Notizen eines egozentrischen Frauenhelden

Harald Schmidt las aus Schnitzlers Tagebüchern

2021 -

Harald Schmidt hier, Harald Schmidt da, Harald Schmidt dort — der bekannte Schauspieler und Entertainer hat sich zum gefragten Stargast und Interpreten bei kulturellen Veranstaltungen entwickelt.

Besonders gern seziert er dabei literarische Größen, jetzt den Arzt und Schriftsteller Arthur Schnitzler mit dessen Tagebüchern. Letzteres bildete am Freitag im Stadttheater Gmunden den Auftakt zum Schnitzler-Festival im Rahmen der Salzkammergut Festwochen. Ein Auftakt mit Mühe.

Geist ist beim Weibe nicht wichtig, notiert Schnitzler

Mehr als 16.000 Einträge aus der Zeit von 1879 bis 1931 enthalten Schnitzlers Tagebücher, penibel nach Datum geordnet und, was das Sprachliche betrifft, durchaus von literarischer Qualität.

Der Inhalt freilich lässt den berühmten Dichter in einem anderen Licht erscheinen: Es geht praktisch ausschließlich um Affären, Liebeleien, gescheiterte Versuche echter Liebe, Eifersucht und alles, was dieser Lebensbereich noch zu bieten hat.

Vor allem aber erweist sich Schnitzler als Narzisst mit ausgeprägter erotischer Obsession. Oder anders gesagt: Als egozentrischer Frauenheld.

Mit 17 Jahren beginnen die Tagebuch-Eintragungen mit den ersten erotischen Abenteuern inklusive gezählter Zahl der Küsse. Sehnsucht nach dem weiblichen Geschlecht wird in der Folge dominant im Leben des angehenden Mediziners.

Selbstgefälligkeit tritt deutlich zu Tage, hingegen werden die Mädchen nicht selten zwecks „Unterhaltung“ der Männer aufgesucht. Wie überhaupt, geschuldet wohl auch der damaligen Zeit, die Frau als Objekt der Begierde und — bei entsprechender Mitgift — allenfalls des Heiratens gesehen wird. Geist ist beim Weibe nicht wichtig, notiert Schnitzler, „ich küsse ja nicht ihren Verstand“. Affären werden begonnen und beendet, man brauche „etwas Hübsches zum Erinnern“.

Das allerdings ist — wie Schnitzlers Tagebücher zeigen — nur die eine Seite. Die andere sind die wenigen Beziehungen zu Frauen, die ihm wirklich etwas bedeuten, zu denen er so etwas wie echte Gefühle entwickelt. Glücklich verlaufen diese Beziehungen nicht, das gilt auch für Schnitzlers Ehe, die schließlich in die Scheidung mündet.

Eineinhalb Stunden lang ohne Pause liest Schmidt detailgetreu — mit dem jeweiligen Datum versehen — aus den Tagebüchern. Gekonnt nuancierend und mit feinen ironischen Zwischenbemerkungen. Trotzdem: So wie Schnitzler selbst seine Amouren häufig ermüdeten, so ermüden die Berichte darüber mit der Zeit das Publikum. Die Sache wird für alle Beteiligten mühsam. Eine Stunde hätte angesichts der inhaltlichen Dichte genügt. Was bleibt ist ein spezielles Bild der Persönlichkeit Schnitzler, das auch den Hintergrund von dessen literarischen Werken erhellt.

Von Werner Rohrhofer

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