34 Frauen in iranischem Gefängnis im Hungerstreik

Bei Demos werden oft auch Kopftücher und Schals verbrannt © APA/AFP/DELIL SOULEIMAN

Zum zweiten Jahrestag des Beginns der Proteste gegen den Tod der Kurdin Mahsa Amini sind 34 Frauen im Evin-Gefängnis der iranischen Hauptstadt Teheran in den Hungerstreik getreten. Sie wollten an die Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“ und die Ermordung von Mahsa (Jina) Amini erinnern, erklärte die Stiftung der Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi am Sonntag. Der iranische Präsident Masoud Pezeshkian sagte zu, gegen Übergriffe der Sittenpolizei gegen Frauen vorzugehen.

„Die Sittenpolizei soll die Frauen nicht konfrontieren. Ich werde dafür sorgen, dass sie (sie) nicht belästigt“, sagte der im Juli gewählte reformorientierte Präsident bei seiner ersten Pressekonferenz am Montag. Sogar der Generalstaatsanwalt habe erklärt, dass die Behörde nicht das Recht habe, Frauen zu bedrängen.

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Im September 2022 hatten islamische Sittenwächter die damals 22-jährige Amini wegen eines nicht richtig sitzenden Kopftuchs festgenommen. Wenige Tage später, am 16. September 2022, starb sie im Polizeigewahrsam. Iranische Behörden sprachen von einer Erkrankung. Aminis Eltern und die Mehrheit der Iraner aber machten die Sittenwächter und das klerikale System für Aminis Tod verantwortlich.

Pezeshkian hatte den Tod Aminis scharf kritisiert und im Wahlkampf versprochen, die Sittenpolizei aus dem Straßenbild zu entfernen. Die Behörde ist unter anderem dafür zuständig, das Kopftuchverbot für Frauen durchzusetzen. Der neue Präsident verkündete am Montag außerdem eine Lockerung der Internetsperren, insbesondere von Onlinediensten. Während der Proteste im Jahr 2022 hatte Teheran die am häufigsten genutzten Netzwerke Instagram und Whatsapp gesperrt, später folgten Youtube, Facebook, Telegram, Twitter und Tiktok.

Bereits zuvor hatten Aktivistinnen und Aktivisten zum Gedenken an Amini zahlreiche Proteste angekündigt. Im Vorfeld gab es allerdings Befürchtungen, dass die Sicherheitskräfte zumindest öffentliche Proteste konsequent verhindern würden. Auch außerhalb des Iran sollte es Demonstrationen geben. Aufgrund des Schaltjahres im islamischen Kalender wird der Todestag im Iran an diesem Sonntag begangen.

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Die 52-jährige Mohammadi ist seit November 2021 im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran inhaftiert. Sie hat einen Großteil des vergangenen Jahrzehnts im Gefängnis verbracht und war wiederholt im Hungerstreik.

Aminis Vater hatte am Samstag noch keine Erlaubnis für eine Trauerfeier in ihrer Heimatstadt Saqqez. „Wenn die Machthaber es zulassen, dann werden wir Mahsas zweiten Todestag begehen“, schrieb Amjad Amini auf Instagram. Danach sah es aber nicht aus. Nach Angaben des Nachrichtenportals Iranwire wurde in Saqqez in der Provinz Kurdistan die höchste Alarmstufe ausgerufen. Einheimische gingen davon aus, dass dorthin verlegte Sicherheitskräfte keinerlei Versammlungen, auch nicht in Form einer Trauerfeier, zulassen würden.

Nach Angaben von Aktivisten jedoch werden die verhängten Sicherheitsmaßnahmen die geplanten Proteste nicht verhindern. „Die Bewegung “Frau, Leben, Freiheit“ setzt ihren Weg entschlossen und siegesbewusst fort,„ hieß es in einer der zahlreichen Instagram-Botschaften der Aktivisten. Zu den renommierten Aktivisten gehören auch die beiden iranischen Friedensnobelpreisträgerinnen Shirin Ebadi und die in Teheran inhaftierte Narges Mohammadi.

Unter dem Motto “Frau, Leben, Freiheit“ begann mit dem Tod Aminis 2022 eine Frauen- und Protestbewegung, die sich nicht nur gegen die islamischen Vorschriften richtete, sondern gegen den Islam als politische Ideologie des Landes. Die damalige Regierung unter dem inzwischen verstorbenen Präsidenten Ebrahim Raisi ging mit aller Härte gegen die Demonstrationen vor.

Der tragische Tod Aminis führte zu den heftigsten Protesten in der 45-jährigen Geschichte der Islamischen Republik. Unbestätigten Berichten zufolge kamen im Zuge der monatelangen Proteste Hunderte Demonstranten ums Leben, Tausende wurden festgenommen. Mindestens zehn Demonstranten wurden wegen gewaltsamer Protestaktionen hingerichtet, fast 20 weitere zum Tode verurteilt. Die iranische Justiz hat diese Statistiken zwar nicht bestätigt, dementiert sie aber auch nicht.

Seit den Protesten ignorieren vor allem in Großstädten immer mehr iranische Frauen die Pflicht zum Tragen des obligatorischen Kopftuchs. Es gibt zwar weiter regelmäßige – teils auch gewaltsame – Kontrollen seitens der Sittenpolizei, aber ohne den von der Führung erhofften Erfolg. Auch die islamische Kleiderordnung wird von den Frauen nicht mehr strikt beachtet. Lange Jacken und Gewänder sollten die „provokanten weiblichen Körperkonturen“ bedecken. Dies jedoch ist seit den Protesten immer weniger der Fall.

Für die Geistlichen und die Hardliner ist die islamische Kleiderordnung und insbesondere das obligatorische Kopftuch für Frauen Teil der islamischen Ideologie und daher nicht verhandelbar. Mit der Operation „Nur“ (Licht) im Sinne von moralischer Aufklärung – sollte die Sittenpolizei die Einhaltung der Kleiderordnung gewährleisten. Dies jedoch scheiterte erneut und führte sogar zu Kritik in den eigenen Reihen. „Ich verspreche euch (Frauen), dass die Kontrollen abgeschafft werden“, sagte Pezeshkian während des Wahlkampfs. Laut Beobachtern war dieser eine Satz auch ausschlaggebend für seinen Wahlsieg im Juli.

In Österreich forderten die Grünen in einer Aussendung zum Jahrestag die Begnadigung und Freilassung aller politischer Gefangenen in Iran, und die Aufnahme der iranischen Revolutionsgarden auf die Terrorliste der EU. Die Garden (Pasdaran) bilden als loyale Truppen des geistlichen Oberhauptes des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, neben der regulären Armee die zweite Säule der iranischen Streitkräfte und haben großen Einfluss im Land. Zudem mahnten die Grünen den Schutz der iranischen Exilbevölkerung in Österreich ein.

„Die seit Aminis Mord um ein Vielfaches gestiegenen Menschen- und Frauenrechtsverletzungen, als Reaktion auf die Zunahme der Proteste, sind aufs Schärfste zu verurteilen“, betonte der SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder am Montag in einer Aussendung. Die Unterdrückung von Frauen, ethnischen Minderheiten und der gesamten Zivilbewegung durch das fundamentalistische Regime im Iran nehme immer mehr zu und mache deutlich, wie dringend ein demokratischer Regimewechsel im Iran notwendig sei, so Schieder. „Wir dürfen die mutigen Frauen nicht nur nicht vergessen, wir müssen ihren Widerstand würdigen. Menschenrechte sind keine Frage des Geschlechts“, ergänzte die SPÖ-EU-Abgeordnete Elisabeth Grossmann.