Nachhaltige Unterstützung statt Sozialpopulismus

Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer will neue Akzente bei der Pflege und „Inklusion neu denken“

Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer
Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer © Mayr

VOLKSBLATT: Corona, die Ukraine-Krise und die Teuerung – kann sich der Soziallandesrat im Sommer überhaupt eine Auszeit gönnen?

HATTMANNSDORFER: Die Herausforderungen sind in der Tat sehr groß. Es wird ein intensiver, arbeitsreicher Sommer. Aber natürlich muss auch im Sommer Zeit für die Familie sein.

Sie haben auch zwei Söhne: Wie versuchen Sie diesen, Ängste zu nehmen?

Meine Buben sind fünf und sieben Jahre alt und es ist das allerwichtigste Geborgenheit und Nähe zu geben ist. Und dafür werde ich auch den Sommer nutzen, sei es, dass wir miteinander Stand-Up-Paddeln am Traunsee oder mit dem Skateboard durch Linz düsen.

Das Ziel ist ein unbeschwerter Sommer für die Buben …

… es ist die allerwichtigste Aufgabe von Eltern, Kindern ein möglichst unbeschwertes Aufwachsen zu ermöglichen. Es ist Aufgabe der Eltern, die Herausforderungen, den Druck, den man tagtäglich spürt von Kindern in gerade so einem Alter fernzuhalten.

Im Sommer gilt es auch, sich für den Herbst vorzubereiten: Die Experten raten, vor allem die vulnerablen Gruppen vor Corona zu schützen. Wie schaut es in den Pflegeheimen mit dem vierten Stich aus?

Wir machen derzeit für diese besonders gefährdete Gruppe eine Kampagne, wo wir über die Wichtigkeit des vierten Stiches informieren und wir Angebote vor Ort organisieren.

Auch die Flüchtlingszahlen steigen. Welche Maßnahmen wird man in diesem Bereich setzen?

Ganz klar ist: Alle, die sich rechtmäßig hier aufhalten, werden ordentlich versorgt. Das ist eine humanitäre Verantwortung. Klar ist aber auch, dass es nicht sein kann, dass Österreich nach Zypern das Land mit den zweitmeisten Asylanträgen ist. Deswegen braucht es endlich eine Umsetzung des europäischen Schulterschlusses. Auch andere Länder müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Es kann nicht sein, dass Deutschland wegen Dublin III alle Flüchtlinge nach Österreich zurückweist und wir diese aber nicht weiter nach Ungarn schicken dürfen. Es braucht hier finanzielle Sanktionen und Kürzungen der Förderungen für jene Länder, die ihre Verantwortung nicht wahrnehmen.

Wie geht man mit so Gerüchten über geplante Erstaufnahmezentren um?

Entscheidend in der Politik ist, dass man selbst keine Fake-News und Falschinformationen verbreitet. Als es um das Flüchtlingszentrum in Linz gegangen ist, ist das aber seitens der Stadt Linz passiert. Mir war es wichtig, rasch über die Wahrheit aufzuklären. Gerade bei so einem sensiblen Thema. Politik muss faktenbasiert informieren und entscheiden.

Und die Teuerung wird den Soziallandesrat beschäftigen: Wird es neue Pakete des Landes für die sozial Schwächsten brauchen oder anders gefragt: wie hoch muss der Heizkostenzuschuss sein?

Das Paket der Bundesregierung kann sich wirklich sehen lassen. Es ist eine gute Mischung aus treffsicheren Soforthilfen – so wird etwa genau jetzt die doppelte Familienbeihilfe ausbezahlt und nach dem Sommer gibt es 500 Euro Energiebonus, oder die bereits ausbezahlte 300 Euro Sonderunterstützung für sozial Schwächere. Und auf der anderen Seite braucht es langfristige strukturelle Entlastungen und das ist mit der Abschaffung der „Kalten Progression“ definitiv gelungen. Das ist Jahrhundert-Projekt, das zig Regierungen angekündigt haben und jetzt wird es umgesetzt. Unsere Aufgabe im Land ist es, nicht sozialpopulistisch zu agieren, sondern zu analysieren, wie diese Maßnahmen jetzt greifen. Und uns dann für den Herbst vorzubereiten, damit wir die Kraft und das Schmalz haben. Jetzt im Juli wäre es eine Schildbürgerdiskussion über den Heizkostenzuschuss zu reden. Jetzt heizt niemand. Wir werden uns im Herbst die Preisentwicklung anschauen und dann die Höhe festlegen.

Treffsicher …

…. selbstverständlich. Oberösterreich hat lange, bevor die Opposition über die Teuerung nachgedacht hat, bereits Maßnahmen gesetzt: Wir haben den Heizkostenzuschuss um 15 Prozent erhöht. Es hat ein schwarzer Landesrat kommen müssen, damit dieser überhaupt einmal erhöht wird. In der gesamten vergangenen Periode ist er gleichgeblieben. Oberösterreich hat aber auch eines der besten Systeme für die Wohnbeihilfe: Während andere Länder jetzt draufkommen, dass sie diese Beihilfe erhöhen könnten, macht das Oberösterreich jedes Jahr. Wir haben auch ein 30 Mio. Euro Sonderprogramm aufgelegt, damit die Mieten im Neubau nicht explodieren. Ich bin nicht dafür zu haben, dass wir das Teuerungsthema sozialpopulistisch abhandeln, sondern wir müssen die Weichen langfristig so stellen, dass es funktioniert.

Trotz aller Krisen müssen natürlich auch die „Hausaufgaben“ gemacht werden. Auf Bundesebene wurden nun die ersten Schritte bei der Pflege-Reform gemacht. Sind Sie damit zufrieden?

Es waren harte Verhandlungen — ich habe auch dafür eine Allianz mit dem Wiener Stadtrat Hacker geschmiedet —, aber es ist gelungen auch die Sozialberufe in dieses Paket zu bekommen. Um auch dort ein Zeichen der Wertschätzung zu setzen. Entscheidend ist jetzt, dass der Bundesminister möglichst rasch einen Fahrplan vorlegt, wie dieser Gehaltsbonus ausgezahlt wird. Hier werden wir sicher die Rolle des Tempomachers übernehmen. Und das auch die fixierte Hilfe für die pflegenden Angehörigen kommt.

Auch auf Landesebene wird an Verbesserungen in der Pflege gearbeitet, was soll kommen?

Ich habe zu Jahresbeginn eine Allianz mit Städtebund-Präsident Luger und Gemeindebund-Präsident Hingsamer geschlossen, um die Pflegeberufe zu attraktiveren. Wir werden erstens Ausbildungsstipendien für Menschen präsentieren, die in Pflegeberufe umsteigen wollen. Zweitens wollen wir den Sozialbereich für jeden öffnen, der sich dafür interessiert. Er oder sie kann bei uns anfangen und sich „on the job“ weiterqualifizieren. Und drittens werden wir uns intensiv um das Image kümmern: Wir arbeiten zusammen mit Menschen und sind die, die Glücksmomente ermöglichen – diese Wertigkeit, diese Leidenschaft wollen wir in den Fokus rücken. Wir wollen nicht ständig über die Sozialberufe jammern, sondern zeigen, dass es eine schöne, befriedigende und sinnstiftende Tätigkeit ist. Unsere Aufgabe in der Politik ist es, für attraktives Umfeld zu sorgen.

Ein Schwerpunkt des Landes liegt auch bei der Schaffung von Wohnplätzen für Behinderte. Wo steht das Land hier?

Wir gehen in der Inklusion einen komplett neuen Weg mit dem Leitprojekt in Wegscheid: Wir schaffen den ersten inklusiven Stadtteil Österreichs. Jede fünfte Wohnung wird für einen Menschen mit Beeinträchtigung sein. Und Menschen mit Beeinträchtigung werden auch vor Ort arbeiten, etwa in der Grünraumpflege. Mein Anspruch ist, Inklusion neu zu denken.

Zumindest in der Vergangenheit gab es immer Debatten um das Sozialbudget. Wie wird es heuer ausschauen?

OÖ ist ein starkes Land, ein Land der Industrie und der Arbeit. Und in einem starken Land muss auch immer Platz sein, für Menschen, die es nicht so leicht haben, die unsere Unterstützung brauchen. Und ich bin zuversichtlich, dass es weiterhin starke Sozialbudgets geben wird.

Der politische Herbst beginnt gleich mit der Bundespräsidenten-Wahl. Froh, dass die ÖVP keinen Kandidaten stellt und daher keinen Wahlkampf führen muss?

Das ist jetzt seit ewiger Zeit der erste Wahlkampf, der mich als Parteimanager nicht betrifft, den ich mir von einer anderen Perspektive anschauen kann. In schwierigen Zeiten wie diesen, ist es auch gut, wenn die Kanzlerpartei auf die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen konzentrieren kann. Denn es gibt viel zu tun.

Mit Soziallandesrat WOLFGANG HATTMANNSDORFER sprach Herbert Schicho

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