Aus der Geschichte Lernen ist hierzulande (leit)kultureller Anspruch. Die Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen, Wiedergutmachung sofern möglich und Erinnerung an das braune Gestern als Mahnung fürs Heute und Morgen sind zentraler Auftrag an Bildung, Politik und Medien.
Darüber herrscht inzwischen gesellschaftlicher Konsens — allerdings mit Einschränkungen, wie diese Reportage über den Umgang mit einem muslimischen Holocaust-Komplizen zeigt.
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Kefija — ein historisch belastetes Demo-Utensil
Keine Palästina-Solidaritätsdemo ohne dieses Accessoire: Viele tragen die Kefija, das Palästinensertuch, am Kopf oder um den Hals. Den wenigsten ist der ganze politische Bedeutungsgehalt dieses Textils bewusst. Es war nicht nur das Markenzeichen des zum Friedensnobelpreisträger mutierten Terroristen Yassir Arafat, sondern geht auf dessen Mentor zurück.
Amin al Husseini setzte die Kopfbedeckung der arabischen Landbevölkerung in den 1930er Jahren als politisches Symbol des palästinensischen Kampfes gegen die britische Kolonialmacht und gegen die Juden durch. Damit hat die Kefija ihre politische Unschuld verloren. Denn sie ist eng verbunden mit dem Großmufti von Jerusalem, der sich schon wenige Wochen nach Adolf Hitlers Machtergreifung den Nazis als Komplize andiente.
Am 31. März 1933 versicherte al-Husseini dem deutschen Generalkonsul in Jerusalem, Heinrich Wolff, dass alle Muslime weltweit das NS-Regime begrüßten und der jüdische Einfluss auf Wirtschaft und Politik überall schädlich und zu bekämpfen sei. Es war der Beginn einer mörderischen Kooperation.
Hass und Hetze mit antisemitischen Fake News
Wie die Nazis betrieb der Mufti antijüdische Propaganda und arbeitete dabei mit Fakenews, wie man heute sagen würde. So ließ er gefälschte Fotos von einem angeblichen jüdischen Brandanschlag auf die Al-Aqsa-Moschee verbreiten, um Muslime gegen den Zionismus zu mobilisieren. Für die Nazis war der Mufti auch als Kämpfer gegen die britische Mandatsmacht von Interesse. Ab 1938 — nach einer Reise Adolf Eichmanns durch Palästina — lieferte Deutschland al-Husseini auch Waffen.
„Arier“ al-Husseini beeindruckt Führer Abu Ali
Nach Hitlers Sieg im Westfeldzug war al-Husseini im Sommer 1940 einer der ersten Gratulanten. Die Botschaft sandte der Muslimbruder aus dem Irak, wohin er im Jahr davor geflohen war.
Aus Bagdad kam auch sein Angebot „das Problem der jüdischen Elemente in Palästina und anderen arabischen Ländern … mit derselben Methode zu lösen, wie die Judenfrage nun in den Achsenländern geregelt wird“. Al-Husseini wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, dass die „Lösung“ der Nazis Massenmord bedeutete.
Abu Ali, wie Hitler von seinen arabischen Anhängern genannt wurde, war beeindruckt. Im November 1941 empfing er al-Husseini in Berlin, wertete dessen blaue Augen und rötlichen Haare als Ariernachweis und war sich mit dem Gast einig im Ziel der Ausrottung aller Juden.
„Tötet die Juden, wo immer ihr sie findet!“
Berlin wurde bald al-Husseinis neue Residenz. Hitler stellte ihm ein arisiertes Haus, später, wie von al-Husseini gewünscht, „eine größere Judenwohnung“ zur Verfügung. Der Mufti bedankte sich mit in die arabische Welt ausgestrahlter Radio-Propaganda.
So rief er am 4. März 1944 — übrigens nicht zum ersten Mal — die Araber auf: „Tötet die Juden, wo immer ihr sie findet. Das gefällt Gott, der Geschichte und der Religion. Es dient Eurer Ehre. Gott ist mit Euch.“
Al-Husseini war das Ausmaß des Grauens bekannt. Heinrich Himmler hatte ihm bei einem Treffen am 4. Juli 1943 eine Zwischenbilanz des Holocaust genannt: „Wir haben bis jetzt ungefähr drei Millionen von ihnen (den Juden, Anm.) vernichtet“, berichtete der SS-Reichsführer dem Mufti laut dessen Memoiren.
Juden in Gaskammer statt nach Palästina
Al-Husseini hatte seinen Beitrag zu dieser Horrorbilanz geleistet, indem er bei den Nazis erfolgreich gegen die Ausreise Tausender Juden nach Palästina lobbyierte. Ende 1942 wollte Rumänien rund 80.000 Juden gegen Kopfgeld nach Palästina ausreisen lassen, was nach einem Protest al-Husseinis nicht geschah. Ein halbes Jahr später wollte Adolf Eichmann 5000 jüdische Kinder gegen 20.000 deutsche Kriegsgefangene austauschen.
Auch dagegen protestierte al-Husseini, worauf Eichmann die Verhandlungen darüber stoppen musste, wie dessen Unterhändler Dieter Wisliceny in den Nürnberger Prozessen aussagte. Die 5000 Kinder starben in den Gaskammern des KZ Auschwitz-Birkenau. Ebenso erging es 1700 Kindern, die Ungarn ziehen lassen wollte.
Blutige Synthese aus Islam und Nationalsozialismus
Am Balkan trieb der zum SS-Gruppenführer aufgestiegene Mufti sein Unwesen auch als Gründer muslimischer SS-Einheiten, wie der 13. Waffen-Gebirgs-Division „Handschar“, die für Massaker an serbischen Zivilisten und Partisanen berüchtigt waren. Angeworben wurden die Freiwilligen von al-Husseini mit einer weltanschaulichen Verknüpfung von Islam und Nationalsozialismus, wobei der Antisemitismus eine zentrale Rolle spielte.
Verehrte SS-Männer
Erster Imam der „Handschar“-Division war SS-Sturmbannführer Husein Dozo, der auf Befehl Himmlers im brandenburgischen Guben ein Institut zur Ausbildung von Militärimamen errichtete. Nach dem Krieg wurde Dozo zu fünf Jahren Haft und zur Aberkennung seiner Ehrenrechte verurteilt, kam aber bald wieder als Übersetzer Titos zu Ehren. Nach dem Zerfall Jugoslawiens beschloss die Islamische Gemeinschaft Bosnien-Herzegowinas die vollständige Rehabilitierung des 1982 Verstorbenen, nach dem heute eine Straße in Sarajevo und eine Schule in seiner Geburtsstadt Gorazde benannt sind.
Nach dem Krieg Profiteur europäischer Ränkespiele
Aufarbeitung der Vergangenheit ist nicht nur am Balkan kein großes Thema. Auch in der arabischen Welt gibt es keine kritische Auseinandersetzung mit dem am 4. Juli 1974 verstorbenen Großmufti Al-Husseini, der bis zuletzt Hitlers Niederlage bedauert hatte. Das Schicksal anderer Kriegsverbrecher war ihm erspart geblieben, weil er auch nach dem Krieg gebraucht wurde: von den Franzosen, an die ihn die Schweiz übergeben hatte, nachdem ihn die Nazis noch am Tag vor der Kapitulation nach Bern ausgeflogen hatten.
Die Briten verlangten seine Auslieferung, doch Frankreich arrangierte al-Husseinis Flucht nach Ägypten. Er sollte Frankreichs Einfluss in der Region stärken und den der Briten schwächen. Tatsächlich setzte al-Husseini nur fort, was er schon vor und während seiner Liaison mit Hitler getan hatte: Die Radikalisierung der Palästinenser und die Verhinderung jeglichen politischen Kompromisses. Palästinenser, die mit Juden und der UNO verhandeln wollten, ließ er ermorden.
Nazi-Mufti für Präsident Abbas „unser Vorkämpfer“
Nichtsdestotrotz ist al-Husseini ein Säulenheiliger der Palästinenser. Ihre Anführer wie Präsident Mahmoud Abbas pilgern regelmäßig an al-Husseinis Grab in Beirut. Für Abbas ist er „unser Vorkämpfer“. Die Amin-Al-Husseini-Grundschule in El Bireh im Westjordanland veröffentlichte drei Tage nach dem Hamas-Terrorangriff auf Israel im Oktober 2023 auf ihrer Facebook-Seite ein Gedicht mit diesem, Israel indirekt das Existenzrecht absprechenden Schlussvers: „Es heißt nicht Israel, es heißt Palästina vom Fluss (Jordan, Anm.) bis zum Meer.“
Die offizielle Nachrichtenagentur der Palästinensischen Autonomiebehörde (WAFA) bietet auf ihrer Homepage eine apologetische Biografie an, in der al-Husseinis Komplizenschaft mit Hitler unerwähnt bleibt. Auch das Institut für Palästina-Studien in Ramallah würdigt den Nazi-Kumpanen ohne ein kritisches Wort über ihn zu verlieren.
Hitler in islamischer Welt kein Feindbild
Ednan Aslan, Professor für Islamische Religionspädagogik an der Uni Wien, erklärt die ungebrochene Verehrung für al-Husseini damit, dass „eine Beziehung zu Hitler in der islamischen Welt nicht unbedingt eine Schande, sondern ein lobenswertes Verhalten ist“. Hitler werde in der islamischen Welt nicht als Feind, sondern als Freund der Muslime wahrgenommen.
Sakralisierte Politik verhindert Kritik
Auch der Islamismus-Expertin Nina Scholz ist eine kritische Beschäftigung mit der Rolle al-Husseinis nicht bekannt. Die Wiener Politologin verweist auf das Fehlen einer „sich um Objektivität bemühenden Geschichtswissenschaft, die nüchtern auch die dunklen Seiten in den Blick nimmt und nicht nur glorifiziert und sich infantilisierend moralisch ins Recht setzt“. Wer etwa die islamische Geschichte der Sklaverei oder die Folgen der Eroberungen für die Opfer derselben kritisch anspricht, gelte bereits als Nestbeschmutzer und Verräter. Die wenigen, die den Mut aufbringen, gegen den Mainstream zu schwimmen, erlitten nicht selten Repressionen. Scholz: „Das hängt ganz wesentlich mit der Sakralisierung von Politik im islamischen Konzept zusammen, wodurch Kritik sehr schnell als Angriff auf den Islam angesehen wird.“
IGGÖ: Muslimischer Beitrag zum Holocaust kein Thema
Dieser Sakralisierung scheint auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) zu frönen. Seit Anfang April versuchte das VOLKSBLATT mehrfach vom Leiter des IGGÖ-Bildungsamtes, Binur Mustafi, sowie von der IGGÖ-Pressestelle Antworten auf diese Fragen zu erhalten:
Ist in den Lehrplänen für den Islamischen Religionsunterricht die Behandlung des Themas Holocaust explizit vorgesehen?
Wenn ja: Wird dabei auch eine muslimische/arabische Beteiligung an der Verfolgung/Vernichtung von Juden thematisiert?
Wenn nein: Halten Sie angesichts der deutlich gestiegenen Zahl von Schüler/innen muslimischen Glaubens und angesichts des vorhandenen muslimischen Antisemitismus eine Behandlung dieses Themas im Unterricht für geboten?
Die IGGÖ ließ die wiederholt übermittelten Anfragen unbeantwortet und teilte auf diese Weise nonverbal mit, dass sie nicht als Teil des gesellschaftlichen Konsenses im Hinblick auf die Aufarbeitung des Nationalsozialismus zu betrachten ist. IGGÖ-Präsident Ümit Vural hat zwar vor einem Jahr medienwirksam das KZ-Auschwitz besucht, will aber offenbar nicht darüber reden, dass dort Tausende jüdische Kinder sterben mussten, weil sein Glaubensbruder al-Husseini in ihnen Keimzellen des zu verhindernden Staates Israel sah.
Pro-Palästina-Demonstranten sollte das zu denken geben, wenn sie sich wieder eine Kefija über den Kopf oder um den Hals schlingen. Sie tragen kein harmloses Symbol der Solidarität mit den Menschen in Gaza, sondern ein Symbol des Terrors, der die Palästinenser in Verderben geführt hat.
Analyse von Manfred Maurer