Inmitten laufender Gespräche zu einer Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon greift das israelische Militär immer wieder heftig an. Bei Luftangriffen in der Hauptstadt Beirut und im Osten des Libanons wurden insgesamt 28 Menschen getötet. Auch im Südlibanon gehen die Kämpfe weiter. Während israelische Bodentruppen dort nach libanesischen Angaben immer weiter vorrücken, feuert die Hisbollah Raketen auf den Norden Israels.
Die kriegerische Auseinandersetzung zwischen der proiranischen Hisbollah-Miliz und Israel dauert seit mehr als einem Jahr, hat sich zuletzt aber deutlich verschärft. Die Hisbollah beschießt das Nachbarland nach eigener Darstellung zur Unterstützung der islamistischen Hamas im Gazastreifen, die am 7. Oktober 2023 ein Massaker mit rund 1.200 Toten in Israel angerichtet hatte. Israel greift seither Ziele im Libanon an und kämpft mittlerweile auch mit Bodentruppen im Süden des Landes. Nach libanesischen Behördenangaben sind im Libanon bereits mehr als 3.500 Menschen in dem Krieg getötet worden. Im Norden Israels kamen durch den Beschuss der Hisbollah 77 Menschen ums Leben, von denen 46 Zivilisten waren.
Viele Tote nach Luftangriff auf Zentrum Beiruts
Bei einem schweren Luftangriff mitten in Beirut sind nach Behördenangaben mindestens 15 Menschen getötet worden. 63 Menschen seien bei dem Angriff auf ein Gebäude im dicht besiedelten Stadtteil Basta verletzt worden, teilte das libanesische Gesundheitsministerium mit. Es wird erwartet, dass die Opferzahl weiter steigen wird.
Libanesische Sicherheitskreise berichteten, dass der Angriff einem Hisbollah-Funktionär gegolten habe. Weitere Details gab es zunächst nicht.
Nächtlicher Angriff ohne Vorwarnung
Augenzeugen berichteten, dass die Explosionen die ganze Stadt erschüttert hätten. Es habe massive Schäden gegeben. Der Angriff ereignete sich demnach gegen 4.00 Uhr morgens (Ortszeit). Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur wurde bei dem Angriff ein achtstöckiges Gebäude komplett zerstört. Auch anliegende Gebäude hätten massive Schäden erlitten.
Das israelische Militär hatte zuvor keine Evakuierungsaufforderung an die Bewohner der getroffenen Gegend gerichtet. Das Wohnviertel liegt nicht weit entfernt vom Parlament und dem Regierungspalast Grand Serail.
Am Vormittag suchten Angehörige und Retter in den Trümmern weiter nach Überlebenden. „Meine Mutter und meine Schwester liegen immer noch unter den Trümmern“, sagte ein Anrainer der dpa. Ein weiterer Bewohner sagte mit Blick auf das zerstörte Gebäude: „Meine Mutter hat hier geschlafen, und meine dreijährige Tochter hat hier geschlafen. Jetzt liegen sie im Krankenhaus.“
Weitere Angriffe in südlichen Vororten Beiruts
Auch in den Vororten der Hauptstadt setzte Israels Luftwaffe ihre Angriffe fort. Auf mehrere Evakuierungsaufrufe an die Bewohner der als Dahieh bekannten Vororte folgten Luftangriffe. Seit Freitag greift das israelische Militär dort intensiv an.
Die Armee sprach von Angriffen auf Waffenlager, Kommandozentralen und „terroristischer Infrastruktur“ der Hisbollah. Die Vororte sind dicht besiedelte Wohngebiete. Viele der Bewohner aus Dahieh sind bereits geflohen. Die Gegend gilt als Hochburg der Hisbollah. Schon vor den erneuten intensiven Angriffen der letzten 24 Stunden berichteten Augenzeugen von großer Zerstörung.
13 Tote nach Luftangriffen im Osten Libanons
Bei zwei israelischen Luftangriffen im östlichen Teil des Libanons wurden Behörden zufolge mindestens 13 Menschen getötet. Bei einem Angriff auf den Ort Shmestar nahe der Bekaa-Ebene seien acht Menschen getötet worden, teilte das libanesische Gesundheitsministerium mit. Neun weitere Menschen wurden demnach verletzt, die Hälfte von ihnen befinde sich in einem kritischen Zustand. Unter den Toten seien außerdem vier Kinder.
Aus Sicherheitskreisen hieß es, dass in der Stadt mindestens drei Luftangriffe erfolgt seien. Der letzte Einschlag habe ein dreistöckiges Haus getroffen. Die Bergungsarbeiten dauerten demnach an.
Bei einem weiteren israelischen Luftschlag rund 15 Kilometer nördlich von Schmestar wurden laut dem Gesundheitsministerium fünf Menschen getötet.
Kämpfe im Südlibanon
Unterdessen rückten israelische Truppen auch im Südlibanon weiter in strategisch wichtige Orte vor. Libanesische Sicherheitskreise und lokale Medien berichteten, dass Israels Armee zu mehreren Orten im Südosten und Südwesten vorgerückt sei. Auch eine wichtige Verbindungsstraße zwischen der Stadt Nabatieh und Grenzorten sei zerstört worden, hieß es aus Sicherheitsquellen. Die Straße galt als wichtige Versorgungsroute für die Hisbollah-Miliz. Die israelische Armee äußerte sich nicht zu den angeblichen Truppenbewegungen.
Israel will erreichen, dass sich die Hisbollah hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht – so wie es die UN-Resolution 1701 vorsieht, die das Ende des vergangenen Krieges von 2006 markierte. Ein aktuell diskutierter Entwurf zu einer Waffenruhe sieht die vollständige Umsetzung der Resolution und einen Abzug der israelischen Truppen aus dem Libanon vor.
Beobachter sehen in dem weiteren Vorrücken eine mögliche Gefahr für die Gespräche zu einer Feuerpause. Der Experte und Gründer des Militärinstituts INEGMA in Dubai, Riad Kahwadschi, sagte der dpa, beide Seiten probierten vor einer möglichen Einigung zu einer Waffenruhe ihre Bedingungen zu verbessern. Das könne die Gespräche beeinträchtigen.
Raketen auf Israels Norden
Im Norden Israels sind nach Armeeangaben fünf Raketen in der Region Metula an der Grenze zum Libanon eingeschlagen. Die Zeitung „Haaretz“ berichtete unter Berufung auf den örtlichen Bürgermeister, dass die Raketen landwirtschaftliche Flächen getroffen hätten. Es habe keine Verletzten gegeben.
Die Hisbollah reklamierte mehrere Raketenangriffe auf Ort im Norden Israels für sich.