Menschen mit einem ganz besonderen Gespür

Für „Last Portraits“ besuchte die Linzer Filmemacherin Natalie Halla Naturvölker und deren Schamanen

Dhurka-Mädchen mit Rentier
Dhurka-Mädchen mit Rentier © Halla

Seit vielen Jahren beschäftigt sich die Linzer Filmemacherin Natalie Halla in ihren Arbeiten mit außergewöhnlichen Menschen. Für ihren neuen Film ist sie zu indigenen Völkern auf der ganzen Welt gereist und hat deren Alltag gefilmt.

Es ging ihr auch darum, den Schamanismus, der innerhalb von Naturvölkern eine große Rolle spielt, zu dokumentieren. „Last Portraits“ — „Letzte Porträts“— der Titel, der auch eine Befürchtung transportiert, die sich in nicht allzu ferner Zukunft erfüllen könnte.

Naturvölker in Südamerika Afrika und Asien

„Ich wollte einen Film machen über vier Schamanen an vier unterschiedlichen Orten der Welt“, erzählt Halla im VOLKSBLATT-Gespräch über das Projekt, das sie Anfang 2019 gestartet hat. Es habe sie interessiert, ob es zwischen den Naturvölkern und deren Schamanen Parallelen gibt. Ausgewählt hat sie ihre Protagonisten auch nach den Farben, die deren Umfeld prägen: Das Blau des Meeres gehört zu den Badjao Laut, das sind Seenomaden im Malaiischen Archipel, das Grün des Urwaldes zu den Waorani-Indianern in Ecuador, das Ocker der Savanne zu den Himbas in Namibia, das Weiß der Taiga in der Mongolei zu den Dhuka, den Rentiernomaden. „Das war filmisch ein zusätzlicher Anreiz“, so Halla. Rund eine Woche hat sie mit ihrem kleinen Filmteam und einem Dolmetscher beim jeweiligen Volk verbracht, mitgelebt und gefilmt. „Ich war sehr nah dran an den Menschen und habe ihr Vertrauen gewinnen können.“ Den Dreharbeiten seien stets Gespräche mit den Stammeschefs vorausgegangen. Zu erklären, was man macht, habe quasi zum Protokoll gehört.

Schamanen wirken in all diesen Naturvölkern. „Das sind Menschen, die eine ganz spezielle Beziehung zur Natur haben, mit ihr kommunizieren und sie interpretieren und so auch in die Zukunft sehen können“, ist Halla überzeugt. „Ich bin kein esoterischer Mensch, aber diese Personen verfügen über eine besondere Gabe, ein besonderes Gespür.“ Allen gemein sei der Zugang zur Natur. „Diese Menschen sprechen alle dieselbe Sprache und sie strahlen viel Ruhe aus“, sagt die Filmemacherin. Zu den berührendsten Momenten habe die Begegnung mit einer mongolischen Schamanin gehört, die ihr Botschaften der Geister übermittelt und konkrete Dinge über ihr Leben gesagt habe, die sie unmöglich gewusst haben konnte.

„Ein Sprachrohr, um Nöte zu transportieren“

„Für manche dieser Völker wurde mein Filmprojekt zu einem Sprachrohr, um ihre Nöte zu transportieren“, sagt Halla. Der Klimawandel, der diesen Menschen die Lebensgrundlage entzieht, stelle dabei die größte Bedrohung dar. „Bei den Badjao Laut regnet es nicht mehr, es kommt zu Überfischung und Korallensterben, bei den Rentiernomaden schneit es nicht mehr, deshalb sterben ihnen die Rentiere weg“, erklärt Halla. Bei den Himba würden viele Männer mittlerweile ihre Dörfer verlassen, um in Städten zu leben und zu arbeiten. Bei den Rentiernomaden müssen die Kinder mongolische Internate besuchen und verlieren dadurch ihre Wurzeln, die Sprache, die Traditionen. Bedenkt man, dass diese Völker allmählich verschwinden könnten, dann ist Hallas Film auch ein wertvolles Zeitzeugnis.

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Das Material für ihren neuen Film hatte Halla Ende 2019 beisammen, dieses Jahr hat sie ihn im Lockdown dann geschnitten: „Eine anstrengende Zeit mit meinen Kindern zuhause, die mich energetisch an die Grenzen gebracht hat.“ Corona hat sich auch sonst negativ auf Hallas Arbeit ausgewirkt. „Eine schlimme Situation, die viele Illusionen nimmt“, wie sie sagt. Mit ihrem letzten Film „Nowhere“ war sie bei verschiedenen Festivals eingeladen, die dann nur online stattfanden, viele Filmvorführungen sind ausgefallen.

Der Filmstart von „Last Portraits“ist derzeit für Jänner 2021 geplant, Halla hat den Film bei Crossing Europe und der Berlinale eingereicht. Eine für Februar 2021 geplante Retrospektive zu ihren Arbeiten samt Jury-Teilnahme bei einem griechischen Filmfestival stehen noch in den Sternen.

Inzwischen entwickelt die Filmemacherin Ideen für ihre nächstes Projekt: Dieses könnte sich um das Thema Flamenco und Spanien drehen, wo Halla viele Jahre lang gelebt hat.

www.nataliehalla.com

Von Melanie Wagenhofer

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