Markovics las im Posthof

TIROL: EUROPISCHES FORUM ALPBACH 2020: EROEFFNUNG:: MARKOVI

Zu den Dingen, die einem Wiener ans Gemüt gehen, zählen „a schas med qastln“ oder „de muzznbocha med an nosnraumö oes lesezeichn“. Die Untiefen solcher Wörter auszuloten, bedurfte es einst des beseelten Vortrags H. C. Artmanns.

Oder es ist ganz zufällig Karl Markovics (Bild) zur Stelle, der des Meisters abgründige und morbide Poesie mit – nun ja – prallem Leben füllt. Artmanns „Wos an weana olas en s gmiad ged“ am Beginn eines Leseabends mit Musikbegleitung. Sensationell der Vortrag des Schauspielers und Filmregisseurs Karl Markovics, „Der verlogene Heurige & andere Kalamitäten“ standen auf dem Programm.

Luftig Heiteres oder gefinkelt Derbes aus vergangener Zeit, passend zum vom Virus angestachelten Eskapismus der Gegenwart. Der Große Saal des Linzer Posthofs war am Samstag gut gefüllt, die OÖ. Concert-Schrammeln mit Peter Gillmayr, Kathrin Lenzenweger, Guntram Zauner und Andrej Serkov ein fantastischer Rückhalt. Präzise und sentimental, beschwingt und melancholisch. Ein Hans Moser sitzt da gedanklich gleich ums Eck und heult glücklich in sein Weinglasl. Markovics bringt am Stehpult die Texte zum Leuchten.

Krümmt sich, gestikuliert raumgreifend oder wild, tritt pantomimisch gegen Schienbeine. Offensichtlich hat er Riesenspaß an der Arbeit, trägt nicht einfach vor, sondern errichtet ganze Textgebäude. Jeder Wortziegel genau gesetzt, Wörter wie Strudelteig geknetet, genüsslich Pausen gesetzt, ehe dramatische Kaskaden rollen. Eine Tragödie, ein lautsprachliches Feuerwerk Ernst Jandls „gasthaus“.

Karl Kraus ergötzt sich am deutschen Gast („belegte Brötchen“!), Friedrich Torberg kostet eine weihnachtliche Fressorgie aus. Fritz Salten im „Krieg“ mit Praterkellnern, Peter Altenberg studiert impressionistisch Manneskraft. Literarische Mannsbilder unter sich. Alfred Polgar, der gewitzteste, serviert mit „Die Tischnachbarin“ eine Delikatesse über das heikle Thema Sitzordnung.

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Glücklich, wer neben einer humorbegabten Dame zu sitzen kommt. Diese eröffnet souverän das Gespräch: „Komisch! Ich habe fest geglaubt, Sie sind schon tot.“ Ein hörbar frohes Publikum dankte mit fettem Beifall. Markovics mit einem Grinser, Kusshändchen und kurzem Gstanzl als Zugabe. Schöner Abend.

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