganz süß. Applaus ist natürlich wichtig, aber für mich sekundär, weil ich glaube, dass man die eigene Leistung selbst immer am besten einschätzen kann. Und da ich sehr perfektionistisch veranlagt bin, gibt es auch tollen Applaus, wenn ich selbst nicht zufrieden bin. Ich glaube, man kann Applaus nicht als Messlatte sehen.

Sie sind als schnellster Geiger der Welt im Guiness-Buch der Rekordeingetragen. Wie kam es dazu?

Ich wurde für eine Kindersendung in Großbritannien angefragt, da sollte ich mein Instrument vorstellen. Und da habe ich ein Stück mitgenommen, das die Kinder schön und lustig finden und auch kennen, den „Hummelflug“. In der Sendung stand plötzlich jemand vom Guiness Buch da und dann habe ich natürlich so schnell gespielt wie möglich, das wollte ich mir nicht nehmen lassen.

Mit DAVID GARRETT sprach Melanie Wagenhofer

Das könnte Sie auch interessieren