
Nach monatelanger Kritik an ihrer Amtsführung hat die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am Montag ihren Rücktritt angekündigt. Bundeskanzler Olaf Scholz nahm die Bitte der SPD-Politikerin um Entlassung aus dem Amt an, wie eine Regierungssprecherin mitteilte. Die Nachfolge der Verteidigungsministerin wolle er „zeitnah“ regeln, hieß es. Seit Freitagabend waren bereits Medienberichte kursiert, dass Lambrecht abtreten wolle.
Aus „Respekt vor der Entscheidung der Ministerin“ werde die Entscheidung über die Nachfolge „aller Voraussicht nach“ nicht mehr am Montag verkündet, sagte die Regierungssprecherin. „Zeitnah ist auf keinen Fall drei Monate“, fügte sie aber auch hinzu.
„Ich habe eine klare Vorstellung und das wird sehr schnell für alle bekannt werden, wie das weitergehen soll“, sagte Scholz am Montag nach einem Besuch bei der Rüstungsfirma Hensoldt in Ulm. Aber es sei klar, dass eine schnelle Entscheidung nötig sei. „Ich weiß, wie es aus meiner Sicht weitergehen soll“, betonte der SPD-Politiker. Die SPD besetzt in der Ampel-Regierung die Spitze des Verteidigungsressorts.
Lambrecht hatte zuvor am Montagmorgen schriftlich erklärt, dass sie Scholz um Entlassung gebeten habe. „Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu“, schrieb Lambrecht zur Begründung.
Bereits am Freitagabend hatten mehrere Medien übereinstimmend berichtet, Lambrecht stehe vor einem Rückzug von ihrem Ministerposten. Die 57-Jährige steht seit Monaten in der Kritik, die oppositionelle Union hatte wiederholt ihren Rücktritt gefordert. Kritiker warfen ihr etwa die schleppend angelaufene Beschaffung für die Bundeswehr oder fehlende Sachkenntnis, aber auch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit vor. So machte ein Foto ihres Sohnes auf Mitreise in einem Bundeswehrhubschrauber Negativschlagzeilen. Jüngst sorgte sie für Irritationen mit einer auf Instagram verbreiteten Neujahrsbotschaft, in der sie begleitet von Silvesterfeuerwerk über den Ukraine-Krieg sprach.
Damit muss nun ein zentraler Posten in der deutschen Regierung neu besetzt werden. Das Verteidigungsministerium ist infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zusätzlich in den Fokus gerückt. Deutschland hatte als Reaktion ein 100-Milliarden-Euro-Programm aufgelegt, um die Bundeswehr besser auszurüsten. Auch bei der Unterstützung der Ukraine spielt das Verteidigungsministerium eine wichtige Rolle.
Spekuliert wird seit Tagen über eine mögliche Ernennung etwa der bisherigen Wehrbeauftragten Eva Högl, der Parlamentarischen Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller, von SPD-Chef Lars Klingbeil oder des bisherigen Arbeitsministers Hubertus Heil. Die ARD nannte zudem Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt als möglichen Nachfolger. Grünen-Parteichef Omid Nouripour pochte auf eine schnelle Entscheidung und forderte auch, dass die Parität von Frauen und Männern im Bundeskabinett gewahrt bleibt.
Lambrecht hatte mit dem Start der deutschen Ampel-Regierung Ende 2021 das Verteidigungsministerium übernommen. Zuvor war sie im letzten Kabinett von Angela Merkel Justizministerin gewesen, nach dem Rücktritt von Franziska Giffey hatte sie zusätzlich das Familienministerium geführt.
Lambrecht ist bereits die zweite Ministerin, die seit dem Start der Ampel-Regierung ihr Amt wieder abgibt. Im vergangenen Jahr war die Grünen-Politikerin Anne Spiegel als Familienministerin zurückgetreten – wegen ihrer Rolle als rheinland-pfälzische Umweltministerin während der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021.