Musik für Popsch und Hirn

Pop: Bilderbuch gaben ein famoses Konzert im bummvollen Brucknerhaus

Maskulin, feminin, androgyn: Bilderbuch-Chefanimateur und Sänger Maurice Ernst
Maskulin, feminin, androgyn: Bilderbuch-Chefanimateur und Sänger Maurice Ernst © APA/Barbara Gindl

Zwischen zwei Liedern hält Maurice Ernst inne: „Wir san im Brucknerhaus.“ Eine Feststellung nur, nicht sonderlich aufgeregt. Keinen unnötigen Respekt vor der – uh! – Hochkultur, nette Rotzigkeit gehört schließlich zum guten Ton in der rockigen Popularmusik. Brucknerhaus? – „I woa no nie do.“

Am Freitag okkupierte Österreichs beste Popband die heil´gen Hallen, also den komplett ausverkauften Großen Saal des Klassiktempels. Quasi ein Heimspiel, stammen die Herren von Bilderbuch doch aus Kremsmünster, wo sie 2005 als Schülerband angefangen haben.

U- oder E-Musik? Die Unterscheidung längst alter Käse. Etwas käsig auch das Knotzen in Sitzreihen. Darauf aber rasch gepfiffen. Das Publikum stand schon nach wenigen Minuten, zwecks Popschfreiheit. Man soll zu Bilderbuch schon auch tanzen oder zumindest mitshaken können.

„Beste Band Österreichs“? Jawoi. Zwei Stunden schwappten unablässig Energiewellen ins Publikum, hauptverantwortlich der Frontmann, wiewohl die Band als Ganzes wie eine perfekt eingeölte Maschine, ein pulsierender Organismus wirkt. Maurice Ernst der Chefanimateur, wenn die Menge eh schon laut ist, hält er noch provozierend die Hand ans Ohr: Wie bitte? Geht noch lauter, Pop und Rock der Traum von immerwährender Ekstase.

Sie wollen ja nur spielen

Intelligenter Pop, irgendwo zwischen retro und sehr zeitgemäß angesiedelt. Peter Horazdovskys Bassgitarre wummert in die Magengegend, der Sound treibend, auch das grundsätzlich relaxte „Spliff“ stampft diesmal ziemlich heftig einher. Gefinkelt dann doch entspanntere Momente eingestreut wie das eskapistische „Nahuel Huapi“ (ein argentinischer See, sagt Gott Google). Die Single vom aktuellen Album „Gelb ist das Feld“, dessen Plattencover ganz in Rosa gehalten ist.

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Das Spiel mit Oberflächen, mit Schein und Sein. Maurice Ernst hat das Spiel im kleinen Finger. Maskulin, feminin, androgyn. Breitschultrig die E-Gitarre umgeschnallt, liefert er sich kreischende Duette mit dem auch sehr wilden Gitarristen Michael Krammer. Oder der Sänger tänzelt lasziv, eine Hand in die Hüfte gestemmt. Fesches Model bin ich auch, wer legt mich fest? Niemand legt mich fest!

Klassiker im Klassik-Haus, einige – die Prognose nicht allzu gewagt – zeitlose Hits haben sich angehäuft. Die pure Freude „Bungalow“, den Refrain kriegst du nimmer mehr aus dem Ohr. Eine tolle Mitsinggelegenheit auch „Willkommen im Dschungel“. Wo sind die Freaks? Tief im Dschungel!

Prächtiges Falsett in Prince´scher Manier von Maurice Ernst im Song „Ab und Auf“, die Zugabe bereitet auf den unausweichlichen Höhepunkt vor. Muss sein, „Maschin“. Bis zum ersten „Yeah!“ („Willst du meine Frau werden?“) übernimmt zur Gänze das Publikum, Bilderbuch könnten sich das ganze Lied über auf die Rolle des tonalen Stichwortgebers beschränken. War das schön? Sehr. Unglaubliche Band, berauschender Auftritt.

Von Christian Pichler

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