Matou, Moral, Müll: Köhlmeier im Posthof

Autor Michael Köhlmeier
Autor Michael Köhlmeier © Hassiepen

Ein Stahlstich aus der Französischen Revolution gab Michael Köhlmeier die Grundidee zu seinem jüngsten Roman „Matou“ (Hanser). Hunde und Katzen, die sich am Blut der geköpften Revolutionäre laben. Moral?

Des Menschen Moral wesentlich daran geknüpft, nicht seinesgleichen zu töten. Gut 200 Jahre Aufklärung seit der Französischen Revolution haben den Menschen nicht gezähmt, sondern das Töten auch noch industrialisiert. — Einer der Rätselstränge, die Köhlmeiers knapp 1000-seitigen Roman durchziehen. Erzähler ist Matou (franz. für „Kater“, ein nicht kastrierter übrigens). Ein sprechendes Tier, das mit seinen sieben Leben durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart streunt.

Köhlmeier zuzuhören, seinen vifen Assoziationen zu folgen, ist stets verlässliches Vergnügen. Am Freitag las und sprach der Schriftsteller aus Vorarlberg im gut gefüllten Großen Saal des Linzer Posthofs. Über Wildheit und umfassenden Anspruch von Literatur der Romantik, gegen die sich heutige „auf ungeheure Weise brav und einfach gestrickt“ ausnehme. Über die historische europäische Schande im Kongo, millionenfach abgehackte Gliedmaßen.

Im Kongo-Teil des Romans Matou in Gestalt eines Leoparden, er übt Rache für die ungeheuren Verbrechen des belgischen Königs Leopold zwo (Köhlmeier: „in einer Reihe mit Hitler und Stalin“). Über die menschliche Erfindung der „Liebe“, die dem pragmatischen Matou partout nicht einleuchten will. Von hier eine Gedankenlinie zu ziehen zu Charme und Charisma samt Loblied auf Angela Merkel („sie hat nie mit Charisma gespielt“) — Köhlmeiers Meisterleistung.

„Charisma in der Politik ist Gift“, des Aufklärers Lob der Langeweile dürfte weitgehend ungehört bleiben: „Politik ist Haushalt! Es ist verrückt, Fanfaren anzustimmen, wenn ich nur den Müll runtertrage.“

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