Nein sagen, brennen für Mitgefühl

Vier Projekte im Finale zu „Frauen im Widerstand“ gegen das NS-Regime

Brennnesseln am OK-Platz? „Denkbewegung statt Denkmal“ von Brigitte Kovacs, Ausstellung in der Aula der Linzer Kunstuni
Brennnesseln am OK-Platz? „Denkbewegung statt Denkmal“ von Brigitte Kovacs, Ausstellung in der Aula der Linzer Kunstuni © Mark Sengstbratl

Samstags um 5 vor 12 könnte künftig vom Linzer OK-Platz ein „Aufschrei“ ertönen. Erinnerung an Frauen, die Widerstand gegen die NS-Diktatur leisteten und in Vergessenheit gerieten. „5 vor 12. Unerhörter Widerstand“ nennen Sabrina Kern und Mariel Rodriguez ihr Projekt, das mit drei weiteren im Finale des Wettbewerbes von Kunstuniversität Linz und OÖ Landes-Kultur GmbH steht.

„Diese Frauen haben viel im Alltag gehandelt, im Hintergrund. Oft hatten sie selber gar nicht das Gefühl, einen besonderen Beitrag zu leisten“, sagt Angela Koch, Professorin an der Kunstuni. Ist Mitgefühl zeigen, nein zu sagen und zu handeln „normal“ oder ein Heldenakt? Frauen sehen das eventuell pragmatischer als Männer. Kein Glorienschein, damit oft auch keine Erinnerung an sie.

Der Mut von Frauen

Politisch hat der Wettbewerb starke Rückendeckung, das Siegerprojekt wird 2022 auf dem OK-Platz oder im angrenzenden Ursulinenhof verwirklicht. Landeshauptmann Thomas Stelzer: „Mit dem künstlerischen Wettbewerb und der wissenschaftlichen Aufarbeitung soll die Bedeutung von Frauen im Widerstand gegen das nationalsozialistische Terrorregime ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Der Mut, die Opferbereitschaft und die Leistungen der Frauen im Widerstand sollen umfassend gewürdigt werden und niemals in Vergessenheit geraten.“

Das Gedenken an die Opfer des NS-Terrors galt lange Zeit zuvorderst den Ermordeten der industriellen Massenvernichtung. Völlig zu recht. Nach Jahrzehnten rückt auch der Widerstand in den Fokus. Jene, denen etwa in „5 vor 12“ per Soundinstallation gedenkt wird. Eine Hauptschülerin, die mit ihrer Freundin den Hitlergruß verweigerte. Frauen, die mit den Zwangsarbeitern in den Göring-Werken (heute voestalpine) Kontakt aufnahmen. Die junge Frau, die sich weigerte, der NS-Frauenschaft beizutreten. Eine – doch! – Heldin, die entflohene Häftlinge des KZ Mauthausen auf ihrem Hof versteckte.

Ein „Denkmal“ für Frauen im Widerstand? Mit dem Wort haben die Finalistinnen so ihre Probleme. Zu starr, keine notwendige Anbindung an die Gegenwart. „Denkbewegung statt Denkmal“ nennt Brigitte Kovacs ihr Projekt, Brennnesselfelder auf dem OK-Platz oder im Ursulinenhof schweben ihr vor. Die Brennnessel als Unkraut verschrien, widerständig, zugleich Heilpflanze, in Kriegszeiten auch überlebensnotwendiges Nahrungsmittel. „Mir hat besonders der Gedanke ,für etwas brennen´ gefallen“, sagte Kovacs am Dienstag bei der Präsentation. „Brennen für Mitgefühl, für Gerechtigkeit.“

Kovacs würde gerne, ebenso wie andere Projekte, die Mutter-Gottes-Kapelle am OK-Platz einbeziehen. Im Inneren Biografien der widerständigen Frauen, ein Element, das auch Andrea Sodomkas Klangparcours „Frauen_Stimmen“ vorsieht: sieben exemplarische Stimmen des Widerstands aus sieben Hörstationen im U-Hof. Jeweils vier mal eine Meter große bunte Glastafeln, deutlich sichtbar an den Wänden.

Katharina Stubers „Garten des Widerstands. Eine Auffaltung“: Eben eine solche Auffaltung am OK-Platz, wo die Rose „Résurrection“ (Auferstehung) von Ravensbrück mit anderen Blumen wächst. Samen weitergegeben, anderswo sollen auch Gärten wachsen. Dazu geplant ein Weblog, wachsendes Archiv zu Frauen im Widerstand.

Am 8. Oktober wird das Siegerprojekt prämiert, eine Jury ausschließlich aus Frauen, aus dem Kulturbereich und zivilgesellschaftlichen Organisationen, brütet bis dahin. Öffentlich einsehbar sind die vier verbliebenen Projekte in der Aula der Kunstuni, eine Diskussionsveranstaltung am 5. Oktober bindet zusätzlich Öffentlichkeit ein.

Von Christian Pichler

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