Oscar – Es begann mit 4 Minuten

Obwohl er stramm auf die 100 zugeht und mit nacktem Oberkörper immer noch auf rohe Männlichkeit setzt, ist er auch im Hollywood der #MeToo-Bewegung ein gefragter Mann: der Oscar. Nach einem Facelift 2016 erscheint der ritterliche Siegverkünder im Detail wieder so wie 1929 — dem Jahr, als die Geschichte der Oscars begann. Heuer werden die begehrten Preise am 25. April — corona-konform — vergeben.

Ebenso lakonisch wie folgenschwer für das Kino war jener Passus aus den Satzungen, die bei der konstituierenden Sitzung der Academy of Motion Picture Arts and Sciences am 11. Mai 1927 beschlossen wurden: „Wir werden die Filmkunst und Filmtechnik dadurch voranbringen, dass wir Preise für hervorragende Einzelleistungen verleihen werden.“

So kam es am 16. Mai 1929 zur ersten Verleihung der von Cedric Gibbons, dem Leiter des Art Departments bei MGM, entworfenen Statuetten. Vom Glamour, den das Event heutzutage ausstrahlt, war damals allerdings noch keine Rede.

Die Gewinner standen bereits Monate zuvor fest und hatten sich die Statuen teils schon abgeholt. Entsprechend zügig wickelte Douglas Fairbanks die Verleihung ab: in der Rekordzeit von vier Minuten 22 Sekunden.

Damals trug das kleine Goldmännchen übrigens noch nicht den Namen Oscar, wobei umstritten ist, wie die Statuette zu ihrem Titel kam. Die verbreitetste Geschichte ist, dass die Academy-Bibliothekarin und spätere Direktorin Margaret Herrick sich an ihren Onkel Oscar erinnert fühlte. Die Academy verwendete den Spitznamen jedenfalls 1939 zum ersten Mal offiziell.

Zu dieser Zeit hatte der Goldjunge bereits einige Erfolge eingefahren. Vor allem in wirtschaftlich turbulenten Zeiten und während des Zweiten Weltkrieges sehnten sich viele Amerikaner nach Unterhaltung.

So bedeutete ein Oscar-Gewinn in einer der Hauptkategorien für ein Studio schon in den 1940er-Jahren Zusatzeinnahmen von ein bis zwei Mio. Dollar. Am Oscar selbst musste man während des Weltkrieges allerdings sparen. In dieser Zeit wurden nur Gipsstatuetten vergeben, die nach Kriegsende gegen „echte“ Oscars umgetauscht wurden.

Obwohl die Studios sich lange Zeit erbittert gegen die entstehende Fernsehkonkurrenz zur Wehr gesetzt hatten, markierte die erste Fernsehübertragung einer Oscar-Verleihung 1953 einen Meilenstein in der Fernsehgeschichte: Die vom späteren US-Präsidenten Ronald Reagan moderierte Show erzielte die bis dahin höchste Einschaltquote seit TV-Einführung. Seither war die Gala meist ein verlässlicher Quotenbringer im TV.

Erst viermal wurde sie bisher verschoben: 1938 wegen einer Hochwasserkatastrophe, 1968 wegen der Ermordung Martin Luther Kings, 1981 wegen des Attentats auf Präsident Ronald Reagan und heuer aufgrund der Coronapandemie. Eigentlich hätte die diesjährige Oscar-Gala nämlich bereits am 28. Februar stattfinden sollen.

Auch politisch geriet der Oscar ins Rampenlicht: In den Jahren der McCarthy-Zeit gab es offizielle schwarze Listen mit als kommunistisch gebrandmarkten Künstlern, die keinen Oscar gewinnen durften.

Zugleich begannen die Schauspieler, ihre Popularität zu nützen, um politische Statements abzugeben: Improvisierte und geplante Reden zu Themen wie Unterdrückung der amerikanischen Ureinwohner, Vietnamkrieg und Palästina prägten die Oscar-Nächte als Spiegel der unruhigen politischen Entwicklung Amerikas.

Der Siegeszug des Kommerzkinos begann

Das änderte sich erst, als in den 1980er-Jahren Filme wie „Ghostbusters“, „Indiana Jones“ oder „Beverly Hills Cop“ den Siegeszug des Kommerzkinos einläuteten.

Die Academy vergab die Haupt-Oscars vorerst nicht an Massentaugliches, bis in den 1990ern Kinoerfolge und Oscar-Gewinner wieder übereinzustimmen begannen: Spätestens als „Titanic“ 1997 den Oscar-Rekord von „Ben Hur“ (elf Oscars 1959) egalisierte, war das Blockbusterkino oscarwürdig geworden.

Seit den 2010er-Jahren jedoch ist ein gewisser Backlash ins Politische zu beobachten, thematisieren die Oscar-Nächte doch unter #OscarsSoWhite die Minderbeachtung afroamerikanischer Filmschaffender, traten die Redner der vergangenen Jahre verlässlich gegen den damaligen Präsident Donald Trump auf und brachten unter dem Stichwort #MeToo zahlreiche Repräsentanten die Debatte um sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch im Filmsystem aufs Tapet.

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