Meinung

von Manfred Maurer

Schein vs. Sein

Kommentar zum Buch von Gregor Gänswein.

„Es wäre besser gewesen, zu schweigen“, tönt es Georg Gänswein aus der Kurie entgegen. Nur wenige Tage nach der Beisetzung des verstorbenen Benedikt XVI. streut dessen ehemaliger Privatsekretär mit einem Buch Salz in katholische Wunden.

Was der Kurienerzbischof als „Nichts anderes als die Wahrheit“ (so der Buchtitel) verkauft, wird im Vatikan als pietätlose Abrechnung eines Mannes empfunden, der über Benedikts Tod hinaus einen kirchenpolitischen Stellvertreterkrieg glaubt führen zu müssen.

Tatsächlich konterkarieren die Enthüllungen das Bild der Eintracht, das Papst Franziskus von seinem Verhältnis zum zurückgetreten Vorgänger zu zeichnen trachtete.

Doch zwischen dem intellektuellen Theologen Ratzinger mit Hang zu autoritärer Strenge und dem populärkatholischen Franziskus mit Aversion gegen theologische Spitzfindigkeiten lagen Welten.

Auch wenn der Papst — auch aus Rücksicht auf den lebenden Ponitfex emeritus — in zentralen Fragen wie dem Zölibat gar nicht als großer Reformer agiert, hat Franziskus ein anderes Verständnis von Kirche als Benedikt es hatte.

Darum geht es, wenn Gregor Gänswein aus dem Nähkästchen des Insiders plaudert. Er dekonstruiert die harmonische Inszenierung zweier Päpste und stellt dem Schein das Sein einer mit sich selbst ringenden Kirche entgegen. In diesem Sein ist Schweigen bequem, aber keine Lösung.

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