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Islamisches Parallel-Bildungssystem treibt in Österreich unter Einfluss der Türkei seltsame Blüten
Online seit:
Dauphinestraße 58 im Linzer Süden. Im Parterre logieren ein Sonnenstudio und ein Optiker, darüber locken sonnige Bildungsperspektiven. Denn hier formt die „Gesellschaft für akademische Bildung“ (Gesab) laut ihrer Webseite nicht weniger als „Die neue Akademiker-Generation“.
Yusuf Kilic repräsentiert sie: Erst vor neun Monaten hat er über Gesab seinen Doktor in klinischer Psychologie gemacht. Mittlerweile ist er dort schon der „wissenschaftliche Direktor“.
Türkische Connection
Ein prominenter Absolvent ist der Ex-Chef der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ): Ibrahim Olgun machte im November 2021 — am Gesab-Standort Wien-Favoriten — seinen Master in Psychologie. Das Diplom erhielt er — wie Kilic seine Promotionsurkunde — von Fadil Hoca, Gründungsrektor der Vizyon-Universität. Mit dieser türkischen Hochschule im nordmazedonischen Gostivar hat Gesab ebenso ein Kooperationsabkommen wie mit der Istanbuler Üsküdar Üniversitesi.
Es weht also ein türkischer Wind durch die bislang nicht wahrgenommene Akademikerschmiede. Eine Nähe zur Austria Linz Islamischen Föderation (Alif), einem Ableger der Milli-Görüs-Gemeinschaft, ist nicht zu leugnen. Doktor Kilic ist Obmann von Alif Attnang-Puchheim. Tülay Citli, die Präsidentin des Trägervereines, kommt aus einer Alif eng verbundenen Studentenvereinigung.
Neben Psychologie kann man bei der Gesab auch Rechtwissenschaften studieren, wobei als Rechtsgrundlage für die Studien auf eine Genehmigung der AQ Austria (Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung) verwiesen wird. Dabei handelt es sich freilich nur um eine „Bestätigung … hinsichtlich der Zurverfügungstellung der für das Studium erforderlichen Raum- und Sachausstattung als Kooperationspartner der Vizyon-Universität“.
Die bis Ende 2023 befristete Bestätigung bezieht sich auch auf Studiengänge wie Betriebswirtschaft, Architektur und Informatik. Einen aktuellen Studienplan oder eine Professorenliste sucht man auf der Gesab-Webseite vergeblich. Ein Wissenschafter wird jedoch mehrfach erwähnt: Nevzat Tarhan, Rektor der Üsküdar-Universität, mit dem Gesab seit vier Jahren kooperiert. Der Psychiater vertritt hierzulande überholte Thesen: Er klassifiziert Homosexualität als genetische Störung und vergleicht sie mit Sodomie.
„Es gibt keine wissenschaftliche Grundlage dafür, Homosexualität als einen gesunden Zustand wie Heterosexualität zu definieren“, heißt es auf Tarhans Webseite. Auf einem türkischen Psychiatrie-Portal bezeichnet er Homosexualität als „einen durch soziales Lernen und falsche Erziehung entwickelten Zustand“.
Keine Röcke für Buben!
Ärzte mahnt Tarhan zur „Behandlung von Homosexualität“, Eltern zur Vorsicht: Es sei „sehr falsch, Buben aus Spaß Röcke und Make-up tragen zu lassen“. Und: „Wenn sich das Kind vor der Pubertät wie das andere Geschlecht verhält, ist unbedingt eine hormonelle Untersuchung durchzuführen“.
Sexualkunde für IGGÖ
Tarhans sexualkundliche Expertise schätzt offenbar auch die IGGÖ. Im vergangenen Dezember referierte er laut eigenen Angaben bei einem internen Fortbildungsseminar für Imame und religiöse Amtsträger der IGGÖ zum Thema „Sexuelle Trends in der heutigen Welt“.
Auf einem Screenshot von dem Zoom-Seminar zu sehen: Binur Mustafi, Leiter des IGGÖ-Bildungsamtes, Chef der Islamischen Religionsgemeinde in OÖ und Mitglied der Islamischen Föderation (IF). Anfragen zum Seminar und zur Position der IGGÖ zu Tarhans Ansichten, ließ Mustafi unbeantwortet.
„Großartige Möglichkeit“
IF-Vorsitzender Abdi Tasdögen sagt, er kennt Tarhan nicht, findet es aber „großartig“, dass man mit der Gesab „in der österreichischen Gesellschaft mehr Bildungsmöglichkeiten hat“. Dies sei „keinesfalls ein paralleles türkisches Bildungssystem“, verweist Tasdögen gegenüber dem VOLKSBLATT darauf, dass die Vizyon-Uni nach nordmazedonischem Hochschulgesetz gegründet wurde.
Diese bezeichnet sich jedoch selbst als „erste türkische und türkischsprachige Universität im Ausland“ und pflegt intensive Beziehungen zu türkischen Regierungsparteien.
Von Manfred Maurer
UPDATE: Stellungnahme der Gesellschaft für akademische Bildung (Gesab):
Gesab-Direktor Yusuf Kilic hat am Mittwoch ein direktes Interview abgelehnt und um die Übermittlung schriftlicher Fragen gebeten. Dem Ersuchen, diese Fragen bis Donnerstag zu beantworten, kam Kilic nicht nach. Heute, Samstag, übermittelte er seine Antworten, welche hiermit ungekürzt nachgereicht werden:
VOLKSBLATT: Warum, haben sie nicht bei einer österreichischen Universität studiert?
YUSUF KILIC: Es ist eine persönliche Frage, die ich nicht beantworten möchte.
VOLKSBLATT: Sind Sie der einzige Absolvent eines Doktoratsstudiums bei Gesab?
YUSUF KILIC: Die informationen zu den AbsolventInnen finden Sie auf der Webseite.
VOLKSBLATT: Haben Sie Ihr gesamtes Psychologie-Studium über Gesab absolviert oder haben Sie auch über andere Institutionen ein Studium absolviert (Bachelor oder Master)?
YUSUF KILIC: Es ist wierderum eine persönliche Frage, die ich nicht beantworten möchte.
VOLKSBLATT: Laut Bildungsministerium wurde bislang kein einziges Studienabschlussdiplom dieser Einrichtung (Gesab/Vizyon) gemäß Anerkennungsgesetz bewertet. Führen Sie ihren Doktortitel zu Recht?
YUSUF KILIC: Es ist eine persönliche Sache.
VOLKSBLATT: Haben Sie eine Anerkennung Ihres Doktortitels beim Nationalen Informationszentrum für Akademische Anerkennung (ENIC NARIC AUSTRIA) beantragt?
YUSUF KILIC: Es ist eine private Angelegenheit
VOLKSBLATT: Gesab wirbt mit dem Logo der Wirtschaftskamner als Kooperationspartner bei Lehrlingsausbildung. Die Wirtschaftskammer bestreitet die Existenz eines solchen Abkommens.
YUSUF KILIC: Es gibt derzeit keine kooperetion mit der Wirschaftskammer. (Anmerkung: Gesab hat den Hinweis auf ein Kooperationsabkommen mit WKO inzwischen von der Webseite entfernt).
VOLKSBLATT: Auf der Facebook-Seite von Gesab wurde mehrfach Veranstaltungen mit dem türkischen Psychiater Nevzat Tarhan beworben. Tarhan hält Homosexualität für eine heilbare Störung und vergleicht sie mit Sodomie. Wie steht Gesab zu diesen Posotionen?
YUSUF KILIC: Dazu kann ich Fogendes sagen: Alle Menschen ünabhängig von ihrem Geschlecht und Alter, ihrer Bildung, sozialen oder beruflichen Stellung, ihrer politischen oder weltanschaulichen Orientierungund ihrer Nationalität haben die Chance der Fortbildung.
VOLKSBLATT: Wann hat Gesab das im September 2022 bei AQ-Austria eingereichte Ansuchen um Bestätigung der Studiengänge zurückgezogen und warum?
YUSUF KILIC: Die Informationen, die mit der Öffenlichtkeit geteilt werden, befinden sie auf der Webseite.
VOLKSBLATT: Welche Verbindungen bestehen zwischen GESAB und Austria Linz Islamische Föderation (ALIF)?
YUSUF KILIC: In unseren Bildungsangeboten steht die Erwachsenenbildung im Mittelpunkt. Daher können sich alle Erwachsenen, die sich für eine Psychologie-Studium interessieren, sich an GESAB wenden.
VOLKSBLATT: Welche Funktionen haben Sie bei ALIF außer dem Vorsitz von Alif Attnang-Puchheim.
YUSUF KILIC: Es ist meine einzige Funktion.
VOLKSBLATT: Laut Informationen aus dem Bildungsministerium wurden einige über GESAB erreichte Abschlüsse in Rechtwissenschaften nicht anerkannt. Ist dies der Grund dafür, dass GESAB kein Studium der Rechtswissenschaft mehr anbieten wird?
YUSUF KILIC: Aufgrund eines Vorstandsbeschlusses bieten wir kein Studium der Rechtwissenschaft an.