Mit Musik in ein bewegendes Jahr

Bunter Jahreswechsel quer durch europäische Konzertsäle: Musik als Hoffnungsträger

So vermeinte man die sogenannte „leichte Muse“ öfter zu vernehmen. Das musikalische „Kur- und Reha-Standard-Paket Johann Strauß & Söhne“ deckt schon halb Europa ab. Ganz anders Christian Thielemann und seine Staatskapelle Dresden, die zum Jahreswechsel in der Semperoper Melodien der 20er Jahre spielten. Da wurde die „Goldene Operette“ schon einmal zur Silbernen oder gar Farblosen — trotz vorbildlichem Einsatz aller Akteure. Die Musik kam oft polkahaft daher.

Das überraschendste Programm lieferte am Neujahrstag das Teatro La Fenice in Venedig: Verdi im Zentrum, Hits und Reißer in bunter Folge, der berühmte Gefangenenchor aus „Nabucco“ als schon traditionelles Finale — prachtvoll und kurzweilig unter Fabio Luisi.

Auf Arte durfte man in der Berliner Philharmonie zu Gast sein. Schon seit Karajan sind die Philharmoniker Fixpunkt. Deren neuer Chef Kirill Petrenko, der spannendste Maestro der Gegenwart, wurde allerdings vom Hexenschuss gestoppt. Lahav Shani, 32 und Nachfolger von Zubin Mehta beim Israel Philharmonic Orchestra, sprang ein. Von Strawinskys „Feuervogel“ zu „La Valse“ von Maurice Ravel — Virtuosität bis Klangrausch, verlässlich wie jedes Jahr. Beethovens Freudenepos mit „Alle Menschen werden Brüder“ war selten aktueller.

„Die Fledermaus“ an Silvester live aus der Wiener Staatsoper, wo Bertrand de Billy schon der Ouvertüre mehr Elan entlockte als am Neujahrsmorgen Daniel Barenboim — jeweils mit den Wiener Philharmonikern. Umso mehr berührten Barenboims Grußworte zum „Donauwalzer“: „Man übernehme das Konstrukt eines Orchesters für Einigkeit und Menschlichkeit in den Alltag.“ Das umfangreiche Programm changierte zwischen Unbekanntem und Allzeitschlagern, edel musiziert, wenngleich es Walzern wie „Morgenblätter“ (Johann Strauß II.) oder „Sphärenklänge“ (Josef Strauß) an Unbeschwertheit und Leichtigkeit mangelte. Dafür kam einem die Eleganz und klangliche Brillanz eines Carlos Kleiber in den Sinn.

Die sozialen Foren nahmen diesmal mehr Notiz mit Fragen wie nach mehr Abwechslung im Repertoire, immer dieselben Dirigenten, noch wenige Damen im Orchester, vor allem aber: Wann steht die erste Dirigentin am Pult?

3sat wiederholt am 8.1. (20.15 Uhr) das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker

Von Heinz Haunold

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