Pflege: Warnung vor Engpässen bei 24-Stunden-Betreuung

Die Teuerung bringt auch die 24-Stunden-Pflege an die Grenzen. Davon hat am Dienstag die Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung in der Wiener Wirtschaftskammer gewarnt.

Viele Betroffene bzw. deren Familien würden sich die Pflege nicht mehr leisten können. Auch für Betreuerinnen und Betreuer werde es teurer – etwa durch höhere Kosten für die Anreise. Gefordert wird nun eine Erhöhung der Pflegestufen und der Förderung. Eine Anpassung sei ohnehin überfällig, hieß es.

Prinzipiell sei das seit 2007 existierende Modell für die 24-Stunden-Pflege sehr gut, lobte Fachgruppenobmann Harald Janisch. Es ermögliche den oft aus dem Ausland stammenden Pflegekräften, legal zu arbeiten. Jedoch habe es seither auch keine Valorisierung der Tarife gegeben, kritisierte er. Auch aktuell spiele das Modell bei der Pflegereform kaum eine Rolle, berücksichtigt würden vor allem die unselbstständigen Personen. Doch diese würden nur einen sehr kleinen Anteil ausmachen, berichtete Janisch.

Allein die Förderung von 550 Euro im Monat sei viel zu gering, wird beklagt. Nötig sei eine Aufstockung auf mindestens 700 Euro. „Das ist die Minimalforderung“, betonte der Fachgruppenchef. Wünschenswert wäre mindestens eine Verdoppelung. Auch die Pflegestufen sollten erhöht werden, verlangt die Wirtschaftskammer. Birgit Meinhard-Schiebel, die Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger, stieß ins selbe Horn. Sie verwies darauf, dass es in Österreich fast eine Million pflegende Angehörige gebe.

Immer wieder würden von den Betroffenen finanzielle Sorgen artikuliert. Oft sei es nötig, für die Begleichung der Kosten eigenes Vermögen einzusetzen, erläuterte Meinhard-Schiebel. Nötig sei eine Anhebung der Förderung und anschließend indexbasierte jährliche Anpassungen, hielt sie fest.

Gleichzeitig zur finanziellen Zuspitzung droht ein Engpasse bei den Pflegekräften. „Wir können uns heute nicht mehr leisten, für ein Honorar zu arbeiten, das sich seit 15 Jahren nicht verändert hat“, warnte Bibiana Kudzinova. Die Slowakin vertritt die Berufsgruppe der Personenbetreuer in der Fachgruppe. Die enorme Teuerungswelle treffe auch viele Pflegerinnen aus der Slowakei, wo die Preise etwa für Energie ebenfalls gestiegen seien, berichtete sie. Und: Ein Problem würden auch die gestiegenen Fahrtkosten darstellen.

Unisono wurde betont, dass die Kosten für einen Pflegeplatz in einer Einrichtung für die öffentliche Hand weit höher wären – vor allem nach Abschaffung des Pflegeregresses in ganz Österreich. Dieser würde pro Monat mindestens an die 5.000 Euro kosten, gab man zu bedenken.

„Die Teuerung und die explodierende Inflation haben auch dramatische Konsequenzen für die Kolleginnen und Kollegen in der 24-Stunden-Betreuung. Wenn die Bundesregierung hier nicht umgehend Anpassungen im System vornimmt, bleiben den Betreuerinnen und Betreuern bald nur noch 4.000 Euro im Jahr zum Überleben. Das darf nicht sein“, warnte auch Christoph Lipinski, der Generalsekretär von der gewerkschaftlichen Initiative vidaflex. In der 24-Stunden-Pflege würden mehrere Dinge im Argen liegen, konstatierte er. So seien etwa die Sozialversicherungsbeiträge kaum mehr zu stemmen.

Dringend notwendig sei aus Sicht von vidaflex auch die Anhebung der Fahrtkostenzuschüsse, hieß es. „Die österreichische Bundesregierung darf hinsichtlich Wertschätzung und fairer Behandlung nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen“, so Lipinski in einer Aussendung. Auch er sprach sich für die Valorisierung der Förderung von 550 auf 700 Euro für die Inanspruchnahme von 24-Stunden-Betreuung aus. Andernfalls drohe Betreuung für noch mehr österreichische Familien unleistbar zu werden, hielt er fest.

Die Bundesländer Wien und Oberösterreich forderten am Dienstag auch Maßnahmen zur Attraktivierung der Betreuungsberufe. Wiens Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) und Oberösterreichs Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) sprachen sich in einer gemeinsamen Aussendung dafür aus, die Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Assistenzbereich auszuweiten. Aufgrund der Akademisierung der Diplomausbildung gehe das diplomierte Pflegepersonal nämlich kaum mehr in die Langzeitpflege, wurde betont.

Zusätzlich würden eigene Lehrgänge für die Langzeitpflege, die die Bundesländer selbstständig anbieten konnten, künftig wegfallen. Als Folge sinke der Anteil am diplomierten Personal in den Heimen.

„Aus diesem Grund müssen die Kompetenzen der sehr gut ausgebildeten Pflegefachassistenzen erweitert werden. Diese sollen weitere Aufgaben, die sie in der Ausbildung zum Teil lernen, dann aber nicht einsetzen dürfen, selbstständig durchführen können. Konkret geht es beispielsweise um die selbstständige Durchführung der Pflegeplanung oder die selbstständige Anleitung und Begleitung von Auszubildenden“, hieß es.

Ergänzend sollten auch die Kompetenzen der Heimhilfen ausgeweitet werden: „Wenn es beispielsweise darum geht, Augentropfen zu verabreichen oder die grundsätzliche Körperpflege von Personen mit Verbänden und Sonden durchzuführen.“ Zudem wurde die volle Ausbildungsprämie für Fachsozialbetreuungsberufe gefordert.

Diese würden sowohl in Wien als auch in Oberösterreich neben den Berufen nach dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz einen überwiegenden Anteil in den Alten- und Pflegeheimen darstellen. Auch die Fachsozialbetreuungsberufe sollten den geplanten Ausbildungsbeitrag von 600 Euro monatlich für die gesamte Ausbildungsdauer erhalten, wurde verlangt.

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