„Manege frei“ für Habsburgs Fauna

Elefanten, Großkatzen, fremde Vögel und andere Tierarten, die lange nur aus illustrierten Büchern bekannt waren. Sie stammten aus fernen Erdteilen und gelangten einst im Zuge von Expeditionen oder als Attraktionen von Wandermenagerien in die Residenzstadt Wien. „Des Kaisers schönste Tiere" sind nun bis 26. Juni 2022 im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek in Form von detailreichen Bildnissen zu sehen und dokumentieren auch 400 Jahre Sammelleidenschaft der Habsburger.

Weißgefleckter Oktopus aus dem Hof-Naturalienkabinett, Leopold Brunner der Ältere, 1856 © Österreichische Nationalbibliothek

Etwa 10.000 Tierstudien entstanden im 19. Jahrhundert allein im Auftrag Kaiser Ferdinands I.. Die Exoten selbst fristeten ihr Dasein nicht bloß als lebende Schauobjekte der kaiserlichen Tiergärten — u.a. im ältesten Zoo der Welt in Schönbrunn, den Kaiser Franz I. Stephan 1752 mit zwölf Gehegen eröffnet hatte — oder ausgestopft in den Naturaliensammlungen. Seltene Vögel wurden auch als Haustiere hoher Persönlichkeiten, wie etwa der Familie Metternich gehalten, kleine Äffchen bewohnten jahrzehntelang den kaiserlichen Garten auf der Burgterrasse.

Ein Elefant auf Reisen

Für den Elefanten Soliman, der ihm von seinem Schwager Philipp II. von Spanien geschenkt wurde, gründete Maximilian II. 1552 die erste Menagerie in Wien. Dort sollen neben einheimischen Tieren beispielsweise auch Löwen, Kamele, Affen und „indianische Raben“ (Papageien) gehalten worden sein. Der Elefant jedenfalls erreichte am 7. Mai 1552 nach einer aufsehenerregenden Reise Wien — die ihn bekanntlich auch durch Linz führte, wie ein Relief am Hauptplatz 21 zeigt —, verstarb aber nach nicht einmal zwei Jahren. Zehn Jahre später kam erneut ein Elefant als Geschenk aus Spanien an. Kaiser Maximilian II. nutzte die eindrucksvolle Erscheinung des grauen Riesen für Auftritte bei offiziellen Anlässen und Festivitäten.

Eine Menagerie besaß auch Prinz Eugen von Savoyen. Pfaue, Schwäne, Kraniche, Affen, ein Löwe und viele weitere Tierarten bevölkerten einen Teil des Parks von Schloss Belvedere. Der Prinz besuchte und fütterte seine Tiere regelmäßig. Sein Lieblingstier, ein Löwe, soll sogar bei einem Bankette aufgetreten sein. Nach Prinz Eugens Tod wurden die Raubtiere in Hetztheater gebracht.

Die naturalistischen Tierdarstellungen bieten nicht nur ein einzigartiges künstlerisches Spektrum, von mikroskopisch-präzisen Studien von Insekten bis zu anmutigen Darstellungen von Großsäugern. Sie dokumentieren gleichzeitig die herausragende Forschungstätigkeit im Hof-Naturalienkabinett unter Kaiser Franz II./I. und Ferdinand I. Je nach Auftrag standen Tierliebe, Repräsentationsbedürfnis oder naturwissenschaftliches Interesse hinter diesen Werken. Präparierte Tiere wurden von den besten Tiermalern abgebildet und erfüllten so einen edukativen und wissenschaftlichen Zweck. Bei den Habsburgern hatte die Förderung der Naturwissenschaften eine lange Tradition. Diese setzte auch Kaiser Franz II./I. (1768–1835) fort, indem er 1796 eine kleine Sammlung ausgestopfter Säugetiere und Vögel erwarb und damit den Grundstein für das erste zoologische Museum in Wien in einem Trakt der Hofbibliothek legte. 1797 wurde die Sammlung für interessierte Besucher geöffnet. Die Präsentation der Tiere nach wissenschaftlichen Prinzipien erfolgte ab 1806.

Der Direktor des Hof-Naturalienkabinetts, Carl von Schreibers, übergab dem Kronprinzen und späteren Kaiser Ferdinand I. (1793–1875) einmal pro Woche eine Auswahl an Tierzeichnungen, die eigens für seinen Unterricht angefertigt wurden. Als Ferdinand 1835 den Thron bestieg, standen bereits sechs Maler in seinen Diensten, die sich auf das Tierfach spezialisiert hatten.

Brasilienexpedition

Expeditionen schufen die Basis für die Erforschung der exotischen Fauna und legten den Grundstein für exotische Menagerien der kaiserlichen Auftraggeber. Anlässlich der Heirat der österreichischen Kaisertochter Leopoldine mit dem portugiesischen Thronfolger und späteren Kaiser von Brasilien, Dom Pedro, organisierte Kaiser Franz II./I. (1768–1835) eine naturwissenschaftliche Expedition in das damals nahezu unbekannte Land. Diese sollte die Braut 1817 nach Brasilien begleiten. 14 Zoologen, Botaniker, Mineralogen, Präparatoren und Maler nahmen teil. Im November 1818 erreichte der erste Transport von lebenden und ausgestopften Tieren, Pflanzen, Mineralien und Insekten Wien, um im Hof-Naturalienkabinett wissenschaftlich untersucht zu werden.

In den folgenden 18 Jahren gelangten zehntausende lebende Tiere, Tierbälger und Präparate in die Kaiserstadt. Nur wenige der lebend gefangenen Tiere überlebten die beschwerliche Überfahrt. Nachdem im Laufe der Jahre nach und nach alle beteiligten Forscher aufgrund von Krankheit, dem ungewohnten Klima und politischen Unruhen aus Brasilien abreisten, kehrte im Jahr 1836 mit Johann Natterer der letzte Zoologe zurück und die wohl aufwendigste habsburgische Expedition, im Rahmen derer exotische Tiere wie ein Jaguar, ein Opossum, Kapuzineraffen oder Vögel wie Blauara und Goldkappensittich nach Wien gelangten, endete.

„Wandermenagerien“ boten einem zahlungsfähigen Publikum die Möglichkeit, exotische Tiere aus nächster Nähe zu bestaunen. Als Familienunternehmen tourten sie durch ganz Europa. Das Vorführen und Erklären der meist handzahmen exotischen Tiere, deren Fütterung und Dressuren waren Fixpunkte der Vorstellungen. Raubkatzen, Zebras, Affen, Schlangen und v. a. Elefanten waren überaus beliebt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde zunehmend die Wildheit der Raubtiere gezeigt. Das Publikum sollte durch Löwengebrüll und Peitschenhiebe einen Nervenkitzel erfahren. Nach und nach gingen die Wandermenagerien in der Zirkusbewegung auf.

Blutige Schaukämpfe

Im Laufe des 18. Jahrhunderts gab es in Wien mehrere Hetztheater. Zur Belustigung der Bevölkerung wurden in stets ausverkauften Vorstellungen, exotische und einheimische Tiere wie Löwen, Tiger, Bären, Stiere, Wildschweine, Wölfe und Hunde, in grausamen Schaukämpfen aufeinandergehetzt. Zwei große Steigbäume in der Mitte der Arena sicherten den menschlichen Hetzern, den „Hetzknechten“, bei zu großer Gefahr Zuflucht. Das blutige Spektakel wurde von lauter Musik begleitet. 1796 fiel das Theater einem Brand zum Opfer. Danach wurden Tierhetzen verboten. Die Redewendung „Das war a Hetz!“ hat sich bis heute gehalten.

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