Michael Frank: Schmalensee

Michael Frank öffnet in „Schmalensee“ ein Fenster in eine andere Zeit.

Vorwärts und rückwärts erzählt der 1947 in Bayern geborene Autor in seinem bis zum Mauerbau reichenden Roman von einer Kindheit in der Nachkriegszeit, geprägt von Schule, Kirche und Nachwehen der NS-Zeit, ebenso von Not und überwältigender Natur. Frank reiht die Erzählungen aus dieser vergangenen Kinderwelt am Fuße der Nördlichen Karwendelkette und die Anekdoten der Mitglieder und Vorfahren der Großfamilie mit acht Kindern zu einem starken Text, der die Härten des Alltags in der Baracke am Schmalensee und später im Internat ohne Bitterkeit schildert.

Die großen Pole dieser Kindheit sind die Eltern, die als „Kohlrabi-Apostel“ verschrien sind: der Vater als charismatischer, fordernder Patriarch, der auch seine dunklen Seiten hat, sowie die naturwissenschaftlich interessierte, fromme Mutter, die sich im Sorgen und in der Arbeit für die Familie aufreibt und große Kreativität bei der Versorgung entwickelt.

Die Kinder sind oft sich selbst überlassen und müssen sich Welt, Natur und Religion oft selbst erklären, was mitunter zu kuriosen Missverständnissen führt. Abenteuerlich und nicht nur einmal mit großem Schutzengel bewegt sich die Kinderschar in großer Unbekümmertheit durch ein enges dörfliches, von Brauchtum und Frömmigkeit geprägtes Universum, in das die Weltgeschichte immer wieder durch Besatzungssoldaten, ehemalige KZ-Insassen oder Vertriebene einbricht.

Michael Frank: Schmalensee. Picus Verlag, 252 Seiten, 22 Euro

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