EU gibt Erlöse aus Russland-Geldern für Ukraine frei

Die EU gibt erstmals Zinserträge aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen für die Verteidigung und den Wiederaufbau der Ukraine frei. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte eine Überweisung in Höhe von 1,5 Milliarden Euro an. Russland wird nach Angaben aus dem Kreml auf die Weitergabe der Erlöse seines in der EU eingefrorenen Vermögens an die Ukraine reagieren. Russland werde seine nächsten Schritte überdenken, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

„Aber natürlich werden solche Schritte der Europäischen Kommission nicht ohne Antwort bleiben“, so Peskow weiter. „Es gibt kein besseres Symbol oder keinen besseren Verwendungszweck für das Geld des Kremls, als die Ukraine und ganz Europa zu einem sichereren Ort zum Leben zu machen“, schrieb von der Leyen am Freitag im Sozialen Netzwerk X.

Das Geld, um das es jetzt geht, sind Zinserträge aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank in der EU. Diese für die Ukraine zu nutzen, war bereits im Frühjahr von der EU grundsätzlich beschlossen worden. Das Geld fließt nun an Länder wie Deutschland oder Tschechien, die der Ukraine dann damit zeitnah Ausrüstung für die Luftverteidigung oder Artilleriegeschoße zur Verfügung stellen. Nach Kommissionsangaben sind rund 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank in der EU eingefroren. Das in Brüssel ansässige Finanzinstitut Euroclear hatte zuletzt mitgeteilt, 2023 rund 4,4 Milliarden Euro an Zinsen eingenommen zu haben.

Den Vorschlag zur indirekten Verwendung russischer Gelder für die Ukraine hatten Kommissionschefin von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell den Regierungen der EU-Staaten im März gemacht. Er sieht vor, dass 90 Prozent der nutzbaren Zinserträge aus der Verwahrung russischer Zentralbank-Gelder in den EU-Fonds für die Finanzierung militärischer Ausrüstung und Ausbildung geleitet werden sollen. Die restlichen zehn Prozent sollen für direkte Finanzhilfen für die Ukraine genutzt werden.

Die russischen Zentralbank-Gelder durch einen Enteignungsbeschluss direkt zu nutzen, ist bisher nicht geplant. Als ein Grund dafür gelten rechtliche Bedenken und wahrscheinliche Vergeltungsmaßnahmen. Moskau hatte die EU bereits im vergangenen Jahr davor gewarnt, das Eigentum des russischen Staates oder russischer Bürger zu konfiszieren. Denkbar wäre es beispielsweise, dass dann auch in Russland tätige Unternehmen aus EU-Ländern zwangsenteignet werden. Zudem könnte eine direkte Nutzung der russischen Vermögenswerte auch dazu führen, dass andere Staaten und Anleger das Vertrauen in den europäischen Finanzplatz verlieren und Vermögen aus der EU abziehen.

Der Kreml hat EU-Pläne zur Nutzung von Zinserträgen aus eingefrorenem russischen Vermögen zugunsten der Ukraine bereits im Mai als „Enteignung“ kritisiert. Brüssel habe sich zwar für eine „gekürzte Variante“ in seinem Vorgehen gegen Russland entschieden, indem es nur die Zinsen ins Auge fasse, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow damals. „Aber auch diese gekürzte Variante ist nichts anderes als eine Enteignung“, fügte er hinzu.

Deutliche Kritik an dem Schritt kommt von der FPÖ, die Überweisungen an die Ukraine ab die Bedingung knüpfen will, dass sie russisches Gas auch weiterhin ungehindert nach Europa durchfließen lässt. „Geld darf es nur geben, wenn sichergestellt wird, dass die Energieversorgung durch die Ukraine ohne Wenn und Aber gewährleistet wird“, forderte die freiheitliche EU-Abgeordnete Petra Steger in einer Aussendung. „Davon unabhängig muss es aber durch die EU endlich ernsthafte Friedensinitiativen geben, damit das Sterben endlich beendet wird.“

Unterstützung für den Schritt gibt es von der SPÖ und den NEOS. „Russland zerbombt kontinuierlich ukrainische Krankenhäuser, Wohnraum und Infrastruktur, das Geld für den Wiederaufbau wird daher mehr als dringend gebraucht“, sagte der SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Andreas Schieder. „Der russische Angriffskrieg entwickelt sich immer mehr zu einem Abnutzungskrieg, unsere andauernde Unterstützung für die Ukraine ist aus diesem Grund auch nach mehr als zwei Jahren unentbehrlich.“

Die NEOS wollen noch einen Schritt weiter gehen. „Jetzt gilt es zu prüfen, wie wir auf der Grundlage der Rechtsstaatlichkeit nicht nur die Zinserträge, sondern das gesamte russische Kapital effektiv einsetzen können“, meinte ihr EU-Mandatar Helmut Brandstätter in einer Aussendung und fordert weiter: „Alle eingefrorenen russischen Vermögen in Österreich müssen dazu genutzt werden, österreichische Unternehmen zu entschädigen, die durch unrechtmäßige Eingriffe in Russland wirtschaftlichen Schaden erlitten haben.“

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