„EU-Ägypten-Deal“ soll Migrantenströme nach Europa eindämmen

„EU-Ägypten-Deal“: Internationale Politikerriege in Kairo © APA/BKA/FLORIAN SCHRÖTTER

Die Europäische Union hat am Sonntag ein Finanzierungspaket in Höhe von 7,4 Mrd. Euro für Ägypten eine Verbesserung des Verhältnisses zu dem nordafrikanischen Land angekündigt. Damit sollen nicht zuletzt die Migrantenströme nach Europa eingedämmt werden. Das Abkommen für eine „strategischen Partnerschaft“ wurde bei einem Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit mehreren Regierungschefs, darunter Karl Nehammer (ÖVP), in der ägyptischen Hauptstadt fixiert.

„Der EU-Ägypten-Deal“ – es waren mit Zyperns Präsident Staatspräsident Nikos Christodoulidis, Italiens Regierungschefin, Giorgia Meloni, sowie den Amtskollegen Kyriakos Mitsotakis (Griechenland) und Alexander De Croo (EU-Vorsitzland Belgien) weitere Vertreter des rechtskonservativen Politlagers zu einem Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten Fattah al-Sisi nach Kairo gereist – soll die Zusammenarbeit in Bereichen wie erneuerbare Energien, Grüne Technologien, Handel und Sicherheit fördern und gleichzeitig in den nächsten drei Jahren Zuschüsse, Darlehen und andere Finanzmittel bereitstellen, um Ägyptens schwächelnde Wirtschaft zu unterstützen.

Von der Leyen sprach nach der Unterzeichnung des Abkommens von einem „Meilenstein“ in den Beziehungen und hob Ägyptens strategische Rolle inmitten einer sehr schwierigen Nachbarschaft hervor. Al-Sisi nannte den Deal einen „beträchtlichen Schritt vorwärts“ in den gemeinsamen Beziehungen. Um den Nahost-Konflikt einzudämmen, müsste Palästina als vollwertiges Mitglied in den Vereinten Nationen vertreten sein. Aktuell gilt nur ein Beobachterstatus.

Alle anwesenden Staats- und Regierungschefs waren sich einig, dass im Gaza-Krieg ein baldiger Waffenstillstand das Ziel sein müsse, um eine weitere humanitäre Katastrophe zu vermeiden. „Es droht eine Hungersnot“, sagte von der Leyen, „das dürfen wir nicht zulassen.“ Ein israelischer Angriff auf Rafah wäre in diesem Zusammenhang fatal. Doch müssten auch alle israelischen Geiseln von der islamistischen Hamas freigelassen werden.

Die ökonomische Lage Ägyptens droht sich aufgrund der Konflikte in der Ukraine (gestiegene Getreidepreise), im Sudan und im Gazastreifen zu verschlechtern, wodurch wiederum die Migrationszahlen nach Europa steigen könnten. In dem Finanzpaket enthalten sind Zuschüsse für bilaterale (400 Millionen) und migrationsspezifische Projekte (200 Millionen) wie der Betreuung von Drittstaatsangehörigen oder dem Grenzschutz. Fünf Milliarden werden in Tranchen als Makrofinanzhilfe in Darlehen ausbezahlt, 1,8 Milliarden für Investments zur Verfügung gestellt.

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Allein in Ägypten leben laut Schätzungen um die sechs bis sieben Millionen innerafrikanische Flüchtlinge (vor allem aus dem Sudan, Äthiopien und Eritrea), offiziell liegen die Zahlen allerdings weit darunter. Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) hat knapp 500.000 Personen mit anerkanntem Flüchtlingsstatus registriert. Zuletzt war auch die Zahl der Migranten, die von Libyen aus nach Griechenland und damit in die EU übersetzen wollen, im Steigen begriffen.

Das Abkommen diene auch dazu, „die geordnete Zuwanderung in den Arbeitsmarkt“ zu regeln, erklärte Bundeskanzler Nehammer (ÖVP). „Ägypten ist hier zu vielen Kooperationen bereit und vor allem auch ein sehr interessanter Markt für österreichische Firmen“, resümierte er. Gleichzeitig müsse aber die Basis geschaffen werden, um jene Ägypter und andere Migranten, „die nicht in Österreich bleiben dürfen“, durch ein bilaterales Rückführungsabkommen schneller „zurückzubringen“.

Ägypten habe ein enormes Bevölkerungswachstum, führte der Kanzler weiter aus. Im 110-Millionen-Einwohnerstaat käme jedes Jahr eine weitere Million Menschen dazu. Dies bedeute aber eine „unfassbare“ Belastung für die Infrastruktur. „Daher ist es durchaus im ägyptischen Interesse, dass Fachkräfte geordnet auf den europäischen Arbeitsmarkt kommen können.“ Dort wiederum würden sie wegen der gegensätzlichen demografischen Entwicklung auch gebraucht.

Prinzipiell hielt Nehammer zudem fest, das Abkommen sei „ein wichtiger Schritt, aber wir dürfen uns deshalb nicht ausruhen“. Im Gegenteil: „Im Kampf gegen illegale Migration müssen wir in der EU alle Hebel in Bewegung setzen, Tabus brechen und neue Wege gehen. Das Ziel muss sein, dass wir Asylverfahren in sicheren Drittstaaten durchführen und auch Abschiebungen in sichere Drittstaaten durchführen können.“

Wichtig sei ein Übereinkommen „auf Augenhöhe“, schließlich sei Ägypten ein Schlüsselpartner ebenso in wirtschaftlichen wie sicherheitspolitischen Fragen, postulierte Nehammer. Durch die am Sonntag geschlossene Vereinbarung sei aber ein neues Level der Beziehungen erreicht worden. „Wir sehen viel Potenzial für Kooperation.“Zunächst brauche es aber einmal das Vertrauen in das klare Bekenntnis, „dass wir in die ägyptische Wirtschaft investieren wollen, weil wir an die Menschen in Ägypten glauben.“ Generell sei die Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern auch vor dem Hintergrund des Wettbewerbs mit China oder den USA, aber zunehmend auch Lateinamerika, wichtig.

Die EU will Ägypten auch in Fragen wie „Demokratie“ oder „Menschenrechte“ zur Seite stehen. Der Bundeskanzler erklärte dazu: „Die Menschenrechte sind für jeden europäischen Politiker ein zentrales Thema, weil sie ja unsere Identität und auch unsere DNA sind.“ Um Menschenrechte weiterzuentwickeln, müssten aber auch das Vertrauen und die Rahmenbedingungen geschaffen werden, „dass das auch tatsächlich möglich ist“.

Kritik an dem Deal kam von der FPÖ. „Offenbar handelt es sich wie zuvor bei der Türkei und Tunesien um einen Marketing-Gag als Beruhigungspille vor der EU-Wahl“, teilte der FPÖ-Europaabgeordnete Harald Vilimsky am Sonntag in einer Aussendung mit. „Unter dem Motto ,Am Abend wird der Faule fleißig ́ versucht man jetzt, einen drohenden Mega-Wahlverlust zu verhindern, obwohl jedem klar ist, dass bisher keine einzige Maßnahme der EU zu einer Lösung des illegalen Migrationsproblems geführt hat. Und so wird es auch diesmal sein.“

Der SPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder bemängelte: „Alleine Fotos von dieser Reise zu posten, wird keine Lösung in der Migrationsfrage bringen.“ Auch hier sehe man eindeutig, dass die Konservativen und Rechten nicht an echten Lösungen für die Menschen in Europa interessiert seien, so Schieder in einer Aussendung. Lob zollte indes die Europäische Volkspartei (EVP). Manfred Weber, EVP-Parteichef und Fraktionschef im Europaparlament, teilte mit: „Die heutige Einigung beweist einmal mehr: Unter der Führung der EVP lösen wir die wichtigen Herausforderungen.“

Ähnliche Deals hatte die EU bereits mit Mauretanien, der Türkei und Tunesien geschlossen. Diese waren aber auch auf Kritik gestoßen. Auch die Vereinbarung mit Ägypten wird von NGO-Vertretern und Migrationsexperten mit Argwohn betrachtet. Flüchtlingsorganisationen sehen den Schutz der Menschenrechte nicht gewahrt. Migranten würden bei ihrer Flucht in Folge bloß auf „gefährlichere Routen“ ausweichen.

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