Alle Schüler sollten zumindest einmal eine KZ-Gedenkstätte oder ein jüdisches Museum in Österreich besuchen. Darauf verständigten sich die Landeshauptleute bei ihrer Konferenz Anfang April in St. Pölten. Sie hatten dabei den zunehmenden Antisemitismus im Auge, den die Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) gerade in ihrem aktuellen Jahresbericht dokumentiert hatte.
2023 waren 1.147 antisemitische Vorfälle registriert worden, im Jahr davor waren es 719 gewesen. Die Steigerung um fast 60 Prozent ist einzig auf die Zeit nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und die darauf folgenden israelischen Vergeltungsschläge zurückzuführen. Immer öfter haben judenfeindliche Beleidigungen, Sachbeschädigungen oder tätliche Angriffe einen „muslimischem Hintergrund“: 25 Prozent der gemeldeten Vorfälle gingen auf das Konto von Muslimen, obwohl diese nur 8,3 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
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Zwar sind Rechtsextreme mit einem Drittel aller antisemitischen Vorfälle weiter das größte Problem (linksextremer Hintergrund: 18 Prozent), in der schwerstwiegenden Kategorie (tätliche Angriffe) sind jedoch Muslime bereits führend: 11 der 18 registrierten Vorfälle dieser Art werden Muslimen zugeordnet.
Historiker Heinisch: „Nicht länger ignorieren!“
„Das darf nicht länger ignoriert werden“, fordert der Wiener Historiker und Islamismus-Experte Heiko Heinisch einen schärferen Blick auf die Ursache des islamischen Judenhasses: „Antisemitismus wird von politisch islamischen Organisationen wie Muslimbruderschaft und Milli Görüs gefördert. Letztere stellt in Österreich unter der Bezeichnung Islamische Föderation den zweitgrößten Moscheeverband und feiert alljährlich rund um seinen Todestag am 27. Februar mit dem Milli-Görüs-Gründer Necmettin Erbakan einen pathologischen Antisemiten.“
Obwohl sich ein antisemitisches, verschwörungstheoretisches Weltbild wie ein roter Faden durch Erbakans Schriften ziehe, „werden diese unkommentiert über den organisationseigenen Buchhandel auch an Jugendliche weitergegeben“, so Heinisch, Ko-Autor einer Studie über Milli Görüs.
500 Euro Zuschuss für KZ-Besuch
Der Besuch einer KZ-Gedenkstätte könnte in diesem Sinn ein Augenöffner sein. Mit ihrer Forderung bekräftigten die Landeshauptleute freilich nur, was ÖVP und Grüne im Regierungsabkommen festgelegt hatten: Alle Schüler sollen im Rahmen der Schulzeit einen Gedenkstättenbesuch machen. Seit vergangenem Jahr gibt es dafür auch Unterstützung seitens des Bildungsministeriums von bis zu 500 Euro pro Schulklasse.
Fokus liegt auf dem heimischem Judenhass
Fragt sich nur, ob diese Bildungsoffensive der aktuellen Herausforderung gerecht wird. Natürlich ist es naheliegend, dass man sich in Österreich wie in Deutschland hauptsächlich mit dem autochthonen Antisemitismus beschäftigt. Da gab und gibt es eine Menge aufzuarbeiten. Einerseits den christlichen Antisemitismus, anderseits den nazistischen Judenhass, der ohne die nachhaltige Wirkung katholischer wie protestantischer Irrlehren auf das Denken vieler Generationen sein massenmörderisches Potenzial nicht hätte entfalten können.
Dieses Fokussieren auf die eigene Antisemitismus-Geschichte deckt jedoch das Problemspektrum nicht mehr zur Gänze ab, da es den demografischen Wandel außer Acht lässt. Die Zunahme des muslimischen Bevölkerungsanteils bedeutet auch einen Import antisemitischer Haltungen nicht christlicher oder (neo)nazistischer Provenienz.
Kein didaktisches Konzept für junge Muslime
Das VOLKSBLATT wollte daher wissen, ob die KZ-Gedenkstätte für diese muslimische Zielgruppe ein spezielles didaktisches Konzept hat bzw. ein solches zu entwickeln beabsichtigt. Die klare Antwort: „Nein, es gibt kein eigenes didaktisches Konzept für Jugendliche mit muslimischer Glaubenszugehörigkeit oder mit muslimischem Hintergrund“ , so Valeria Seufert, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit in Mauthausen.
Es gebe ein pädagogisches Konzept, das sich an alle Besucher/innen der Gedenkstätte gleichermaßen richte und keinen Unterschied zwischen Herkunft, Religion, Hautfarbe, sexueller Orientierung etc. mache, betont Seufert und lässt mit dem Nachsatz „Das wäre ja noch schöner!“ ein gewisses Befremden über die Fragestellung anklingen.
Islamismus für Mauthausen-Komitee überschätzte Gefahr
Das entspricht der Intention des Vorsitzenden des Mauthausen-Komitees (MKÖ), Willy Mernyi. Dieser hatte im Jahr 2020 davor gewarnt, „den Islamismus für die Hauptursache judenfeindlicher Übergriffe zu halten“. Der SPÖ-Gewerkschafter reagierte damit auf den Antisemitismus-Bericht 2019, in dem noch 83 Prozent der antisemitischen Vorfälle Rechtsextremen zugeordnet werden konnten.
Das MKÖ forderte damals einen „Aktionsplan gegen Rechtsextremismus“. Der aktuelle Antisemitismus-Bericht mit muslimischer Schlagseite veranlasste das MKÖ dagegen nicht zu einer entsprechenden Forderung mit Blick auf Islamisten. Auch eine VOLKSBLATT-Anfrage, ob angesichts dieser Entwicklung ein zielgruppenspezifisches Bildungsangebot für Mauthausen-Besucher sinnvoll wäre, blieb unbeantwortet.
Judenhass in der Schule selektiv thematisiert
Eines solchen bedürfte es vielleicht auch nicht unbedingt, kämen Besucher schon entsprechend vorgebildet durch den Unterricht in Geschichte und politische Bildung in die KZ-Gedenkstätte. Die Möglichkeit eines breiten Ansatzes beim Thema Antisemitismus ist den Lehrkräften jedenfalls gegeben. So sieht der Lehrplan für die Sekundarstufe 1 in der Rubrik „Gesellschaftlicher Wandel im 20. Und 21. Jahrhundert in Österreich“ auch die Behandlung von „Erscheinungsformen und Funktionen von Antisemitismus in der Gegenwart“ vor.
Die Lehrern zur Verfügung gestellten Unterlagen zeigen jedoch ein nicht nur in der Schule zu beobachtendes Phänomen: Es gibt keine Scheu, den einheimischen Antisemitismus ungeschminkt zu benennen, während der muslimische Antisemitismus bestenfalls mitgedacht wird. So nennt das vom Bildungsministerium in Auftrag gegebene Strategiepapier „Prävention von Antisemitismus durch Bildung“ sehr wohl den „christlichen Antijudaismus“ beim Namen.
In einem Absatz über den Nahost-Konflikt heißt es dagegen schwammig: „In Debatten zum israelisch-palästinensischen Konflikt tritt israelbezogener Antisemitismus gegenwärtig häufig unter dem Deckmantel von Kritik an der Politik Israels auf.“ Die Hauptquelle dieses „israelbezogenen Antisemitismus“, nämlich der muslimische Judenhass, bleibt dagegen unerwähnt. Das Strategiepapier geht sogar so weit, den Verweis auf muslimischen Antisemitismus als Ablenkungsmanöver einzustufen: „So wird zum Beispiel einerseits häufig auf den Antisemitismus ‚der Muslim/innen‘, der ‚Geflüchteten‘, ‚der Migrant/innen‘ verwiesen, um die Verbreitung antisemitischer Strukturen innerhalb der Mehrheitsgesellschaft zu negieren. Andererseits wird der Antisemitismus derjenigen, die als ‚anders‘ konstruiert werden, häufig in ebenfalls rassistischer Art und Weise als unveränderlicher Bestandteil von ‚Kultur‘ oder ‚Religion‘ erklärt.“
Agitatoren des politischen Islam leisten ganze Arbeit
Wenn das Erörtern real existierender religiöser beziehungsweise kultureller Wurzeln des muslimischen Antisemitismus bereits den Tatbestand des Rassismus erfüllen soll, dann haben die Propagandisten des politischen Islams ganze Arbeit geleistet. Denn deren Credo ist es, jedes kritische Wort über den Islam als „islamophoben Rassismus“ zu diffamieren und sich so auf eine Ebene mit Holocaustopfern zu stellen.
Lehrer-Info nennt Hamas „Befreiungsbewegung“
Deutlich wird die Verharmlosungstendenz auch in einer neutralen Bewertung der Terrororganisation „Hamas“ durch das Zentrum „polis“, das im Auftrag des Bildungsministeriums Themenhefte für Lehrkräfte erstellt. So heißt es in der Ausgabe 5/2022 von „polis aktuell“ in einem geschichtlichen Überblick zum Nahost-Konflikt: „Zugleich gründete sich die islamistische Hamas-Bewegung, die als Ziel die ‚Befreiung‘ des gesamten historischen Palästinas forderte.“
Diese euphemistische Beschreibung einer Organisation, die sich 1987 als Ziele die Auslöschung Israels und — religiös untermauert — die Ermordung aller Juden in ihre Charta geschrieben hat, wurde erst nach dem Terrorüberfall in Israel mit einem neuen polis-Dossier notdürftig mit dieser Information zurechtgerückt: „Am 7. Oktober 2023 hat die islamistische Terrororganisation Hamas eine Offensive gegen Israel gestartet.“ Die Verwendung positiv konnotierter Begriffe wie Befreiung und Bewegung wird also nun vermieden.
Ob aber „Offensive“ der angemessene Begriff für Massenmord, Massenvergewaltigung und Geiselnahme ist, werden die Lehrer in den Klassen selbst entscheiden. Das Dossier rät immerhin zur „Sensibilisierung für (israelbezogenen) Antisemitismus“. In der Broschüre empfohlene Lernmaterialien gehen jedoch nicht auf muslimischen Antisemitismus ein, obwohl dieser unbestreitbar eine treibende Kraft der Hamas ist.
Ministerium befürchtet antimuslimischen Rassismus
Das ist offenbar ganz im Sinne des Auftraggebers: „Eine Einschränkung auf Antisemitismus, der in Verbindung mit dem Islam oder der Zugehörigkeit zum muslimischen Glauben gebracht wird, würde den Anspruch auf einer umfassenden und ganzheitlichen Bekämpfung dieses Phänomens entgegenwirken und erscheint daher kontraproduktiv“, heißt es dazu aus dem Büro von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP).
Überdies sei „zu befürchten, dass ein ausschließlicher Fokus auf ‚muslimischen Antisemitismus‘, den im Zusammenhang mit dem Krieg im Nahen Osten bereits wahrnehmbaren Auftrieb von antimuslimischen Rassismus weiter verstärken könnte“. Nach einem „ausschließlichem Fokus“ auf muslimischen Antisemitismus hatte das VOLKSBLATT allerdings gar nicht gefragt, sondern lediglich danach, ob dieses Phänomen im Unterricht „auch“ behandelt werden sollte.
Islamischer Antisemitismus „unterschätzte Gefahr“
Denn immerhin sehen durchaus auch Muslime ein ihrer Religion innewohnendes Gift: „Die Gefahren des islamischen Antisemitismus werden aus meiner Sicht noch unterschätzt“, schreibt etwa Abdel-Hakim Ourghi in seinem Buch „Die Juden im Koran – Ein Zerrbild mit fatalen Folgen“ (Claudius-Verlag). Der aus Algerien stammende Freiburger Religionspädagoge spricht sogar „bewusst vom islamischen, und nicht vom islamistischen Antisemitismus, denn meiner Meinung nach kommt der Antisemitismus in der ganz normalen Erziehung muslimischer Kinder und während ihrer weiteren Sozialisation in der Gesellschaft vor“. Islamischer Antisemitismus sei, so Ourghi, „nicht nur ein historisches Produkt europäischer Vordenker des Antisemitismus oder Folge des Nahostkonflikts, vielmehr wird er auch theologisch legitimiert“. Der islamische Pädagoge sieht „die Gefahr, dass muslimische Kinder in Deutschland bereits in der Familie und in den Moscheegemeinden gegen Israel und gegen jüdische Menschen aufgehetzt werden“. Da die in Deutschland dominierenden Islam-Organisationen auch in Österreich stark vertreten sind, ist Ourghis Warnung wohl auch hierzulande ernst zu nehmen.
Erschütternder Alltag eines Mittelschuldirektors
Wie sehr, das illustrieren Anekdoten aus dem Alltag des Wiener Mittelschuldirektors Christian Klar: „Eine Schülerin wird zu mir geschickt, weil sie sich weigert, im Unterricht bei der Aufzählung der fünf Weltreligionen auch das Judentum zu erwähnen. Von mir zur Rede gestellt sagt sie, dass es unmöglich für sie sei, dieses Wort in den Mund zu nehmen, da sie ihn dadurch beschmutzen würde.“ Eine andere Schülerin dieser Floridsdorfer Brennpunktschule wird im Sportunterricht von Mitschülerinnen mit mehreren Bällen gleichzeitig beschossen. Für Klar eindeutiges Mobbing. Erschütternd sei aber der Satz, den die junge Muslima mit Kopftuch darauf in den Raum ruft: „Warum seid ihr so gemein zu mir? Ich bin doch keine Christin!“
„Der größte Held ist Adolf Hitler“
Der Direktor schildert dem VOLKSBLATT weiters die Episode einer Führung beim Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF), der Kurse für muslimischen Neuankömmlinge anbietet. „Ein Mitarbeiter des ÖIF fragt mich, ob ich wüsste, wer der größte Held für viele dieser Menschen sei. Da ich keine passende Antwort wusste, klärte er mich auf: ‚Das ist doch logisch, der größte Held ist Adolf Hitler, er hat Millionen von Juden getötet.‘“
Die Beispiele stehen für einen brisanten Wandel: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich unsere Schülerpopulation, speziell in den Ballungsräumen und da besonders in der Pflichtschule, sehr verändert hat“, so Klar zum VOLKSBLATT. Jetzt gerade beginne diese Entwicklung auch auf die AHS-Unterstufen und die Oberstufen und vor allem auch die Berufsbildenden Schulen überzugreifen.
Zielgruppenorientiertes Gedenken notwendig
Vor diesem Hintergrund gibt es für Klar nur „ein klares Ja zur Frage, ob es für verschiedene Besuchergruppen in einem Konzentrationslager verschiedene Konzepte und Schwerpunkte geben sollte“. Gleichzeitig hält er solche Besuche nur dann für sinnvoll, wenn sie den gewünschten Effekt, nämlich Betroffenheit und Empathie auslösen.
„Leider habe ich schon zu viele Gruppenfotos von Besuchen in einem KZ gesehen, wo im Vordergrund die betreuende Person mit ernstem Gesicht stand und im Hintergrund Jugendliche den ISIS-Finger, das Zeichen der grauen Wölfe oder die vier Finger der Muslimbruderschaft gezeigt haben“, so Klar, der sich der didaktischen Herausforderung durchaus bewusst ist: „Wie soll man im Lehrplan, in den Schulbüchern und im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern auf islamischen Antisemitismus und Christenhass eingehen, ohne dabei die Gräueltaten der Nazizeit zu verharmlosen? Wie kann man die islamischen Schriften kritisch beleuchten, ohne dabei eine Weltreligion zu kritisieren und Gefühle von Muslimen zu beleidigen?“ Der Direktor hält diese Auseinandersetzung allerdings für „notwendig, das steht außer Frage, das Wie wirft noch viele Fragen auf“.
Lippenbekenntnisse gegen Antisemitismus
Zu diesem Wie könnte auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) einen wesentlichen Beitrag leisten. Eine Anfrage, ob sie einen entsprechenden Schwerpunkt zu setzen gedenkt, ließ der Leiter des IGGÖ-Bildungsamtes, Binur Mustafi, allerdings unbeantwortet. Im Lehrplan für den islamischen Religionsunterricht heißt es immerhin: „Der Islam verbietet Rassismus. Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit werden theologisch begründet abgelehnt.“
Allgemeine Distanzierungen vom Antisemitismus und auch Besuche in KZ-Gedenkstätten haben IGGÖ-Funktionäre durchaus zu bieten, allerdings stets im NS-Kontext. Solange aber ein Necmettin Erbakan ohne Widerspruch der IGGÖ als großer Lehrmeister gewürdigt werden darf, haftet an allen Distanzierungen vom Antisemitismus der Makel des Lippenbekenntnisses. Das Ausbleiben derartigen Widerspruches ist allerdings insofern wenig verwunderlich, als führende IGGÖ-Funktionäre inklusive des Präsidenten Ümit Vural aus der Islamischen Föderation kommen.
Angesichts einer Vielzahl von antisemitischen Koransuren und Hadithen (dem Propheten Mohammed zugeschriebene Äußerungen) sowie einer bis dato ebenfalls nicht aufgearbeiteten Kumpanei arabischer Anführer mit den Nazis kann Muslimen der von christlichen Kirchen längst geführte Diskurs über ihren autochthonen Antisemitismus nicht erspart werden.
Update am 24. April 2024 (nach einer Intervention des ÖIF): Direktor Christian Klar präzisiert mit einer nachträglichen Erklärung oben zitierte Passagen: „Die Schilderung meinerseits bezüglich des ÖIF-Mitarbeiters war leider verkürzt dargestellt und ist in dieser Form nicht gefallen. Im Rahmen des genannten Austauschgesprächs wurden Studienergebnisse besprochen, im Rahmen derer sichtbar wird, dass einzelne Zuwanderungsgruppen einen starken Führer wie Adolf Hitler an der Spitze des Staates bevorzugen würden. Ich erlebe allerdings in meinem Schulalltag bei zugewanderten Jugendlichen einen massiven Antisemitismus.“
Analyse: Manfred Maurer