Ohne Rücksicht auf Verluste

Opposition macht sich im Korruptionsausschuss zum nützlichen Idioten der Muslimbruderschaft

Dem auch von Neos und SPÖ engagierten Historiker Heiko Heinisch (links) wird jetzt ÖVP-Nähe unterstellt. Er ist Ko-Autor jenes Gutachtens, das eine Grundlage für die „Operation Luxor“ bildete.

Es war nur das Vorspiel: In der letzten Sitzung des Korruptionsuntersuchungsausschusses vor der Sommerpause überraschte Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper NR-Präsident Wolfgang Sobotka mit nach Themaverfehlung riechenden Fragen.

Es ging um die „Operation Luxor“, also die eine Woche nach dem Wiener Islamistenterror im November 2020 durchgeführten Razzien bei mutmaßlichen Muslimbrüdern. Weil sich die Verfahren — was bei legalistischen Islamisten in der Natur der Sache liegt — als mühsam erweisen und einigen Beschwerden gegen Hausdurchsuchungen stattgegeben wurde, versucht die Opposition der ÖVP daraus einen Strick zu drehen.

Die Suppe im Ausschuss ist offenbar so dünn, dass sogar versucht wird, sie mit der Konstruktion einer Mitverantwortung für den Anschlag aufzufetten.

Die zu dem Zweck verbreitete Erzählung: Der große Aufwand zur Vorbereitung der „Operation Luxor“ band im Verantwortungsbereich des Innenministeriums Ressourcen, die besser für eine effektivere Überwachung des späteren Wiener Attentäters eingesetzt worden wären. Schon im Februar wollte Krisper in einer Anfrage an Innenminister Gerhard Karner (ÖVP wissen, wie viele Beamte wie viele Stunden zu welchen Kosten an „Luxor“ beteiligt waren. „Aus polizeitaktischen Gründen“ oder, weil „Statistiken im gewünschten Detailgrad nicht geführt werden“, waren die angeforderten Zahlen nicht lieferbar.

Diffamierte Wissenschafter

Krisper konstruiert eine regelrechte Verschwörungstheorie, derzufolge die ÖVP die Muslimbrüder nur wahltaktisch motiviert ins Visier nahm. Nach der Sommerpause wollen Neos gemeinsam mit SPÖ und FPÖ daher im U-Ausschuss eine vom Innenministerium mitfinanzierte Studie thematisieren, welche 2017 im Wahlkampf veröffentlicht wurde und den damaligen Innenminister Sobotka zu Überlegungen für einen auch auf die Muslimbrüder schauenden Inlandsgeheimdienst veranlasste. Sobotka wird also vorgehalten, aus wissenschaftlichen Erkenntnissen einen politischen Handlungsauftrag abgeleitet zu haben. Zwecks Untermauerung der These vom rein parteipolitischen Motiv muss auch der Studienautor „passend“ gemacht werden: Den an der George-Washington-Universität lehrenden Extremismusforscher Lorenz Vidino rechnet Krisper „dem Umfeld der rechtsstehenden Republikaner“ zu. Tatsächlich ist er eingetragenes Mitglied der Demokraten.

Dem auch von Neos und SPÖ engagierten Historiker Heiko Heinisch (links) wird jetzt ÖVP-Nähe unterstellt. Er ist Ko-Autor jenes Gutachtens, das eine Grundlage für die „Operation Luxor“ bildete.
Dem auch von Neos und SPÖ engagierten Historiker Heiko Heinisch wird jetzt ÖVP-Nähe unterstellt. Er ist Ko-Autor jenes Gutachtens, das eine Grundlage für die „Operation Luxor“ bildete. ©APA/Fohringer

Vidino ist nicht der einzige auf dem Altar der Diffamierung geopferte Wissenschafter. Die Opposition will nämlich im U-Ausschuss auch die Bestellung zweier Gutachter problematisiert. Der Historiker Heiko Heinisch erstellte gemeinsam mit der Politologin Nina Scholz jenes Gutachten, das in der Anordnung für die „Luxor“-Razzien eine zentrale Rolle spielt. Obwohl den Auftrag die parteipolitisch unverdächtige Staatsanwaltschaft Graz erteilt hat, wird auch hier nun eine ÖVP-Nähe unterstellt: Heinisch ist Ko-Autor einer 2017 gemeinsam mit dem damaligen Integrationsminister Sebastian Kurz präsentierten Studie über Wiener Moscheen. Als weiteres Indiz für eine türkise Neigung gilt sein Sitz im wissenschaftlichen Beirat der Dokustelle Politischer Islam. „Dann könnte man mir auch Nähe zur SPÖ unterstellen“, findet Heinisch. Denn er hat einst für die rote Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek gearbeitet und war im rot-grünen Wien Mitglied eines Expertenforums. Sogar die Neos hatten Heinisch 2021 für eine Studie über Linzer Moscheen engagiert.

Zupass kommt den Kritikern, dass das Oberlandesgericht Graz die Gutachter auf Antrag eines Beschuldigten im Juni abberufen hat. Heinisch erweckte laut OLG einen „Anschein von Befangenheit“: In einer TV-Diskussion vor fünf Jahren hatte er nämlich gefragt, ob ein sich selbst als Führungskraft der Muslimbrüder in Europa bezeichnender Mann einen Wiener Kindergarten betreiben dürfen soll? Nur so nebenbei: Für die Abberufung der Ko-Gutachterin Scholz gibt es gar keine Begründung, was diese „etwas bizarr“ findet.

Harmlose Muslimbrüder?

Auch wenn die Abberufung der Gutachter fragwürdig wirkt, passt sie ins oppositionelle Narrativ, das die „Operation Luxor“ ohne Rücksicht auf Verluste auf ein parteitaktisches Manöver reduziert. Die hanebüchene Botschaft: Gegen die vergleichsweise harmlose Muslimbruderschaft sei mehr Aufwand betrieben worden als gegen den eine Bluttat vorbereitenden Terroristen.

Die Opposition macht sich damit zum nützlichen Idioten der Muslimbruderschaft, die als legalistische, sprich: im gesetzlichen Rahmen agierende Organisation selbst eine Verharmlosungsstrategie fährt. Vor deren Gefährlichkeit warnt etwa der deutsche Verfassungsschutz eindringlich: „Auf lange Sicht ist die aus dem legalistischen Islamismus resultierende Bedrohung für die freiheitliche demokratische Grundordnung größer, als jene durch den Dschihadismus.“

Eine Analyse von Manfred Maurer

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