Meinung

von Manfred Maurer

Lasst Farage nicht gewinnen!

Nach dem Brexit darf Europa nicht in die nationale Falle tappen

Jetzt ist das vor Kurzem unvorstellbar Gewesene Realität: Die Europäische Union ist geschrumpft. Und dabei gibt es nichts schönzureden von wegen: jetzt sind wir diese Blockierer, Rosinenpicker und Rabattschinder los und machen es uns gemütlich in der kleineren Union.

Anstatt hohle Phrasen à la „Die EU ist noch aus jeder Krise gestärkt hervorgegangen“ zu dreschen, gilt es der bitteren Realität ins Auge zu schauen: Der Brexit bedeutet ein Fiasko für das europäische Integrationsprojekt.

Historisches Scheitern

Da dieses eine historische Errungenschaft ist, lässt sich auch die historische Dimension des Scheiterns nicht leugnen. Schon gar nicht im 75.Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg. Und schon gar nicht, wenn man hört, was die Brexit-Fetischisten in ihrem Freudentaumel von sich geben. „Wir hassen die Europäische Union“, erklärte Nigel Farage zum Abschied im Europaparlament. Und nicht nur das. Er hofft auch, dass der Brexit der Anfang vom Ende des europäischen Projektes ist.

Nigel Farage ist nicht irgendwer. Er ist der Vater des Brexits, der David Cameron die Referendumsfalle gestellt hatte und dann, als der Premierminister in selbige getappt war, zum Zwecke des eigentlichen Zeugungsaktes mit Lügen und Halbwahrheiten kopulierte.

Anti-EU-Netzwerk

Nigel Farage ist nicht alleine. Der Gründer der Brexit-Partei ist Teil eines internationalen Netzwerkes, dessen Verzweigungen nach Moskau ebenso wie nach Washington führen. Es war wohl kein Zufall, dass eine Tochter des Putin-Sprechers Dimitri Peskow in der bis 2019 von Farage geführten EFDD-Fraktion gearbeitet hatte. Immer wieder gern gesehener Gast bei Farage ist ein gewisser Stephen Bannon. Der einstige Chefstratege von Donald Trump hatte vor den EU-Wahlen im vergangenen Jahr eine Allianz der Rechtspopulisten gepusht. Das Projekt war zwar nicht von Erfolg gekrönt, das Ziel eines Drittels der Mandate wurde klar verfehlt, doch für Entwarnung besteht kein Grund.

Auch Putin und Trump träumen Farages Traum

Denn Farages Traum vom Ende der europäischen Integration träumen auch Donald Trump und Wladimir Putin. Nichts ist ihnen ein größeres Gräuel als eine EU, die ihnen stark und geschlossen gegenübertritt. Viel lieber ist ihnen eine EU als loser Bund uneiniger Staaten, die man wunderbar gegeneinander zum Zwecke des eigenen politischen oder wirtschaftlichen Vorteils ausspielen kann. Großbritannien haben sie schon herausgebrochen — und es wird auf sich allein gestellt in direkten Konfrontation mit den Supermächtigen wohl bald seine blauen Wunder erleben.

Globalisierung hat keine Stopptaste

Farage mag Recht haben, wenn er sich in einem Kampf zwischen „Nationalismus und Globalismus“ wähnt. Nur, dieser Globalismus, den er mit einem nationalistischen Ansatz in die Schranken weisen möchte, hat keine Stopptaste. Die Globalisierung ist eine unumkehrbare Realität und nicht aufzuhalten. Aber sie kann, was schon schwierig genug ist, gestaltet werden, auf dass sie den Menschen mehr nützt als schadet.

Dabei helfen jedoch keine nationalen Lösungen. Solche mögen vielleicht aus der Perspektive Moskaus oder Washingtons erstrebenswert erscheinen, weil das Recht des Stärkeren oft auf ihrer Seite ist. Doch selbst die Atommacht Großbritannien ist im Match der Großen nur ein Zwerg, dem es nichts nützt, einmal ein imperialer Riese gewesen zu sein.

5 EU-Staaten mit mehr Einwohnern als Peking

Die verbliebenen EU-Staaten sind ist also gut beraten, im nun anstehenden Reformprozess jeglicher nationaler Versuchung zu widerstehen. Nationale Stärke ist in der EU nur noch indirekt erreichbar als Resultat der gebündelten Macht ihrer Mitglieder. Wer zur nationalen Kraftmeierei neigt, möge bedenken: Nur fünf der nun noch 27 EU-Staaten haben mehr Einwohner als Chinas Hauptstadt Peking. Allein in der Metropole Chongqing leben viermal so viele Menschen wie in Österreich.

Solche Relationen lassen nur eine Conclusio: Farage darf nicht gewinnen, wenn Europa in diesem globalen Match eine Chance haben will!

Eine Analyse von Manfred Maurer

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