„Mein Schwerpunkt liegt auf Sulzer“

Vera Krals Konzert und Erinnerungen zum 90er des 2019 verstorbenen oö. Komponisten

Vera Kral und ihr Lehrer und Freund Balduin Sulzer 2012
Vera Kral und ihr Lehrer und Freund Balduin Sulzer 2012 © Studio 7

Wenn sie an ihn denkt, fallen ihr unzählige Anekdoten ein, vor allem aber spürt sie Dankbarkeit. Balduin Sulzer war Vera Krals Lehrer und Freund.

Wie die Erste Geigerin des Bruckner Orchesters hat der 2019 verstorbene oö. Komponist, der am 15. März 90. Geburtstag gefeiert hätte, eine ganze Gruppe heute sehr renommierter Musiker, darunter Franz Welser-Möst, Kurt Azesberger, Eduard Matscheko und Michael Oman, auf ihrem Weg geführt und begleitet.

Eine gute Schule

Die Geige hat sie sich nicht selbst ausgesucht. „Die war zuhause noch von meinem Großvater da und wurde mir als Sechsjährige in die Hand gedrückt“, erzählt Vera Kral im VOLKSBLATT-Gespräch. Aus der Zwangsbeglückung wurde eine große Leidenschaft. Und als 13-Jährige stand ihre Entscheidung fest: Sie wollte in ein Orchester und ans Linzer Stiftergymnasium und zwar wegen Balduin Sulzer. „Sulzer war damals schon so eine Eminenz“, erinnert sich Kral. Im Landesjugendorchester, dessen Konzertmeisterin sie war, hatte sie gehört, dass es eine gute Schule sei, unter Sulzers Fittiche genommen zu werden.

„Er hat schon streng sein können und auch sehr direkt. Er hat uns nicht mit Samthandschuhen angefasst“, erinnert sich die Linzerin an Sulzer als Lehrer und Leiter des von ihm gegründeten Mozartchores. Durch Franz Welser-Möst, damals Chefdirigent in Schweden und im schweizerischen Winterthur, bekam der Chor die Möglichkeit, mit großen Orchestern auch im Ausland aufzutreten. „Balduin hat uns dafür vorbereitet und uns eingebläut, wie wir zu singen hatten.“ Wenn sie heute Bruckners „Locus iste“ hört, muss sie sofort mitsingen: „Weil das immer noch so in mir drin ist.“

Sulzer habe die Talente seiner Schüler erkannt und gefördert. „Und wenn etwas gut war, dann hast du gemerkt, dass er zufrieden ist.“ Er sei dabei nie ein Angeber gewesen, sondern stets bescheiden. „Das Ergebnis zählt“, habe er einmal zu ihr gesagt, als sie sich darüber beklagte, viel mehr üben zu müssen als andere. „Er ist auch selbst sehr fleißig gewesen.“ Und als sich Kral nach einem Auftritt in einem Bierzelt über mangelnde Aufmerksamkeit beschwerte, habe Sulzer nur gemeint: „Vera, das ist komplett wurscht, ob du im Bierzelt oder auf der Brucknerhaus-Bühne spielst. Hauptsache, du spielst.“ Für viel Praxis und Erfahrung sorgten auch Auftritte mit dem schuleigenen Orchester des Stiftergymnasiums unter Sulzer im ganzen Land: „Davon zehre ich heute noch.“

Und dann wäre da noch Sulzers legendärer Humor, der sich nicht nur in Werken, sondern auch im Alltag niederschlug: „Er hat mir humorvolle Mails und Postkarten geschickt, in denen aus Grazie mille ,Krazie millllllllle’ oder aus bis bald ,biiiiiiiiiiis’ geworden ist“ erinnert sich Kral. „Und Humor ist der rote Faden bei seinen Stücken.“

Ihr Bruder und sie hätten einmal im Sommer Sulzers berüchtigt-chaotisches Arbeitszimmer im Stift Wilhering eine Woche lang aufgeräumt, von dem er selbst immer behauptete, er würde alles finden. „Die Ordnung hat dann relativ lange gehalten.“ Im Gegensatz zum Ruf des Chaoten stand Sulzers penible Korrektheit bei lithurgischen Abläufen. „Auch beim Notenschreiben kannst du nicht schlampig sein oder chaotisch“, betont Kral.

Die Zusammenarbeit mit dem Komponisten machte Kral als Geigerin zur absoluten Spezialistin für Sulzers Werk. „Wir haben die Stücke Ton für Ton noch mit ihm, genau so, wie er es gespielt haben wollte, erarbeitet.“ Das kann man auf CDs („Pas de deux“, „Miszellen“), die Kral exklusiv mit seinen Werken eingespielt hat, nachhören. „Mein Schwerpunkt liegt auf Sulzer, dem es ein Bedürfnis war, möglichst viel von seinen Stücken auf diese Art und Weise dokumentiert zu haben.“

Aus der Lehrer-Schüler-Beziehung wurde Freundschaft, Sulzer für Kral zum „Beichtvater und Lebensberater“: „Er hat mich und meinen Mann getraut, für unsere Hochzeitsmesse ein ,Gloria’ komponiert und meine Tochter getauft“, erzählt Kral. Und er hat in seinem Testament verfügt, dass seine Schülerin an seinem Grab sein Werk „Poéme Gregorien“ spielt. Eine Wunsch, den Kral 2019 erfüllt hat.

Wie eine Familie

Sulzer hat seine Schüler sehr geprägt: „Wir sind immer noch wie eine Familie.“ An seinem Geburtstag würdigt Vera Kral den Verstorbenen gemeinsam mit Michael Oman und Sopranistin Johanna Rosa Falkinger mit einem Konzert, das so aufgebaut ist, wie Sulzer das gern gehabt hat: „Spiel vorher und nachher noch schöne Musik, nicht nur Sulzer an einem Abend“, habe er einmal zu ihr gesagt. Und so umrahmen Telemann und Mozart am 15. März (19.30 Uhr) beim Festkonzert im Rahmen der „Wilheringer Notenköpfe“ im Benedikt-Saal des Stiftes Wilhering Sulzers Werke.

Von Melanie Wagenhofer

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