Oper als Kunst des Unmöglichen

Zur Neuinszenierung von Verdis „Troubadour“ im Musiktheater Linz

Federico Longhi wusste Samstagabend in Linz in seiner fordernden Rolle als Graf Luna zu beeindrucken.
Federico Longhi wusste Samstagabend in Linz in seiner fordernden Rolle als Graf Luna zu beeindrucken. © Reinhard Winkler

Es liegt in der DNA der Gattung „Oper“, dramatische Emotionen musikalisch und szenisch so zur Geltung zu bringen, dass gleichsam eine transzendentale, fassbare Realität übersteigende Wirkung eintritt. Logik hat in dieser Konstellation wenig bis keinen Platz.

In kaum einer anderen Oper müssen sich Widersprüche und Unmöglichkeiten der Handlung so deutlich der musikdramatischen Substanz unterwerfen wie in Giuseppe Verdis Drama „Il Trovatore“, dessen Neuinszenierung am Samstagabend im Linzer Musiktheater eine heftig bejubelte Premiere feierte. Das originale Szenario des „Troubadours“ spielt in Nordspanien am Ende des 15. Jahrhunderts, in dem Hexenfeuer lodern.

Zwei Brüder, die auf Grund einer abstrusen Verwechslung einander nicht als solche kennen, stehen sich als Rivalen gegenüber: politisch und privat. Rebell und Herrscher begehren dieselbe Frau und steuern in ein für alle vernichtendes Ende.

Neue Widersprüche durch Verlegung der Szenerie

Die Inszenierung von Gregor Horres will die Wirrnisse dieser irren Story durch Traumsequenzen relativieren, erreicht aber da und dort das Gegenteil: Die Verlegung der Szenerie in die Gegenwart schafft neue Widersprüche zur Essenz der Handlung (Hexenfeuer im 21. Jahrhundert?) und des Librettos; einige Traumpassagen stiften in ihrer herumgeisternden Symbolik zusätzliche Verwirrung. Das Bühnenbild (Jan Bammes) und die Video-Effekte (Volker Köster) beeindrucken durch Variabilität und Ausdruck, abgesehen von der manchmal unfreiwillig komischen Kostümierung. Macht aber alles nix: Denn die musikalische Qualität der Aufführung deckt alle Schwächen zu und die zentralen Figuren des Beziehungsvierecks der Oper agieren in Stimme und Spiel auf hohem Niveau. Federico Longhi steigert sich als Graf Luna zum glaubhaften Portrait eines Zerrissenen, Katherine Lerner singt in der Maske einer „Sandlerin“ kraftvoll-dramatisch die Partie der Zigeunerin Azucena und Sung-Kyu Park weiß als Troubadour Manrico mit wandlungsfähigem Tenor und feuriger „Stretta“ zu überzeugen. Das Ereignis des Abends ist aber die ungemein differenzierte und in jeder Lage fein ausgewogene Interpretation der Leonora durch Izabela Matula. Dominik Nekel steht als stimm-mächtiger Ferrando keineswegs im Schatten des dominanten Quartetts; Gotho Griesmeier (Ines), Csaba Grünfelder (Ruiz) und Markus Raab (Zigeuner) fügen sich gut in das Ensemble. Ein Sonderlob gebührt dem Chor (Elena Pierini) und Extrachor (Martin Zeller) des Hauses für die nahezu sphärische Gestaltung des Nonnenchors und des „Miserere“. Die absolut dominanten musikalischen Impulse der Aufführung kommen freilich – schon Tradition im neuen Musiktheater – aus dem Orchestergraben.

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Das Bruckner Orchester konnte erneut begeistern

Dem Bruckner Orchester gelang unter der sensiblen und stilsicheren Leitung von Enrico Calesso eine mit facettenreicher Dynamik und Agogik ausgestattete Gestaltung des emotionalen Rückgrats der Oper. Dass Verdi seinen Melodienreichtum zuweilen kontrastierend zum brachialen Bühnengeschehen im 3/4- oder 6/8–Takt ausbreitet, ist der schon zitierten „Kunst des Unmöglichen“ zuzuschreiben.

Fazit: Das Gesamtkunstwerk „Il Trovatore“ ist in dieser Inszenierung und Konstellation jedenfalls eine Perle für das Ohr, aber nur bedingt für das Auge.

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