Israel schickt mehr Soldaten in Gegend von Rafah

Das israelische Militär schickt nach den Worten von Verteidigungsminister Yoav Gallant mehr Soldaten in die Gegend von Rafah im Süden des Gazastreifens, die den Einsatz am Boden verstärken sollen. Dort sei eine Reihe von Tunneln zerstört worden, die von der militanten Palästinenser-Organisation Hamas genutzt worden seien, erklärte Gallant am Donnerstag. Weitere Tunnel würden in Kürze von israelischen Einheiten zerstört.

„Diese Aktivitäten werden sich verstärken – die Hamas ist keine Organisation, die sich neu organisieren kann, sie hat keine Reservetruppen, sie hat keine Versorgungsreserven und ist nicht in der Lage, die Terroristen zu behandeln, die wir ins Visier nehmen. Das Ergebnis ist, dass wir die Hamas zermürben“, fügte der Minister hinzu.

Die Europäische Union hat Israel am gestrigen Mittwoch aufgefordert, den Militäreinsatz in Rafah „unverzüglich“ zu beenden. Sollte Israel den Einsatz fortsetzen, würde dies die Beziehungen der EU zu Israel stark belasten, hieß es am in Brüssel in einer Mitteilung. Auch Israels wichtigster Verbündeter, die USA, sieht den Einsatz nun auch in Rafah, ganz im Süden des Gazastreifens kritisch. Die israelische Regierung unter Premier Benjamin Netanyahu hält offensichtlich nichtsdestotrotz an ihren Kriegsplänen fest.

Nach UNO-Angaben sind bereits rund 600.000 Menschen wieder aus Rafah geflohen. Israel war vor zehn Tagen trotz scharfer internationaler Warnungen von Osten nach Rafah vorgerückt. Seitdem kontrolliert die Armee auch den palästinensischen Teil des Gaza-Grenzübergangs nach Ägypten. Der wichtige Grenzübergang ist seither für humanitäre Hilfsgüter gesperrt. Israel und Ägypten machen sich gegenseitig dafür verantwortlich.

Das US-Militär hat unterdessen einen provisorischen Hafen zur Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen fertiggestellt. Der Pier sei am Donnerstag in der Früh an der Küste verankert worden, teilte das US-Zentralkommando auf X mit und betonte, US-Soldaten hätten den Küstenstreifen dabei nicht betreten. Mit Unterstützung der Vereinten Nationen sollen in den nächsten Tagen die ersten Hilfslieferungen über die Anlegestelle an Land kommen und im Gazastreifen verteilt werden.

Der Behelfshafen soll als Drehscheibe für die Lieferung von Hilfsgütern dienen. Dort gab es bisher keinen Hafen, der tief genug für größere Frachtschiffe ist. Nach früheren Pentagon-Angaben sollen über den schwimmenden Pier zunächst etwa 90 Lkw-Ladungen pro Tag in den Gazastreifen gelangen. Zu einem späteren Zeitpunkt erwarte man bis zu 150 Lkw-Ladungen täglich. Die Grenzübergänge in den Gazastreifen am Land sind durch Israels Krieg gegen die militante Palästinenser-Organisation Hamas immer wieder blockiert.

Am Donnerstag haben nach Angaben des israelischen Militärs insgesamt 365 Lastwagen mit Hilfsgütern die Grenzübergänge Kerem Shalom und Erez West passiert, um humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu bringen. Darunter waren unter anderem 38 Lastwagen mit Mehl für die Bäckereien des Welternährungsprogramms (WFP) im Gazastreifen, berichtete ein Militärsprecher. Bereits am Mittwoch seien 76.000 Liter Treibstoff für die Generatoren dieser Bäckereien geliefert worden.

Der Militäreinsatz in Rafah allerdings macht dem UNO-Hilfskoordinator Martin Griffiths zufolge die Planung und Verteilung von Hilfen fast unmöglich. Der humanitäre Einsatz „steckt fest, er steckt völlig fest“, sagte Griffiths am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters in Genf. „Wir können nicht tun, was wir tun wollen.“ Auch die Planung sei unmöglich geworden. Die bereits vorhandenen Vorräte im Süden des Gazastreifens gingen zur Neige, vermutlich sei fast nichts mehr übrig. Am UNO-Hauptsitz in New York sagte unterdessen ein Sprecher, die Vorbereitungen für Hilfslieferungen über eine neue Anlegestelle befänden sich in den letzten Zügen. Allerdings seien Lieferungen über den Landweg am Effektivsten. „Wir brauchen jetzt Zugang über Land.“

Die UNO hat immer wieder die katastrophale Lage der Zivilbevölkerung im Gazastreifen beklagt. Israel unternimmt ungeachtet der Kritik auch seiner Verbündeten einen Vorstoß auf Rafah, wo sich Hunderttausende Geflüchtete aus anderen Teilen des Palästinenser-Gebietes aufhielten. Dort will sie nach eigenen Angaben verbliebene Bataillone der radikal-islamischen Hamas ausschalten.

Nach dem türkischen Handelsstopp kündigte Israels Finanzminister Bezalel Smotrich wirtschaftliche Vergeltungsmaßnahmen an. Er werde dem Kabinett einen Plan vorlegen, um das Freihandelsabkommen der beiden Staaten zu kündigen, sagte er. Zudem sollten andere Importe aus der Türkei mit Zöllen von 100 Prozent belegt werden. Eine Stellungnahme der Regierung in Ankara lag zunächst nicht vor. Die Türkei hatte Anfang Mai einen Handelsstopp angekündigt. Der gegenseitige Warenaustausch summierte sich 2023 auf knapp sieben Milliarden Dollar.

Unterdessen haben die Houthi-Rebellen im Jemen erklärt, sie würden künftig alle Schiffe angreifen, die israelische Häfen zum Ziel hätten. Das gelte nicht mehr nur für Schiffe in der Region des Roten Meeres, sagte der Houthi-Anführer Abdul Malik al-Houthi in einer im Fernsehen übertragenen Rede. Die Houthi hatten bereits angedroht, ihre Angriffe auch auf das Mittelmeer auszudehnen. In früheren Erklärungen hatten sie erklärt, dies geschehe aus Solidarität mit den Palästinensern im Gazastreifen.

Al-Houthi forderte zudem China, Russland sowie asiatische und europäische Länder auf, keine Waren in israelische Häfen zu transportieren. Schon zuvor hatte die vom Iran unterstützte Gruppe erklärt, ihre Hauptziele seien Schiffe, die mit Israel und dessen Verbündeten in Verbindung stünden. Die Houthis greifen seit Monaten Schiffe im Roten Meer an – einer wichtigen Handelsroute zwischen Asien und Europa. Viele Reedereien weichen daher auf längere und teurere Routen rund um das südliche Afrika aus.

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