Pasta wird knapp – Italiens Nudelmacher schauen sorgenvoll auf 2022

Italien ohne Pasta? Schwer vorstellbar. Doch die dortigen Nudelhersteller müssen sich nach dem Preisschock für die wichtigste Zutat Hartweizen in den kommenden Monaten auf einen erheblichen Versorgungsengpass einstellen.

„Was die Preise und die Knappheit von Hartweizen angeht, steht das Schlimmste vielleicht noch bevor“, warnt Analystin Severine Omnes-Maisons vom Agrar-Forschungsinstitut Strategie Grains.

Einige Verarbeiter laufen demnach Gefahr, in den kommenden Monaten ihre Produktion stoppen zu müssen. Wie konnte es dazu kommen? „Durch die Missernte im Hauptexportland Kanada, aber auch in Frankreich und anderen Teilen der Welt fehlen auf dem Weltmarkt geschätzt zwei bis drei Millionen Tonnen auf einem seit bereits Jahren eng versorgten Markt“, erklärt der Geschäftsführer des deutschen Verbandes der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS), Peter Haarbeck, die Misere. 2021 sei die Weltproduktion von Durum, wie die besonders für elastische und formbare Teige geeignete Weizenart auch genannt wird, auf ein 20-Jahres-Tief gesunken. „Hartweizen ist verzweifelt gesucht“, fasst Haarbeck die Lage zusammen.

Auf Kanada entfallen normalerweise zwei Drittel des weltweiten Hartweizenhandels. Durch die extreme Hitze und Dürre in diesem Jahr fiel die Ernte dort um fast 50 Prozent geringer aus als 2020. Das treibt den Preis: An den Börsen war Hartweizen zuletzt so teuer wie seit 13 Jahren nicht mehr.

Die italienischen Nudelhersteller können normalerweise ihren Bedarf zu einem großen Teil durch die heimische Hartweizenernte decken. Doch auch südlich des Brenners mussten die Ernteprognosen zurückgeschraubt werden: Die Europäische Kommission senkte im Oktober ihre Schätzung von 4,3 auf 3,7 Millionen Tonnen. Hinzu kommt, dass die weltweiten Hartweizenvorräte ausgerechnet jetzt auf einem Sechs-Jahres-Tief liegen. Das liegt auch daran, dass die Nachfrage nach Nudeln wegen der Corona-Pandemie stark stieg. Viele Verbraucher haben sich einen Vorrat angeschafft, um für einen Lockdown oder eine Quarantäne gewappnet zu sein. All das hat dazu geführt, dass sich die Exportpreise für Hartweizen seit Juni fast verdoppelt haben.

Italienische Nudelhersteller machen sich deshalb Sorgen über die Verfügbarkeit des begehrten Rohstoffes in der ersten Hälfte des Jahres 2022. „Die Situation wird noch dramatischer sein als jetzt, denn im Moment können wir heimischen Weizen finden“, sagt Vincenzo Divella, Geschäftsführer der italienischen Nudelmarke Divella. „Die Situation bei Hartweizen ist sehr ernst.“

Das dürfte auch in Deutschland spürbar sein. „Die Nudelregale im Supermarkt werden in den kommenden Monaten nicht leer sein“, erwartet Verbandschef Haarbeck. „Das Angebot wird aber schon jetzt deutlich kleiner.“ Derzeit müssten die Hersteller nicht nur mit teils drastisch gestiegenen Rohstoffkosten kalkulieren. Kostensteigerungen gibt es auf breiter Front. Für Energie, für Transport und Logistik, aber auch für Verpackungsmaterialien muss deutlich mehr gezahlt werden. „All das werden Verbraucherinnen und Verbraucher spüren“, sagt Haarbeck.

Analystin Omnes-Maisons zufolge deuten ungünstige lokale Ernteberichte in Kanada darauf hin, dass die offizielle Schätzung für die Hartweizenproduktion im Dezember erneut gesenkt werden könnte. „Hartweizen stellt die größte Herausforderung dar, wenn es darum geht, den weltweiten Importbedarf mit der weltweiten Exportverfügbarkeit in Einklang zu bringen“, sagt Rhyl Doyle, Leiter des Exporthandels beim kanadischen Agrarspezialisten Paterson Grain in Winnipeg.

Wie Kanada werden auch die USA in diesem Jahr einen Produktionsrückgang um etwa die Hälfte verzeichnen. Auch dort hat eine ungünstige Wetterlage die Erträge geschmälert. „Der Anstieg des Hartweizenpreises ist ein Symptom des Klimawandels“, betont Alberto Cartasegna, Geschäftsführer der Firma Miscusi, die ein Dutzend Restaurants in Italien betreibt.

Experten gehen davon aus, dass die höheren Preise für Nudeln die Nachfrage in den wohlhabenden europäischen Ländern dämpfen wird. Viel härter aber trifft es die Schwellenländer. Die nordafrikanischen Haushalte zum Beispiel müssen mit einem Preisanstieg von etwa einem Viertel für mit Hartweizengrieß hergestelltes Brot rechnen. Auch Couscous und Bulgur werden aus Durum hergestellt. „Wir haben keine andere Wahl, als die Preise zu erhöhen, um die Kosten zu decken“, sagt Abdelaziz Bouchireb, ein algerischer Bäcker. Die Türkei, ein wichtiger Teigwarenexporteur, hat Anfang des Jahres die Vorschriften gelockert, um den maximal zulässigen Anteil von normalem Weizen in den begehrten Produkten von 30 auf 100 Prozent zu erhöhen.

Selbst in den wohlhabenden Ländern könnten die privaten Haushalte den Kostendruck zu spüren bekommen. Laut dem Marktdatenspezialisten Nielsen sind die Supermarktpreise für preisgünstige Nudelmarken – die am stärksten von den Rohstoffkosten abhängig sind – in Frankreich allein im Oktober um fast 20 Prozent zum Vorjahresmonat gestiegen.

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