„Müssen unsere Schulen krisenrobuster machen“

Lehrergewerkschafter Paul Kimberger hofft auch, dass rasch die genauen Rahmenbedingungen für den Schulstart fixiert werden

SCHULGIPFEL ZU DEN EINSPARUNGEN IM BILDUNGSBUDGET: TREFFEN M
SCHULGIPFEL ZU DEN EINSPARUNGEN IM BILDUNGSBUDGET: TREFFEN M © APA/Fohringer

Im August will Bildungsminister Heinz Faßmann die Details für den Schulstart präsentieren. Kein Thema dabei wird eine Impfpflicht für Lehrer sein. Selbst eine Impfpflicht als Voraussetzung für die Anstellung von Lehrern würde für das kommende Schuljahr wohl zu spät kommen. Dazu brauche es eine gesetzliche Grundlage und diese brauche Zeit, heißt es aus dem Ministerium. Für den Chef der Lehrergewerkschaft, Paul Kimberger, ist die ganze Debatte nicht nachvollziehbar, denn die Impfbereitschaft unter den Pädagogen sei sehr hoch. Und Kimberger wünscht sich rasche Informationen über die Details zum Schulstart.

VOLKSBLATT: Wie problematisch ist es, dass die Kollegen derzeit nicht wissen, wie die Rahmenbedingungen für den Schulstart im Herbst sind?

PAUL KIMBERGER: Je mehr Information und je frühzeitiger die Informationen an die Schulen kommen, desto besser ist es im Sinne der Planbarkeit. Aber es ist ein Problem, das uns die gesamte Corona-Zeit begleitet: Die Informationen kommen immer sehr spät. Das liegt einerseits an der Kommunikation durch das Ministerium, anderseits natürlich auch an Corona – etwa derzeit bei der Unsicherheit durch die Deltavariante.

Reicht es, wenn man erst im August die Details fixiert?

Das ist eher ein Manöver des letzten Augenblicks. Ich hätte mir frühzeitigere Informationen gewünscht. Was wir bisher wissen ist, dass zumindest die ersten 14 Tage die Testlogistik und -organisation, mit der wir das vergangene Schuljahr beendet haben, fortgesetzt wird. Mehr oder andere Details wissen wir leider nicht.

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Welche Regelungen wären für Sie für einen sicheren Schulstart unbedingt notwendig?

Bei den Impfungen gibt es drei Komponenten: Bei den Lehrern haben wir bereits eine enorm hohe Impfquote. Ich gehe davon aus, dass bis zu 80 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer in Österreich geimpft sind. Aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass bei den Kindern und Jugendlichen noch keine relevante Impfquote da ist – und für die Kinder bis 12 gibt es noch nicht einmal einen zugelassenen Impfstoff. Und drittens die Eltern, auch hier wissen wir nicht, wie hoch die Impfquote ist. Auch das ist ein Unsicherheitsfaktor. Daher ist es für mich enorm wichtig, dass mit einer restriktiven Teststrategie begonnen wird. Es geht gar nicht so sehr um die Urlaubsheimkehrer sondern darum, möglichst schnell wieder möglichst hohe Sicherheit in den Schulbetrieb zu bekommen.

Verstehen Sie die Eltern, die ihre Kinder nicht testen lassen wollen?

Das kann ich nicht nachvollziehen. Und ich bekenne mich zu dem Prinzip: Nur wer getestet ist, kann in den Unterricht.

Welche Regelung geht gar nicht?

Ich glaube, wir haben wieder eine Gratwanderung vor uns. Alle Experten sagen, dass uns die Deltavariante wieder Probleme machen wird und wir müssen die richtige Dosis zwischen dem Schutz der Gesundheit und der Pädagogik finden. Weil eine Erkenntnis des letzten Jahres ist nämlich auch: Schichtbetreib und Distance Learning können den Präsenzunterricht nicht ersetzen. Das ist nicht so sehr eine Frage des Lernstoffes, sondern Schule ist mehr. Schule ist ein soziales System, das für den 6-jährigen Volksschüler bis zur 18-jährigen Maturantin wichtig ist.

Können Sie sich zum Beispiel eine Impfpflicht für Pädagogen vorstellen?

Ich kann diese Diskussion nicht nachvollziehen. Wir haben es geschafft, mit Aufklärung, Überzeugung und Motivation eine enorm hohe Impfquote zustande zu bringen – das gilt auch für jene Lehrerinnen und Lehrer, die jetzt laufend neu in den Dienst kommen. Und daher sehe ich keine Notwendigkeit, von diesem erfolgreichen Weg abzugehen.

Welche Lehren soll bzw. muss man aus dem vergangenen Schuljahr ziehen?

Wir müssen unsere Schulen krisenrobuster machen. Das beginnt mit einer besseren Infrastruktur — Stichwort Digitalisierung. Das Distance Learning hat nur wegen der Eigeninitiative der Lehrer, Eltern und Schüler funktioniert. Wenn wir nur die Geräte benutzen hätten können, die der Dienstgeber zur Verfügung stellte, hätte es nicht funktioniert. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass Schule nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung ist – das geht über den Computer auch ganz gut. Schule ist ein Begegnungsort, ein sozialer Ort. Und auch der Stellenwert der Schule ist durch Corona ein anderer geworden. Vor Corona wurde erklärt, wir setzen zu wenig Technik und Computer ein. Dann ist Corona gekommen und wir haben genau das gemacht. Und dann wurde von einigen die Bildungskatastrophe ausgerufen und wenn die Schüler nicht sofort zurückkehren, geht eine Generation verloren. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Wir haben weder eine „Lost Generation“ noch eine Bildungskatastrophe. Wir haben im letzten Sommersemester durch massiven Einsatz von Fördermaßnahmen bei den Kindern, die es gebraucht haben, wieder aufgeholt. Das müssen wir auch im nächsten Schuljahr fortsetzen und da bin ich sehr guter Dinge, dass kein Kind zurückgelassen wird. Aber grundsätzlich muss man sagen: Es wurden in der Corona-Zeit großartige Leistungen vollbracht und Schule hat gezeigt, dass man sich auf sie verlassen kann.

Wie stehen Sie zu einem von der SPÖ geforderten Bonus-Semester?

Das halte ich für vollkommen absurd. Das würde auch das Signal aussenden, dass in den Monaten des Distance Learning und des Schichtbetriebes nichts passiert ist. Da tut man den Lehrerinnen und Lehrern und den Schülerinnen und Schülern und deren Eltern unrecht. Da ist Großartiges geleistet worden. Und was die Kinder in anderen Bereichen durch diese Sondersituation gelernt haben, das hat die Generation davor sicher nicht gelernt.

Für die anderen reicht die Sommerschule?

Ich halte sehr viel von flexiblen Angeboten an den Standorten, die Lehrerinnen und Lehrer wissen, was für jedes Kind das Beste ist. Das ist die bessere Variante wie die sogenannte Sommerschule. Ich denke, dass wir während des Schuljahres deutlich mehr Möglichkeiten für die Förderung bekommen sollten, darauf sollten wir uns konzentrieren.

Mit dem kommenden Schuljahr wird auch Digitalisierung in den Klassenzimmern forciert. Sind die Pädagogen schon digital fit?

Wir haben eine hohe Expertise bei den Lehrern in allen Altersgruppen. An dem scheitert es nicht. Bei einem Teil gibt es aber sicher die Notwendigkeit, mit Fort- und Weiterbildung Angebote zu machen. Die Nachfrage ist auf jeden Fall riesengroß.

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