Zwei Wochen nach seiner Ernennung hat Frankreichs neuer Premierminister Michel Barnier die schwierige Regierungsbildung abgeschlossen. Am Donnerstagabend legte er die Zusammensetzung des künftigen Kabinetts Präsident Emmanuel Macron vor, teilte die Regierung in Paris mit. Vorangegangen waren Beratungen Barniers mit führenden Vertretern der Parteien aus dem Mitte-Lager und der Konservativen, auf deren Unterstützung er für die künftige Regierung setzt.
Bei dem Treffen, an dem auch Barniers Amtsvorgänger Gabriel Attal teilnahm, sei die Architektur und die Ausgewogenheit der künftigen Regierung vorgestellt worden, hieß es von der Regierung. Erste Namen wurden am Donnerstagabend bereits bekannt. Außenminister soll der bisherige beigeordnete Europaminister Jean-Noël Barrot werden, der in seiner bisherigen Funktion auch für die deutsch-französischen Beziehungen zuständig war, wie es aus Kreisen des bisherigen Regierungslagers hieß. Verteidigungsminister Sébastien Lecornu bleibe im Amt.
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Der konservative Politiker Bruno Retailleau, bisher Fraktionschef der Republikaner im Senat, soll nach übereinstimmenden Informationen der neue Innenminister werden. Er würde damit Gérald Darmanin ablösen. Dieser hatte Interesse am Außenministerium geäußert, wird aber möglicherweise die Regierung verlassen.
Barnier traf nach „letzten Beratungen“ mit Vertretern verschiedener Parteien am Abend mit Präsident Emmanuel Macron zusammen. Es wurde damit gerechnet, dass der Elysée die Regierungsmannschaft am Freitag bekannt gibt. Möglicherweise werden auch nur die wichtigsten Ministerinnen und Minister benannt. Die zweitrangigen Kabinettsposten könnten erst später besetzt werden.
Angesichts der schwierigen Mehrheitsverhältnisse und der Skepsis bei den Linken und Teilen des Präsidentenlagers gegenüber dem konservativen Premierminister hatte die Regierungsbildung sich hingezogen. Mehrere linke Politiker haben nach eigenen Aussagen Regierungsposten angeboten bekommen und abgelehnt, weil sie mit Barniers Ernennung nicht einverstanden sind.
Barnier habe bei den Beratungen auch die Grundlinien seiner künftigen Politik dargelegt, teilte das Premierministeramt mit. Dabei gehe es um eine Verbesserung des Lebensstandards der Franzosen und des Funktionierens der öffentlichen Dienste, insbesondere der Schulen und des Gesundheitswesens. Ein weiterer Schwerpunkt sei mehr innere Sicherheit, eine Kontrolle der Einwanderung und die Förderung der Integration. Außerdem sollten Unternehmen und Landwirte sowie die wirtschaftliche Attraktivität Frankreichs gefördert werden. Zudem müssten die öffentlichen Finanzen saniert und die Umweltpolitik gestärkt werden.
Wie unter anderem die Zeitung „Libération“ und der Sender BFMTV berichteten, sollen von den 16 Ministerinnen und Ministern der künftigen Regierung sieben aus Macrons Mitte-Lager stammen, drei von den konservativen Republikanern, einer von einer linken und einer von einer rechten Partei und die übrigen von Parteien der Mitte.
Möglicherweise wird Barnier je nach Regierungsvorhaben auf die Unterstützung unterschiedlicher Partner setzen müssen und auch auf die Duldung durch das rechtsnationale Rassemblement National von Marine Le Pen angewiesen sein. Ob Barnier und die neue Regierung lange im Amt bleiben, ist unsicher. Sowohl von links als auch von rechts könnte schon kurzfristig ein Misstrauensvotum drohen. Eine Regierungserklärung von Barnier ist nach Medienberichten am 1. Oktober geplant.
Die politische Lage in Frankreich war angespannt, seitdem bei der vorgezogenen Parlamentswahl vor gut zwei Monaten keines der politischen Lager eine absolute Mehrheit erhielt. Weder dem siegreichen Linksbündnis noch den anderen Parteien gelang es, eine regierungsfähige Koalition auf die Beine zu stellen. Dass Macron mit dem konservativen ehemaligen EU-Kommissar Barnier (73) einen Premierminister eines Lagers ernannte, das bei der Wahl nur schwach abschnitt, sorgte über das Linksbündnis hinaus für Missmut in Frankreich.