Hamas: Grenzübergang Kerem Shalom erneut beschossen

Israels Armee bezog Position © APA/AFP/MENAHEM KAHANA

Der bewaffnete Arm der islamistischen Hamas hat nach eigenen Angaben erneut den für die Lieferung von Hilfsgütern wichtigen Grenzübergang Kerem Shalom zwischen Israel und dem Gazastreifen mit Raketen beschossen. Die Raketen seien auf eine „Ansammlung“ israelischer Soldaten abgefeuert worden, erklärten die Qassam-Brigaden am Dienstag. Am Sonntag waren bei einem auch von den Qassam-Brigaden reklamierten Raketenangriff auf Kerem Shalom vier israelische Soldaten getötet worden.

Seitdem ist der Grenzübergang geschlossen. Israels Streitkräfte sind unterdessen in Richtung der Stadt Rafah vorgerückt und haben damit Sorgen vor einer Militäroffensive befeuert. In der Nacht auf Dienstag habe das Militär den Grenzübergang Kerem Shalom beschossen, berichteten palästinensische Medien. Das Militär übernahm dem Armeeradio zufolge außerdem die Kontrolle über die palästinensische Seite des Grenzübergangs Rafah. Am Dienstag soll es in Kairo ein weiteres Treffen von Unterhändlern geben.

Lesen Sie auch

Die Hamas hatte am Montagabend ihre Zustimmung zu einem Verhandlungsvorschlag über eine Waffenruhe erklärt. Aus dem Büro des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanyahu hieß es, der Vorschlag der Hamas sei weit entfernt von dem, was Israel verlange. Bei dem Vermittler-Vorschlag handle es sich nicht mehr um den gleichen, auf den sich Israel und Ägypten vor zehn Tagen geeinigt hätten und der die Grundlage indirekter Verhandlungen gewesen sei, hieß es von israelischer Seite. Es seien „alle möglichen Klauseln“ eingefügt worden, berichtete der Fernsehsender Channel 12.

Ein Hamas-Vertreter hatte erklärt, der vereinbarte Vorschlag sehe eine dreistufige Feuerpause mit dem Ziel eines dauerhaften Waffenstillstands vor. Das israelische Kriegskabinett entschied am Abend, den Militäreinsatz in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens fortzusetzen, um den militärischen Druck auf die Hamas zu erhöhen und die israelischen Kriegsziele durchzusetzen, teilte das Büro von Netanyahu mit.

Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant sprach von einer mehrstufigen Invasion, die gestoppt werden könne, wenn die Hamas sich zu einer vernünftigen Verhandlungslösung zum Austausch der Geiseln bereit erkläre. Die US-Regierung teilte später mit, sie gehe nicht davon aus, dass die lange angekündigte Großoffensive des israelischen Militärs auf Rafah bereits begonnen habe.

Am Dienstag soll es in der ägyptischen Hauptstadt Kairo ein weiteres Treffen von Unterhändlern geben, um eine Waffenruhe, die Freilassung von Geiseln und Häftlingen sowie die ungehinderte Lieferung humanitärer Hilfsgüter in den Gazastreifen zu ermöglichen, wie das Golfemirat Katar in der Nacht mitteilte. Katar, Ägypten und die USA agieren als Vermittler zwischen der Hamas und Israel, die aus Prinzip keine direkten Verhandlungen miteinander führen.

Das Nachrichtenportal „Axios“ berichtete unter Berufung auf israelische Regierungsbeamte, der Einsatz von Panzern und Bodeneinheiten östlich von Rafah sei als erste Phase der Offensive zu verstehen. Die Übernahme des Grenzübergangs Rafah solle nicht nur den Machtverlust der Hamas im Gazastreifen demonstrieren. Anschließend sollten Palästinenser ohne Verbindung zu den Islamisten an der Verteilung von Hilfsgütern beteiligt werden, die aus Ägypten in das abgeschottete Küstengebiet kommen.

UNO-Generalsekretär António Guterres rief die Konfliktparteien auf, alles dafür zu tun, um endlich ein Abkommen zu erreichen. „Eine Bodenoffensive in Rafah wäre nicht hinnehmbar aufgrund der verheerenden humanitären Folgen und wegen der destabilisierenden Folgen für die Region.“ Auch US-Präsident Joe Biden appellierte nach einem Treffen mit dem jordanischen König Abdullah II. in Washington, die Freilassung aller Geiseln, eine dauerhafte Waffenruhe sowie humanitäre Hilfe seien dringend nötig. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, bekräftigte mit Blick auf Rafah, die US-Regierung unterstütze keinen Einsatz, der mehr als eine Million Menschen einem großen Risiko aussetze.

Vertreter der Europäischen Union und der deutschen Bundesregierung äußerten sich am Dienstag besorgt über das Vorrücken der israelischen Armee auf Rafah. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte vor einer hohen Zahl ziviler Opfer unter der palästinensischen Bevölkerung. Belgien brachte Sanktionen gegen Israel ins Gespräch. Der deutsche Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth sagte am Dienstag bei einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Brüssel, Israel müsse „das Völkerrecht auch in dieser Kriegssituation respektieren“.

China rief Israel mit scharfen Worten zur Einstellung seines militärischen Vorgehens in Rafah auf. „China (…) fordert Israel nachdrücklich auf, die zahlreichen Forderungen der internationalen Gemeinschaft zu berücksichtigen, die Angriffe auf Rafah einzustellen und alles zu tun, um eine noch größere humanitäre Katastrophe im Gazastreifen zu verhindern“, sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Lin Jian, am Dienstag.

Israel will mit dem Militäreinsatz in Rafah die verbliebenen Bataillone der islamistischen Terrororganisation Hamas zerschlagen, die sie seit Oktober in Gaza bekämpft. In der Stadt werden die Hamas-Führung und auch Geiseln vermutet. Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1.200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Außerdem wurden rund 250 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Das könnte Sie auch interessieren