Das Europa-Netzwerk der Islamisten

Film über Organisation und Absichten der Muslimbruder

Die Muslimbrüder wollen alle Muslime in Europa unter Kontrolle bringen.
Die Muslimbrüder wollen alle Muslime in Europa unter Kontrolle bringen. © fajrin raharjo raharjo/EyeEm - stock.adobe.com

Das in Europa unbeachtet gebliebene Ereignis erregte in der arabischen Welt durchaus Aufmerksamkeit: Beim diesjährigen Carthage Film Festival in Tunis lief vorige Woche der Kurzfilm „Welchen Islam für Europa?“.

Ausgerechnet in dem Land, das bis zum Sommer eine der Muslimbruderschaft nahestehende Partei regiert hatte, konnte die eidgenössische Menschenrechtsaktivistin Saida Keller-Messahli ihr ernüchterndes Porträt der Islamisten-Brüder zeigen.

„Meine Motivation ist, den Menschen zu erklären, woher die Muslimbrüder in Europa kommen und was sie hier für Strukturen aufgebaut haben“, so die Präsidentin des Schweizer „Forums für einen fortschrittlichen Islam“ zum VOLKSBLATT.

Brüderliches Netzwerk

Der Film stellt zunächst den Aufbau der europäischen Bruderschaft seit Mitte der 1950er-Jahre durch politische Flüchtlinge aus Ägypten und Syrien sowie ab den 1970er Jahren durch die türkische Milli-Görüs-Bewegung dar. Vom britischen Markfield aus wirft seit 1989 die „Föderation Islamischer Organisationen in Europa“ (FIOE) ihre Netze aus.

Sie war 1992 in Château-Chinon im Burgund an der Gründung des „Europäischen Instituts für Humanwissenschaften“ (IESH) beteiligt, das inzwischen Filialen in Paris, Orleans, Alsace und Frankfurt hat. Die islamische Jugend- und Studentenorganisation (Femyso) in Brüssel und der Europäische Rat für Fatwas und Forschung (ECFR) im irischen Dublin kamen hinzu.

„Die Muslimbruderschaft hat den politischen Islam überall durchgesetzt — in Cafes, Moscheen, Haushalten, bei Familienfesten und alltäglichen Begegnungen“, berichtet der Brüsseler Ex-Polizist Hamid Benichou von einschlägigen Berufserfahrungen.

Strategische Opferrolle

„Die Muslimbrüder wollen alle Muslime in Europa in den Griff bekommen“, sagt auch der französische Feminist Naem Bestandj und verweist auf ihre zentrale Strategie: „Sie starten eine Offensive, indem sie etwa das Kopftuch durchzusetzen versuchen, um sich danach als Opfer darzustellen und zu sagen, schaut mal, wie intolerant die Gesellschaft ist.“ Vor allem die Linke sei für diese Opfertheorie anfällig.

Djemila Benhabib, Politologin vom Brüsseler „Zentrum für laizistische Aktion“, verweist auf die großen finanziellen Möglichkeiten der Muslimbrüder „Dank den Ölmonarchien am Golf“. Auch die Türkei spielt durch Finanzierung und Instrumentalisierung der türkischen Diaspora eine große Rolle. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan forciere, so Fadila Maaroufi von der Brüsseler Beobachtungsstelle für Fundamentalismen, „einen seiner Vorstellung entsprechenden Islam, in dem der säkulare durch einen Gottesstaat zu ersetzen versucht wird“.

Emanzipierte Muslime

Keller-Messahli geht es nicht nur um ein Wachrütteln der europäischen Öffentlichkeit und Politik, sondern vor allem der Muslime selbst: „Es geht um die Zukunft eines friedlichen Zusammenlebens zwischen Muslimen und Nichtmuslimen in Europa aber auch um die Emanzipation von Muslimen — nicht nur in Europa, auch in ihren Herkunftsländern.“

Von Manfred Maurer

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