Nach dem Krieg: Endstation verlorene Heimat

„Draußen vor der Tür“ im Linzer Theater Phönix

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Es gibt Theaterstücke, die auch nach Jahrzehnten nichts von ihrer Gültigkeit und Aussagekraft verloren haben.

Dazu zählt „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert. Und das gilt vor allem dann, wenn die Realisierung mit Respekt vor dem Text erfolgt. Wie jetzt am Theater Phönix in Linz. Premiere war am Donnerstag.

Autor starb mit 26

Das Stück um einen Kriegsheimkehrer entstand 1947 unter auch in der Realität dramatischen Umständen. Der 26-jährige Hamburger Schriftsteller Wolfgang Borchert war schwer krank und traumatisiert im Jahr 1945 aus dem Krieg zurückgekehrt.

In nur wenigen Tagen schrieb er die fürchterlichen Erfahrungen seines Kriegsdienstes an der Front in „Draußen vor der Tür“ nieder. Einen Tag vor der Uraufführung starb Wolfgang Borchert.

Es geht um den verkrüppelten und schwer traumatisierten Unteroffizier Beckmann, der — auch äußerlich heruntergekommen — aus der Gefangenschaft in Sibirien in seine Heimat Hamburg zurückkehrt. Doch diese „Heimat“ gibt es nicht mehr, sowohl im wörtlichen Sinn — alles liegt in Schutt und Asche — als auch auf menschlicher Ebene.

Sein Kind starb unter den Trümmern, seine Frau hat einen Neuen, seine Eltern haben Selbstmord begangen und sein ehemaliger Oberst verbringt seine Tage Spaghetti fressend und die Augen vor der Kriegskatastrophe verschließend.

Selbst die Elbe, in die sich Beckmann verzweifelt stürzt, „spuckt“ ihn wieder aus. Und sein „zweites Ich“ in der Gestalt des „Anderen“ nervt ihn mit seinem Optimismus. Kein Wunder, dass „Gott“ aus der Mode gekommen ist und der „Tod“ alle Hände voll zu tun hat.

Nahe am Text

Am Theater Phönix hat Regisseurin Caroline Ghanipour die Inszenierung nahe an Borcherts Text angelegt und nur behutsame Veränderungen vorgenommen. Die Ausstattung von Peter Engel ist karg, aber passt genau in die Tristesse rund um Beckmann. Ghanipour und Armin Lehner sorgten für Musik, die sich nie in den Vordergrund drängt, sondern die tragischen Geschehnisse kongenial ergänzt. Vor allem aber ist man nicht der Versuchung erlegen, Borcherts Stück mit heutigen Anspielungen zu „aktualisieren“.

Der Text ist auch so stark genug. Obwohl Regisseurin Ghanipour im Programmheft keinen Zweifel lässt, dass es auch heute „Beckmanns“ gibt, Kriegsveteranen, Flüchtlinge oder Menschen, die auf die „schiefe“ Bahn gekommen sind und als Ausgestoßene keine Heimat mehr finden.

Bravouröse Leistung

Das Phönix-Ensemble liefert eine bravouröse Leistung ab. Allen voran Martin Brunnemann als Beckmann, verzweifelt, dann wieder aufbegehrend und traumatisiert durch eigene Taten im Krieg. David Fuchs als „der Andere“ versucht ebenso verzweifelt, Beckmann Hoffnung und neues Leben zu vermitteln, selbst im Ringkampf mit diesem. Ein Highlight ist Sven Sorring als „Oberst“.

Allein so viele Spaghetti in sich hineinzustopfen, ist eine Leistung. Vor allem aber die Darstellung seines Selbstbetrugs und seiner Uneinsichtigkeit, was die Folgen des Krieges anlangt, ist erschütternd. Anna Maria Eder als ignorante neue Bewohnerin von Beckmanns Elternhaus und Nadine Breitfuß als „Kabarettdirektorin“ runden den vom Publikum begeistert aufgenommenen Abend ab.

Termine bis 14. November auf www.theater-phoenix.at

Von Werner Rohrhofer

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