Meinung

von Markus Ebert

Ein Nachdenken über ein ‚tolles Ergebnis‘ ist mehr als angesagt

Kommentar über die magere Wahlbeteiligung bei der Arbeiterkammerwahl

Natürlich hat Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer Wien und auch österreichweite AK-Präsidentin, gut lachen. Immerhin kam ihre FSG-Fraktion in Wien auf 57,5 Prozent, als zweitstärkste Fraktion folgen dahinter die blauen Arbeitnehmer mit 8,4 Prozent. Auf Augenhöhe mit der Anderl-Fraktion sind sie damit nicht — so wie das auch die schwarzen Arbeitnehmervertreter in einigen Bundesländern nicht mehr sind.

„Das ist ein tolles Ergebnis“, resümiert die Präsidentin, und folgert daraus auch, „dass die Bundesregierung des Öfteren auf die Arbeiterkammer hören sollte“.

Im Ernst?

Sieht man einmal davon ab, dass die Arbeiterkammer als Bestandteil der Sozialpartnerschaft einen unbestrittenen gesellschaftspolitischen Stellenwert hat, scheint es doch höchst an der Zeit, das AK-Ergebnis unter dem Blickwinkel der Wahlbeteiligung eingehend zu analysieren.

Wenn heuer im Österreich-Schnitt gerade noch 35 Prozent der Wahlberechtigten tatsächlich wählen, dann ist das alles andere als „ein tolles Ergebnis“. Denn Faktum ist: Die Wahlbeteiligung sinkt über die Jahrzehnte hinweg kontinuierlich — und das bei wachsender Zahl der Stimmberechtigten. Im Klartext: Zwischen 1954 und 2014 hat sich die Zahl der Wahlberechtigten verdoppelt, die Wahlbeteiligung aber von damals 72 auf heute 35 Prozent halbiert.

Die Arbeiterkammer und auch die anderen gesetzlichen Interessenvertretungen wären gut beraten, eine Bestandsaufnahme der eigenen Klientel durchzuführen. Es mag schon sein, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit der Arbeit der AK so zufrieden sind, dass sie gar keinen Grund sehen, zur Wahl zu gehen — so lautet zumindest oft die offizielle Lesart.

Ebenso aber mag zutreffen, dass sich viele Pflichtmitglieder von der AK einfach nicht mehr vertreten fühlen — was bei einer so vielfältig gewordenen Arbeitswelt auch kein Wunder wäre.

So oder so: Das Problem des Wahl-Desinteresses einfach zu ignorieren, wäre der falsche Weg. Will die AK tatsächlich, dass eine Bundesregierung weiter auf sie hört, braucht sie unbestritten eine breitere Wählerbasis. Ansonsten wird die Frage der Pflichtmitgliedschaft schneller gestellt sein, als manchen lieb ist.

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