Artikel-7-Verfahren gegen Polen soll eingestellt werden

Europaministerin Edtstadler nimmt an den Beratungen in Brüssel teil © APA/GEORG HOCHMUTH

Fast alle Europaministerinnen und -minister der EU haben am Dienstag in Brüssel keine Einwände gegen die geplante Einstellung des Verfahrens gegen Polen wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit erhoben: Kommissions-Vizepräsidentin Věra Jourová kündigte daraufhin an, bis Ende Mai die Einstellung des Verfahrens ihren Kommissionskollegen vorschlagen zu wollen. Das bedeute aber nicht, dass Polen gar nicht mehr überwacht werde, betonte sie vor Journalisten.

Als Beispiel nannte sie den jährlichen Bericht zur Rechtsstaatlichkeit der EU-Kommission. Eine „eindeutige Verletzung der Rechtsstaatlichkeit ist für Polen nicht mehr der Fall“, begründete sie ihre Einschätzung. Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) erklärte vor dem Ratstreffen in Brüssel ihre Unterstützung:“ Wenn man ein effektives Artikel-7-Verfahren habe möchte, geht es darum es einzuleiten, wenn es Probleme gibt, aber auch es wieder aufzuheben, wenn Fortschritte sichtbar sind.„ Diese seien im Falle Polens “sichtbar“: Ihre polnischen Amtskollegen hätten bereits zwei Mal im Rat (zuletzt im Februar, Anm.) darüber berichtet. Als Beispiel nannte sie den Beitritt des Landes zur europäischen Staatsanwaltschaft.

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Die Europäische Kommission gab Anfang Mai bekannt, ihre Überprüfung im Rahmen des gegen Polen eingeleiteten Artikel-7-Verfahren wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit abgeschlossen zu haben. Jourová betonte am Dienstag, „viele Dinge haben sich in Polen geändert“. Sie lobte den von den polnischen Ministern vorgelegten Aktionsplan: Natürlich würden „einige Maßnahmen schneller, andere langsamer“ funktionieren. Einwände gegen die Entscheidung waren von Ungarn aufgebracht worden. Ungarn ist das einzige EU-Land, gegen das neben Polen ein Artikel-7-Verfahren anhängig ist.

Ungarns EU-Minister János Bókaan hatte Jourová in einem Brief vor dem Rat geschrieben, dass Polen seine Justizreformen noch nicht abgeschlossen habe. Er soll der Kommission vorgeworfen haben, eine politische Entscheidung getroffen zu haben. Die EU-Kommissarin bezeichnete dies am Dienstag als „legitim, Ungarn ist Teil der Diskussion“. Dass die Kommission bereits eingefrorene Gelder an Polen freigegeben habe, sei nach Erfüllung der Bedingungen erfolgt, und sie „hat dasselbe für Ungarn getan“.

Auch Frankreich unterstütze das Ende des Verfahrens gegen Polen, so Europa-Staatssekretär Jean-Noël Barrot: „Das polnische Volk hat eine klare Entscheidung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit getroffen.“ Er betonte auch die „Entschlossenheit im Kampf gegen Desinformation“ und die Notwendigkeit eines „demokratischen Schutzschildes für Europa“. Seine deutsche Amtskollegin Anna Lührmann appellierte für einen stärkeren Einsatz der EU gegen ausländische Einflussnahme und Desinformation.

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Deutschland und Frankreich haben zusammen mit Polen und fünf weiteren Staaten dazu eine Erklärung mit 20 konkreten Maßnahmen vorgelegt. Sie zeige, wie die EU stärker gegen Angriffe auf die Demokratie von innen und außen und gegen ausländische Einflussnahme sowie Desinformation vorgehen solle, so Lührmann vor dem Treffen in Brüssel. Die Europaministerinnen und -minister werden auch die Einigung der EU-Botschafter zur Nutzung der Erträge der eingefrorenen russischen Vermögenswerte für die Verteidigung der Ukraine formell absegnen.

Zum Antrag auf Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu erklärte Edtstadler, sie erkenne die Unabhängigkeit des Gerichtshofs an und habe volles Vertrauen in die Richter. Es sei aber „sehr eigentümlich, wenn hier in einem Atemzug der Premierminister eines demokratischen Staates genannt wird mit Hamas-Terroristen, die ein Massaker verursacht haben das seinesgleichen sucht in der Geschichte“. IStGH-Chefankläger Karin Ahmad Khan hatte am Montag wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und mutmaßlicher Kriegsverbrechen Haftbefehle gegen Netanyahu und seinen Verteidigungsminister Yoav Gallant sowie gegen die Anführer der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas beantragt.

Weiters beschäftigen sich die Ministerinnen und Minister mit den Vorbereitungen für den EU-Gipfel Ende Juni. Die Themen Unterstützung für die Ukraine, die Verteidigungsfähigkeit Europas sowie die Erweiterung stehen ganz oben auf der derzeitigen Agenda. Heute Dienstag wird aber auch das am 17. Juni stattfindende informelle Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs und – chefinnen diskutiert werden: Hier wird es eine Woche nach den Europawahlen um die Besetzung der EU-Tobjobs wie jenen des Kommissionspräsidenten/der Kommissionspräsidentin gehen.

Edtstadler betonte, Österreich sei es „wichtig, dass das Thema Migration auf der Tagesordnung des Gipfels bleibt“. Dies sei erreicht worden. Der Asyl- und Migrationspaket sei „geschafft, nun geht es um die Umsetzung“. Zur Ankündigung der Niederlande und Ungarns, sich nicht an der Umsetzung beteiligen zu wollen, sagte Edtstadler es sei „leicht, hier laut zu tönen, aber es ist die Essenz der EU, sich an Beschlüsse zu halten“. Es gebe auch „Rechtsinstrumentarien, die Staaten zu verpflichten, Stichwort Vertragsverletzungsverfahren“.

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