Angesehen, aber auch umstritten

Emeritierter Papst Benedikt XVI. verstarb am Samstag im Alter von 95 Jahren

Papst Franziskus bezeichnete ihn als „Heiligen“. Für einen seiner engsten Vertrauten, Kardinal Christoph Schönborn, war er ein „Geschenk für die Kirche“. Der emeritierte Papst Benedikt XVI., dessen Zustand sich zuletzt schon wesentlich verschlechtert hatte, verstarb am Samstag im Alter von 95 Jahren. Um exakt 9.34 Uhr, wie der Vatikan mitteilte. Die letzten Jahre hatte er im Kloster Mater Ecclesiae in der Vatikanstadt verbracht.

Der am 16. April 1927 im oberbayrischen Marktl am Inn nahe der Grenze zu Österreich geborene Joseph Ratzinger sah sich freilich auch Kritik gegenüber und war schon immer eine kontroverse Persönlichkeit. Sein Vater war Gendarmeriemeister, seine Mutter Köchin. 1943 wurde Joseph Ratzinger als Luftwaffenhelfer eingezogen, dann zum Reichsarbeitsdienst zur Errichtung des Südostwalls verpflichtet.

Erster deutschsprachiger Papst seit Jahrhunderten

Als Seminarist des damals in Traunstein beheimateten diözesanen Knabenseminars machte er 1946 die Matura. Danach absolvierte er das Theologie- und Philosophiestudium in Freising und München. Gemeinsam mit seinem Bruder Georg empfing er am 29. Juni 1951 in Freising die Priesterweihe. 1959 wurde er an die Universität Bonn berufen, 1963 nach Münster. Papst Paul VI. ernannte Ratzinger am 25. März 1977 zum Erzbischof von München und Freising. Drei Monate später erhielt der erst 50-Jährige die Kardinalswürde.

Im November 1981 berief Johannes Paul II. Kardinal Ratzinger zum Präfekten der Glaubenskongregation und damit zum höchsten Glaubenshüter. Dieses Amt übte er bis zu seiner Wahl zum Papst 2005 aus. Er war der erste deutschsprachige Papst seit fast 500 Jahren.

Anders als beim polnischen Vorgänger Johannes Paul II. 1978 und dem argentinischen Nachfolger Franziskus 2013 war der Ausgang des Konklaves am 19. April 2005 keine ganz große Überraschung. Kardinal Ratzinger galt als Favorit für das Papstamt.

Zum theologischen Vermächtnis Benedikts XVI. gehört sein dreibändiges Buch „Jesus von Nazareth“, das er großteils während seiner Zeit als Papst verfasste. Mit vielen Ansprachen, Dokumenten und auch bei Reisen förderte er Ökumene und interreligiösen Dialog – mit Erfolgen wie auch Rückschlägen. Seine „Regensburger Rede“ mit einem mohammedkritischen Zitat eines byzantinischen Kaisers löste in der islamischen Welt Aufruhr und Gewalt aus.

Erste Amtsniederlegung seit 719 Jahren

Zudem verärgerte er mit seinem gut gemeinten Entgegenkommen für die lefebvrianische Piusbruderschaft jüdische Gesprächspartner, weil einer von deren Bischöfen – der später von der Piusbruderschaft ausgeschlossene Brite Richard Williamson – den Holocaust leugnete. In beiden Konflikten konnte Benedikt XVI. letztlich wieder zu Bereinigung und Beruhigung beitragen.

Zudem leitete er im Vatikan wichtige Reformen ein: Er führte die Vatikanbank IOR aus der Skandalzone und unterwarf seine Wirtschafts- und Finanzbereiche internationalen Kontrollmechanismen. Vor allem aber intensivierte er seinen schon als Kardinal geführten Kampf gegen die Missbrauchsskandale in der Kirche, bemühte sich um Prävention und Hilfen für die Opfer.

Seine Reformbemühungen belasteten seine Gesundheit. Benedikt XVI. zog daraus bahnbrechende Konsequenzen: Als er sah, dass seine Kräfte nicht mehr reichten, legte er – als erster Papst seit 719 Jahren – sein Amt nieder. Anders als seine Wahl 15 Jahre zuvor war dieser Schritt vom 1. März 2013 eine Sensation.

Scharfe Kritik nach falschen Angaben

Wenn es nach dem Vatikan geht, hat sich Benedikt XVI. in der Kirchengeschichte einen Platz als entschiedener Aufklärer des sexuellen Kindesmissbrauchs gesichert. Dieses Bild wurde durch das im vergangenen Jänner veröffentlichte Münchner Missbrauchsgutachten erschüttert.

Nachdem der emeritierte Papst in einer Stellungnahme zu dem Gutachten falsche Angaben machte, wurde die Kritik umso schärfer. Was für viele wie eine bewusste Falschdarstellung zum Selbstschutz wirkte, erklärten Benedikt und seine Berater zu einem erklärbaren Fehler. Ratzinger verfasste am Ende einen Brief, in dem er die Opfer sexuellen Missbrauchs um Entschuldigung bat. Konkrete Vertuschungsvorwürfe gegen sich wies er aber entschieden zurück.

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