AfD bildet dritte europaskeptische Fraktion im EU-Parlament

AfD-Delegationsleiter Aust soll Chef der neuen Fraktion werden © APA/dpa/Kay Nietfeld

In Brüssel hat sich eine neue Rechtsaußenfraktion unter Führung der deutschen AfD gegründet. Wie der Sprecher von Parteichefin Alice Weidel mitteilte, setzt sich die Fraktion „Europa Souveräner Nationen“ zunächst aus 25 Abgeordneten aus insgesamt acht Ländern zusammen, 14 davon von der AfD. An der Fraktionsspitze stehen der Thüringer AfD-Abgeordnete René Aust und Stanislaw Tyszka von der polnischen Konfederacja, die mit drei Abgeordneten in dem Bündnis vertreten ist.

Beteiligt sind zudem die Parteien Wasraschdane aus Bulgarien (3 Abgeordnete), Reconquête aus Frankreich (1), People and Justice Union aus Litauen (1), Republika aus der Slowakei (1), Svoboda a přímá demokracie (SPD) aus Tschechien (1) und Mi Hazank Mozgalom aus Ungarn (1). An der Partei Se Acabó La Fiesta aus Spanien sei man noch dran, hieß es.

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Der Vorsitzende der tschechischen ultrarechten Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD), Tomio Okamura sagte, „das Programm der Fraktion richtet sich gegen den Green Deal, Migration und die Islamisierung Europas“. Die SPD ist mit nur einem Abgeordneten im neuen EU-Parlament vertreten. Sie war in der vergangenen Legislaturperiode Fraktionspartnerin der FPÖ, die aber nun mit der größten tschechischen Oppositionspartei ANO von Ex-Premier Andrej Babiš gemeinsame Sache macht und der größten europaskeptischen Fraktion „Patrioten für Europa“ angehört. Mit dabei sind unter anderem die Fidesz von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, das rechtsnationale Rassemblement National aus Frankreich und die an Italiens Regierung beteiligte nationalistische Lega.

Zwar steht die AfD dieser neuen Gruppe inhaltlich sehr nah. AfD-Chef Tino Chrupalla hatte beim Eröffnungsspiel der Fußball-EM in München stolz ein Selfie mit Orbán aus dem Stadion bei Instagram gepostet. Und der neu ins EU-Parlament gewählte AfD-Politiker Marc Jongen klang begeistert: „Wenn es nach mir ginge, dann würden wir dieser Fraktion auch sehr gerne beitreten.“ Weidel sagte ebenfalls, man sei in Freundschaft verbunden und habe „unglaubliche inhaltliche Schnittmengen“. Trotzdem bleibt die AfD draußen. Die Parteien des Bündnisses unterlägen außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Zwängen, auf die man momentan Rücksicht nehmen müsse, antwortete die AfD-Chefin zuletzt etwas rätselhaft auf die Frage, ob ihre Partei in der Fraktion nicht gewollt sei.

In der AfD wird die These vertreten, Orban als ungarischer Regierungschef könnte von der deutschen Regierung unter Druck gesetzt werden, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Es gibt aber auch eine Vorgeschichte: Vor der Europawahl hatten europäische Rechtsparteien wie der RN von Marine Le Pen die AfD aus ihrer Fraktion im EU-Parlament ausgeschlossen. Die Deutschen – so die Botschaft – sind der Partei, die in Frankreich nach ganz oben strebt, zu extrem. Auslöser war ein Interview von AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah, der in einer italienischen Zeitung als relativierend wahrgenommene Äußerungen zur nationalsozialistischen SS gemacht hatte. Um wieder anschlussfähig zu sein, hatten die EU-Abgeordneten der AfD nach der Wahl am 10. Juni zwar beschlossen, Krah aus ihrer Delegation auszuschließen, aber auch das brachte keine Annäherung an Le Pen und ihre Verbündeten.

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Krah hatte das vorhergesagt und für mehr Eigenständigkeit der AfD plädiert. Diese solle sich nicht von einer ausländischen Partei vorschreiben lassen, mit wem sie antrete. Nun freut sich der Geschasste öffentlich darüber, dass sich die AfD stattdessen mit Parteien verbündet, die am äußersten rechten Rand stehen. Der Zeitung „Welt“ sagte er, damit werde ein von ihm seit Jahren vorbereitetes Projekt umgesetzt. „Diese Fraktion ist ein wichtiger Baustein für die dringend notwendige Transformation der heutigen EU in ein zukunftsfähiges Europa.“ Krah allerdings darf auch hier nicht mitspielen. Die AfD-Delegation entschied sich, die Fraktionsbildung ohne ihn anzugehen. „Die Bedeutung dieses Projektes ist viel größer als meine eigene Rolle; ich bin deshalb zufrieden und ohne jeden Groll“, sagte Krah.

Mit wem tut sich die AfD da unter dem gemeinsamen Namen „Europa Souveräner Nationen“ zusammen? Es sind kleine Parteien, die extrem nationalistische, Euro- und NATO-skeptische, EU-feindliche, teils prorussische und im Fall der polnischen Konfederacja sogar antisemitische Positionen vertreten. Für die Konfederacja ist auch Grzegorz Braun im EU-Parlament, der im vergangenen Dezember weltweit bekannt wurde, als er einen jüdischen Leuchter im Foyer des polnischen Parlaments mit dem Feuerlöscher löschte. Trotz der Aktion wurde er nicht aus der Partei ausgeschlossen. Braun wird nach einem Bericht der „Welt“ aber nicht Teil der Fraktion. Die AfD hatte es demnach zur Bedingung gemacht, mit ihm und auch mit dem Abgeordneten Milan Mazurek der slowakischen Republika nicht zusammenzuarbeiten.

Weidel hatte kürzlich bei ntv gesagt, man verhandle nicht mit Extremisten und prüfe sehr genau, mit wem man in eine Fraktion gehen könne. „Bevor wir hier mit Obskuranten zusammengehen, werden wir dann doch sehr selbstbewusst auch alleine bleiben und über die nächsten Jahre dann sondieren, sollte eine vernünftige Fraktion nicht zustande kommen.“ Doch der Druck war groß, denn ohne Fraktion ist der politische Einfluss einer Partei im Parlament kleiner, und es gibt weniger Geld – ein Faktor der nach Angaben eines langjährigen AfD-Insiders, der nicht genannt werden möchte, entscheidend gewesen sein dürfte. Denn Fraktionen bekommen mehr Mittel etwa für Mitarbeiter, Büroräume und Veranstaltungen. Sie haben außerdem mehr Redezeit in Debatten und sind beteiligt an der Festlegung der Tagesordnung des Parlaments.

Der vom deutschen Bundestag ins EU-Parlament wechselnde AfD-Abgeordnete Petr Bystron, gegen den vor der Europawahl nach Berichten über mögliche Russlandverbindungen Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Geldwäsche aufgenommen wurden, sprach von einem „Erfolg für die AfD“. Die Europawahl habe das Gleichgewicht im Europaparlament verschoben, sagte er der dpa. „Es gibt jetzt vier rechts-konservative Fraktionen. Das ist ein Rechtsruck in Europa und das Ende der linken Mehrheiten.“ Der ebenfalls neu ins EU-Parlament eingezogene AfD-Abgeordnete Tomasz Froelich zeigte sich auf Nachfrage „sehr zufrieden“. „Das Framing wird der Fraktion nicht gerecht. Mein Eindruck ist, dass das eine weltanschaulich gefestigte Fraktion mit vielen gemeinsamen Nennern ist.“

Unter den AfD-Partnern befinden sich Parteien, die den beiden anderen europaskeptischen Fraktionen als zu extrem gelten. So war etwa die bulgarische Wasraschdane (Wiedergeburt) zu Jahresbeginn kurze Zeit Mitglied der Europapartei der „Identität und Demokratie“ (ID). Sie gilt als pro-russisch und fordert einen NATO-Austritt Bulgariens. Dasselbe verlangt die neofaschistische Republika im Fall der Slowakei. Am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums stehen auch die ungarische Mi Hazank Mozgalom (Bewegung Unsere Heimat) und die polnische Konfederacja, während die litauische People and Justice Union mit homophoben Aktionen auffiel. Während sich die rechtsextreme französische Reconquete (Wiedereroberung) des Ex-Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour im Zuge der jüngsten Neuwahlen spaltete, ist mit Se Acabó La Fiesta („Die Party ist vorbei“) auch eine erst vor zwei Monaten gegründete Partei an Bord. Die vom rechtspopulistischen Influencer Luis Pérez getragene Partei gilt als liberale Antisystemkraft.

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