Mehr Junge auf der Psychiatrie

KUK-Kliniken für Kinder und Jugendliche sind voll ausgelastet – Viele Akutfälle

„Viele Jugendliche haben durch die langen Phasen des Home-Schoolings jetzt das Gefühl, ins Hintertreffen zu geraten. Vor allem, wenn das Distance Learning nicht so gut funktioniert.

Da geht es nicht nur um den Lernstoff, sondern auch um die Entwicklung der Synapsen im Gehirn. Das soziale Lernen, das normalerweise in der Schule passiert, ist zudem extrem wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung“, weiß Primar Michael Merl, Vorstand der Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Linzer Kepler Universitätsklinikum (KUK).

Durch das Verhalten in der Gruppe lerne man von klein auf, die eigenen Gefühle zu regulieren. Das gehe über die sozialen Medien nur schwer.

Ausweg Selbstverletzung

„Zu uns kommen u. a. Kinder und Jugendliche, die den Eindruck haben, von den Freunden schlecht behandelt zu werden und als einzigen Ausweg die Selbstverletzung sehen“, schildert Merl.

Konnten die Eltern im ersten Lockdown noch vieles kompensieren, seien mittlerweile ganze Familien erschöpft. „Manche Kinder ziehen sich zurück und verfallen in eine Depression, die anderen richten aufgestaute Aggressionen, durch die fehlende direkte Kommunikation gegen sich selbst“, so der Primar.

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Fakt ist, dass derzeit alle 54 Betten der Kinder- und Jugendpsychiatrie voll belegt sind, und es sich durch die Corona-bedingte Reduktion der beiden Tageskliniken für die Fünf- bis Zwölfjährigen und die Zwölf- bis 18-Jährigen um schwerere und akute Fälle handelt.

„Zunächst wurde Personal in andere Bereiche abgezogen, seit kurzem können wir wieder tagesklinische Therapien anbieten, aber in nur halb so großen Gruppen. Immer wieder müssen Kinder oder Jugendliche, wenn sie sich halbwegs stabilisiert haben, rascher entlassen werden, weil der Platz gebraucht wird. In der Folge kommen sie aber auch wieder früher ins Spital zurück“ sagt Merl.

Wie lange der Ausnahmezustand dauere, hänge zudem davon ab, „wie gut es in den Schulen gelingt, die Probleme der Schüler abzufangen“. Die Auswirkungen könnten die Psychiater aber noch Jahre beschäftigen.

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