Nehammer droht mit Blockade von EU-Gipfelerklärung

Nehammer fordert Bekenntnis zur Verstärkung des Außengrenzschutzes © APA/GEORG HOCHMUTH

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat damit gedroht die gemeinsame Abschlusserklärung der Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel diese Woche zu blockieren, falls es keine konkreten Vereinbarungen zu Migrationsfragen gebe. „Leere Worthülsen werden nicht ausreichen“, sagte Nehammer der „Welt“ (Mittwoch). Die Grünen betonten, dass an der Menschenrechtskonvention nicht gerüttelt werden dürfe. SPÖ, FPÖ und NEOS forderten den Kanzler auf, endlich lösungsorientiert zu agieren.

„Es braucht endlich ein klares und deutliches Bekenntnis zur Verstärkung des Außengrenzschutzes und zum Einsatz entsprechender finanzieller Mittel aus dem EU-Budget dafür“, forderte Nehammer. Es müssten „konkrete Schritte“ erfolgen. Sollte dies ausbleiben, dann werde Österreich die Abschlusserklärung des EU-Gipfels „nicht mittragen können“, sagte der konservative Regierungschef.

Österreich und sieben weitere EU-Staaten hätten deshalb vor dem Sondergipfel zu Migration in einem gemeinsamen Brief an EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel mehr EU-finanzierte Maßnahmen zum Außengrenzschutz, raschere Abschiebungen sowie neue Rückführungsabkommen mit Drittstaaten gefordert. „Einige Mitgliedstaaten haben gleich viele oder mehr Ankünfte und Anträge als während der Migrationskrise in den Jahren 2015 und 2016“, heißt es in dem Brief, den neben Nehammer auch die Regierungschefs und Premierministerinnen von Dänemark (Mette Frederiksen), Griechenland (Kyriakos Mitsotakis), Lettland (Krisjanis Karins), der Slowakei (Eduard Heger), Malta (Robert Abela), Estland (Kaja Kallas) und der litauische Präsident Gitanas Nauseda unterzeichnet haben.

Die EU-Kommission wird darin aufgefordert, einen umfassenden Ansatz für alle wichtigen Migrationsrouten vorzulegen. Er soll eine „weitere Stärkung des Schutzes der Außengrenzen“ enthalten, „einschließlich des Aufbaus von Infrastruktur und Luftraumüberwachung im Bereich vor den Seegrenzen“. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex müsse ihre „zentrale Rolle in vollem Umfang wahrnehmen“, auch im Bereich der Rückführung und durch Maßnahmen in Drittstaaten, um irreguläre Grenzübertritte zu verhindern. Verlangt werden auch EU-Außengrenzschutzstandards sowie zusätzliche finanzielle Unterstützung im Rahmen des bestehenden EU-Finanzrahmens für operative und technische Maßnahmen für eine wirksame Grenzkontrolle.

Unterstützung erhielt Nehammer von den ÖVP-Europaabgeordneten Angelika Winzig und Lukas Mandl. „Dieser EU-Gipfel muss konkrete Maßnahmen für die Bewältigung der Migrationskrise auf den Weg bringen“, forderten sie in einer Aussendung. „Wir brauchen keine Worthülsen, sondern konkrete Schritte, sonst werden wir dieses Problem nicht in den Griff bekommen“, betonte Winzig. Mandl sagte, dass angesichts der Blockade im Rat, die österreichische Initiative auch ein Grund dafür sei, dass sich der Gipfel diesem dringenden und wichtigen Thema widme.

Die angekündigte Blockadehaltung Nehammers stieß indes beim Grünen Koalitionspartner nicht unbedingt auf Gegenliebe. Der Europasprecher der Grünen, Michel Reimon, schrieb auf Twitter: „Es wird keine EU-Rückführungsrichtlinie geben, die gegen die Menschenrechtskonvention verstößt und kein Herumdeuteln dran.“ Dies hätten die Grünen der ÖVP klar gesagt. „Der Kanzler inszeniert das als VP-Chef vor dem EU-Gipfel wieder als seine Forderung, weil er auf dem freiheitlichen Spielfeld spielen will.“

Kritisch äußerte sich die Opposition. So forderte SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner Nehammer auf, damit aufzuhören, nur zu versuchen innenpolitisch zu punkten. Stattdessen sollte er sich lieber mit anderen konstruktiven Kräften für Lösungen, wie ein gemeinsames europäisches Asylverfahren mit Verfahrenszentren an den Außengrenzen der EU, einsetzen, betonte Einwallner. Die SPÖ-Europaabgeordnete Theresa Muigg forderte „eine Versachlichung der Debatte, die Umsetzung einer vernünftigen Reform und ein Ende von Symbolpolitik auf dem Rücken der Schwächsten!“. Muigg sprach sich weiters für „schnelle und rechtssichere Verfahren, menschenwürdige Unterbringung an den EU-Außengrenzen, Rückführungsabkommen mit Drittstaaten, eine faire Verteilung von Asylberechtigten und eine neue EU-Seenotrettungsmission“ aus.

„Der Meister der leeren Worthülsen ist ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer selbst“, kritisierte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer in einer Aussendung. „Warum ersetzen Nehammer, Karner und Co nicht endlich das selbst etablierte ‚Welcome-Service‘ an der österreichischen Grenze durch einen echten und robusten Grenzschutz?“

NEOS-Vize-Klubobmann Niki Scherak warf der ÖVP vor, „nur populistische Scheindebatten“ zu führen und „seit Jahren jede Lösung“ zu blockieren”. Statt nach der Schengen-Veto-Blamage jetzt erneut die Veto-Keule zu schwingen und Österreich in Europa noch weiter ins Abseits zu schießen, „sollte sich Nehammer in Brüssel lieber für Lösungen stark machen. Eine Lösung wäre, Handelsprivilegien an Rückführungsabkommen zu koppeln.“ Zudem brauche es „schnellere Verfahren an den Außengrenzen und die Umsetzung einer Residenzpflicht für Asylwerberinnen und Asylwerber. Das derzeitige europäische Asylrecht funktioniert nicht. Diese Wahrheit muss man anerkennen“, so Scherak.

Der Präsident der Europäischen Bewegung Österreich (EBÖ), Christoph Leitl, sagte, Nehammer sei zuzustimmen, wenn er sich über die Sicherheit Österreichs Gedanken mache und dazu Vorschläge vorlege. Europa müsse in der Asyl- und Migrationsfrage endlich gemeinsame Lösungen finden. Um jedoch bei den EU-Partnern Gehör zu finden, sei es „nicht förderlich, sich in die ‚Schmuddelecke der Veto-Keulen-Schwinger‘ einzuordnen. Österreich verliert damit good will auf der europäischen Ebene, erleidet aber vor allem einen enormen Vertrauensverlust. Nicht nur in Rumänien und Bulgarien, sondern in allen mittel- und osteuropäischen Ländern“, warnte Leitl angesichts von Österreichs Veto gegen den Schengen-Beitritt Bulgariens und Rumäniens im Dezember.

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