
Die EU-Staaten wollen der Ukraine in den kommenden zwölf Monaten eine Million neue Artilleriegeschosse für den Kampf gegen Russland liefern. Um die Kosten gerecht zu verteilen, werden den Planungen zufolge rund zwei Milliarden Euro an EU-Mitteln mobilisiert, wie mehrere Diplomaten am Montag am Rande eines Treffens der EU-Außenminister in Brüssel bestätigten.
Die Munition werde binnen zwölf Monaten geliefert, sagte der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur am Rande der Beratungen. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, sagt Pevkur. Das Geld soll aus der sogenannten Friedensfazilität kommen. Bei ihr handelt es sich um ein Finanzierungsinstrument, über das die EU bereits heute Waffen und Ausrüstung liefert sowie die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte fördert.
Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius will bei der Versorgung der Ukraine mit Munition Tempo machen. „Wir müssen auch schnell handeln“, sagte er. „Ziel muss sein, das hat absolute Priorität aus meiner Sicht, dass noch in diesem Jahr eine nennenswerte Zahl von entsprechender Munition in die Ukraine geliefert wird.“ Dazu müsse Europa seine Marktmacht bündeln. „Das ist Neuland,“ betonte der Minister. Deutschland sei dabei, seine nationalen Rahmenverträge mit der Rüstungsindustrie deshalb für Partner zu öffnen. Dänemark und die Niederlande hätten bereits ihr Interesse bekundet.
Hintergrund der neuen Pläne sind Sorgen, dass der Ukraine in der nächsten Zeit wichtige Munition fehlen könnte. Dabei geht es insbesondere um Artilleriegeschosse im Kaliber 155 mm. Die EU-Kommission und der Außenbeauftragte Josep Borrell hatten deshalb kürzlich einen Plan vorgelegt, wie mögliche Lieferungen beschleunigt werden könnten.
Von den zwei Milliarden Euro soll eine Milliarde für Rückerstattungen an jene Mitgliedstaaten genutzt werden, die zügig aus ihren eigenen Beständen an das von Russland angegriffene Land liefern. Die zweite Milliarde soll gemeinsame Beschaffungsprojekte voranbringen. Die Idee ist, dass durch Sammelbestellungen Preise gedrückt und Bestellungen beschleunigt werden.
Anders als zunächst vorgesehen sollen nicht bis zu 90 Prozent der Kosten für die Munition aus EU-Mitteln übernommen werden. Dagegen hatte es von mehrere Ländern Widerstand gegeben, weil die Quote bisher deutlich niedriger lag.
Die ÖVP-Regierungsmitglieder Alexander Schallenberg (Äußeres) und Klaudia Tanner (Verteidigung) vertreten Österreich bei der Sitzung. Die Bundesregierung will über eine gemeinsame Beschaffung von Munition auf EU-Ebene die eigenen Lagerbestände auffüllen.
„Natürlich müssen Mitgliedsstaaten schauen, dass ihre eigenen Bestände weiterhin ausreichend gefüllt sind“, sagte Schallenberg am Montag vor dem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen. Durch die gemeinsame Beschaffung hoffe man auf Synergieeffekte und Verbilligungen, da würde sich Österreich gerne beteiligen.
„Wir haben am 24. Februar (2022, Anm.) erlebt, dass die Situation sich ändern kann, dass die Welt weit gefährlicher und weit konfrontativer werden kann“, so Schallenberg im Hinblick auf den Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vor rund einem Jahr. „Das Wunschdenken, dass man mit leeren Kasernen, leeren Munitionsbeständen in dieser Welt bestehen kann, hat sich als falsch erwiesen“, ergänzte er.
Österreich als neutrales Land wird keine Munition an die Ukraine liefern, sondern eben seine eigenen Bestände füllen. Nach APA-Informationen handelt es sich um Artilleriegeschosse im Kaliber 155 mm, wie sie auch die Ukraine braucht.
Details zu der Bestellung wollte Tanner noch nicht nennen. „Das wird sich dann zeigen“, sagte Tanner vor einem EU-Treffen am Nachmittag in Brüssel. Dass durch die Munitionsbestellung Österreichs Nachteile für die Ukraine entstehen, sieht die ÖVP-Ministerin nicht. „Nein, überhaupt nicht, man darf nicht übersehen, dass wir im eigenen Land auch Notwendigkeiten haben“, sagte sie auf eine entsprechende Frage.
Die russischen Streitkräfte feuern nach Zahlen aus einem Hintergrundpapier der Regierung Estlands durchschnittlich zwischen 600.000 und 1,8 Millionen Schuss Artilleriemunition pro Monat ab, die Ukraine hingegen nur 60.000 bis 210.000 Schuss. Die aktuelle Produktionskapazität der europäischen Verteidigungsindustrie liegt den Angaben zufolge derzeit bei 20.000 bis 25.000 Schuss pro Monat. Möglich wäre eine Ausweitung auf 175.000 Schuss.
Wegen der brutalen Niederschlagung von regierungskritischen Protesten im Iran hat die EU auch Sanktionen gegen weitere Verantwortliche verhängt. Darunter sind nach einem Beschluss der Außenminister der Mitgliedstaaten vom Montag mehrere Geistliche und Richter sowie der Oberste Rat der Kulturrevolution. Letzterer hat nach EU-Angaben verschiedene Projekte gefördert, „mit denen die Freiheit von Mädchen und Frauen durch die Festlegung von Beschränkungen in Bezug auf ihre Kleidung und Bildung untergraben wurde“. Der Rat ist nach Angaben aus dem EU-Amtsblatt für die Vorbereitung und Ausformulierung von politischen Plänen in den Bereichen Wissenschaft, Bildung, Religion und Forschung zuständig. Er soll mit seinen Beschlüssen auch Minderheiten wie die Bahai-Religionsgruppe diskriminiert haben.
Wegen der Verletzung von Menschenrechten hat die EU bereits zahlreiche Vertreter der Regierung, des Parlaments, der Justiz und des Militärs auf ihre Sanktionsliste gesetzt. Die Strafmaßnahmen sehen vor, mögliche Vermögenswerte in der EU einzufrieren. Zudem wurden Einreiseverbote verhängt. Die Protestwelle hatte im Herbst nach dem Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini begonnen. Die junge Frau starb am 16. September im Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war. Nach Schätzungen von Menschenrechtlern wurden seither mehr als 500 Menschen getötet.