(K)ein bisschen Frieden in Nahost? „Dort braucht niemand Waffen!“

Experten-Diskussion mit ÖVP-Mandatar Mandl im Europaparlament zwischen Hoffnung und Ernüchterung

Suche nach Nahost-Hoffungsschimmer in der VoxBox des EU-Parlaments (v. l.): Menschenrechtsaktivistin Saida Keller, VOLKSBLATT-Mitarbeiter Manfred Maurer, EU-Abg. Lukas Mandl, Diskussionsleiter Uwe Brückner, Journalist Michael Thaidigsmann und Politologe Roland Freudenstein.
Suche nach Nahost-Hoffungsschimmer in der VoxBox des EU-Parlaments (v. l.): Menschenrechtsaktivistin Saida Keller, VOLKSBLATT-Mitarbeiter Manfred Maurer, EU-Abg. Lukas Mandl, Diskussionsleiter Uwe Brückner, Journalist Michael Thaidigsmann und Politologe Roland Freudenstein. © Christoph Staudinger

Hoffnung ist gefragt. Ganz besonders, wenn die Lage hoffnungslos scheint. Wie gerade jetzt im Nahen Osten. In der VoxBox, dem TV-Studio im Herzen des Brüsseler Europaparlaments, debattieren Experten und Journalisten auf Einladung der Vereinigung Europäischer Journalisten (VEJ) mit dem ÖVP-Mandatar Lukas Mandl über „Europa und der Nahe Osten — Propaganda, Einflußnahme, Finanzen“.

Diskussionsleiter Uwe Brückner, Vorsitzender des Presse Club München, hat in der Vorbesprechung das Anliegen deponiert, auch der Hoffnung Raum zu geben. Das Publikum soll nicht völlig desillusioniert zurückgelassen werden. Irgendwo in dieser deprimierenden Realität muss es doch Strohhalme zum Anklammern geben.

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Gestörte Abraham-Hoffnung

Doch die Betrachtung der blutigen Geschichte und der globalen Wechselwirkungen dieses Konfliktes lässt fünf Monate nach dem Hamas-Massaker in Südisrael und der dadurch ausgelösten Gegenoffensive Israels jede Suche nach Lichtblicken krampfhaft bemüht wirken.

Da sticht kein Licht am Ende des Tunnels ins Auge. Und man ist vorsichtig geworden, wenn man eines zu sehen meint. Gerade hatte es ja einen Lichtblick gegeben. Lukas Mandl, als Leiter der überparteilichen Gruppe der „Transatlantischen Freunde Israels“ besonders vertraut mit diesem Pulverfass, erinnert daran, dass die Regierung von Benjamin Netanyu es „mehr als frühere Regierungen geschafft hat, mit den Abraham-Accords Abkommen mit früher verfeindeten Staaten zu schließen“.

Die im September 2020 in Washington unterzeichnete Abraham Accords Declaration hatte den beginn eines Tauwetters zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie Bahrain markiert. Saudi-Arabien soll kurz davor gestanden sein, ebenfalls Frieden mit Israel zu machen. Dann Hamas-Mordbrigaden zu. Wohl auch, wenn hauptsächlich mit dem Ziel, den Abraham-Prozess zu zerstören.

Trügerisches Licht am Ende des Tunnels

Als VOLKSBLATT-Vertreter in der VoxBox-Runde erinnere ich mich an „meinen“ ersten politischen Mordanschlag am Beginn meiner journalistischen Laufbahn: Am 6. Oktober 1981 ermorden radikale Muslimbrüder Präsident Anwar el Sadat. Der Frieden, den der Ägypter mit Israel geschlossen hatte, war den Islamisten ein Dorn im Auge.

Wie nach Camp David und nach dem 1993 gestarteten Oslo-Friedensprozess erwies sich auch beim Abraham-Prozess das Licht am Ende des Tunnels als das eines entgegenkommenden Terrorzuges. Und wieder sind es Muslimbrüder, die den Frieden torpedieren.

Saida Keller, die Schweizer Meschenrechtsaktivisitin und Gründerin des „Forum für einen fortschrittlichen Islam“ verweist darauf, dass die „Hamas“ der bewaffnete Arm der Muslimbruderschaft ist.

Israel in der Defensive

Das erklärt auch, warum Israel in der Propagandaschlacht in die Defensive geraten ist. „Unmittelbar nach dem 7. Oktober gab es im Europaparlament sogar auf der Linken Sympathien für Israel, Israel ist als das Opfer wahrgenommen worden“, erinnert sich Michael Thaidigsmann, Direktor der NGO EU-Watch und Mitarbeiter der Jüdischen Allgemeinen.

Doch schon zwei Tage nach dem Hamas-Überfall war vom Genozid die Rede, den Israel an den Palästinensern verübt haben soll. Thaidigsmann: „Wenn sie heute die Stimmung unter den Parteien hier in diesem Haus anschauen, hat sich einiges gewandelt.“ Die Lage in Gaza sei schrecklich, aber man könne auch fragen, wer hat dazu beigetragen, dass sich die Stimmung gegen Israel gewendet, obwohl Israel das Opfer war?

Pseudo-friedliches Netzwerk

Die Muslimbruderschaft hat eben nicht nur den terroristischen Hamas-Arm, sondern verfügt über ein pseudo-friedliches Netzwerk, das auch und gerade in Europa sehr effektiv wirkt. Seit den 1990er Jahren versuche die Muslimbruderschaft systematisch Einfluss zu nehmen auf die Muslime in europäischen Ländern, weiß Saida Keller, die das Buch „Islamistische Drehscheibe Scheiz“ geschrieben hat. Über von der Türkei, dem Iran und Katar finanzierte Moscheen und Kulturzentren werde ein frauenfeindliches und antisemitisches Gedankengut verbreitet.

Importierte Bedrohung

Auch das hat eine lange Vorgeschichte, die der deutsche Politologe Roland Freudenstein am Beispiel Belgien beschreibt. Es begann in den 1960er Jahren mit der Anwerbung von Gastarbeitern in Marokko, die mit einem Import von Clan-Strukturen einherging. Die Befriedigung der spirituellen Bedürfnisse der muslimischen Zuwanderer überließ die Regierung „Profis“: „Die Profis waren saudi-arabische Behörden und Religionsexperten, die im Austausch für billiges Öl in Brüssel eine riesige Moschee bauen durften, die vollkommen unter wahhabitischer Kontrolle stand“, so der Vorsitzende des „Brussels Freedom Hub“.

Der dritte Fehler war, so Freudenstein, „dass lokale Politiker ein Bündnis mit den Islamisten eingegangen sind. Die sagten: uns interessiert nicht, was ihr in den Moscheen predigt, aber stimmt für uns“. Wohin diese „Kette von Fehlern und Blindheiten“ führt, ist heute zu besichtigen im Brüsseler Stadtteil Molenbeek, einer Islamisten-Hochburg, aus der viele jener Terroristen kamen, die 2015 und 2016 in Paris und Brüssel blutige Anschläge verübt haben.

Die Tricks der Israel-Hasser

Auch Österreich ist ein Biotop der Muslimbruder-Ideologie. Wie effektiv es wirkt, kann ich an mit einer unmittelbar nach dem 7. Oktober erlebten Episode illustrieren: Die erste Wiener Palästina-Demonstration wurde mit dem Slogan „From the river to the sea, Palestine will be free“ beworben“. Da Israel zwischen „river“ (dem Jordan) und „the sea“ (dem Mittelmeer) liegt, läuft die Parole auf eine Aufforderung zur Auslöschung Israels hinaus. Die Wiener Polizei, vom VOLKSBLATT auf diesen Sachverhalt hingewiesen, sah dennoch zunächst keinen Grund, die Demo zu untersagen. Erst nach einer längeren Nachdenkpause wurde die Kundgebung doch verboten, was die Veranstalter freilich ignorierten.

Frau Keller erinnert daran, dass der umstrittene Slogan direkt der Hamas-Charta entnommen ist. Um weitere Verbote zu vermeiden, wurde der Slogan leicht umgewandelt oder durch bildliche Darstellungen ersetzt, die weiter die ursprüngliche Botschaft transportieren. Den wenigsten Teilnehmern ist wohl bewusst, dass hier nichts anderes als die Hamas-Ideologie verbreitet wird. Was tun dagegen? Ich kann als Journalist nur tun, was ich seit vielen Jahren tue: Aufklären, Netzwerke entlarven, sich freundlich gebende Islamisten demaskieren.

Islam als Religion ein Opfer des politischen Islam

Dass Israel inzwischen mehr als Täter denn als Opfer wahrgenommen wird, ist nicht zuletzt den manipulativen Fähigkeiten der Muslimbrüder und ihr nahestehender Organisationen geschuldet. Oder auch, wie es Mandl nennt, der „nützlichen Idiotie“ derer, die sich auf der lokalen bis hin zur europäischen Ebene unterstützen lassen von solchen Kräften, die Europa schwächen wollen. Was hier abgeht, ist für den ÖVP-Politiker Teil eines „hybriden Krieges“ — geführt von Akteuren, „die das Feld der Religion verlassen und eigentlich den Islam verraten“. Mandl ist es dabei wichtig, klar zu trennen zwischen Islam und Islamismus: „Der Islam als Religion ist auch ein Opfer des politischen Islam.“

Auch wenn die oft entlang der Ideologie des politischen Islams agierenden Muslim-Verbände offenbar erfolgreich das Meinungsklima antiisraelisch beeinflussen, repräsentieren sie dennoch nur einen Bruchteil der Muslime, wie Saida Keller betont: „85 Prozent der muslimischen Bevölkerung in Europa sind perfekt integriert und überhaupt kein Problem.

Wie tickt die schweigende Mehrheit der Muslime?

Das klingt ja durchaus hoffnungsvoll. Ganz kann ich mich dieser Einschätzung nicht anschließen. Mag sein, dass die große Masse wirklich nichts mit Islamisten am Hut hat, aber was ist mit der Masse an passiven Muslimen? Was mir fehlt, ist der innermuslimische Diskurs. Es wäre tatsächlich positiv, gäbe es diesen Diskurs innerhalb der muslimischen Community und bedürfte es nicht uns Journalisten, die extremistische Postings islamischer Funktionäre in sozialen Medien oder integrationsfeindliche Lehrinhalte in Koranschulen erst thematisieren.

Doch die wenigen Muslime, die sich offen zur liberalen Gesellschaft bekennen und den Fundis Paroli zu bieten versuchen, leben nicht selten unter Polizeischutz. Frau Keller berichtet etwa, dass die von ihr in Berlin mitbegründete liberale Ibn-Rushdie-Moschee wegen islamistischer Drohungen geschlossen werden musste.

Täter-Opfer-Umkehr

Wie die aktuelle Tragödie in Nahost hier in Europa rezipiert wird und wie sehr es den Hamas-Freunden gelingt, die öffentliche Meinung rund um den Globus zu manipulieren, bleibt nicht ohne Rückwirkung auf die Krisenregion. Israel sieht sich zunehmendem internationalen Druck ausgesetzt — auch, weil die Regierungen in Europa und den USA dem von Hamas-Sympathisanten mobilisierten Druck der Straße nachgeben. Die Rechnung mit der Täter-Opfer-Umkehr ist aufgegangen. „Meistens ist der Schuldige Israel und damit spielen viele Medien ungewollt das Spiel Teherans“, findet Michael Thaidigsmann.

Israel nicht allein lassen

Wenn aber die von der Vernichtung Israels träumenden Mullahs im Iran, das die Hamas-Bosse beherbergende und finanzierende Emirat Katar und die ebenfalls antiisraelisch bis antisemitisch agitierende Türkei eine derart dominante Rolle spielen können, wo soll es da einen Hoffnungschimmer geben? Lukas Mandl hat eine Friedensvision: „Für ein gutes Miteinander nach Ausschaltung der Hamas und anderer vom Iran unterstützter Terrororganisationen ist es wichtig, eine Entmilitarisierung in den Palästinensergebieten zu schaffen. Dort braucht niemand Waffen, ganz im Gegenteil.“

Die Entmilitarisierung müsse begleitet werden von Kräften aus aller Welt. Israel dürfe nicht wieder allein gelassen werden. Mandl: „Wenn dann die Zivilisation wieder verankert ist, der Kampf gegen Antisemitismus funktioniert und die Wirtschaft selbsterhaltend ist, dann kann man eines Tages mit einer Sicherheitsgarantie für Israel über eine Zweistaatenlösung nachdenken.“

Eines Tages. Solange freilich der Einfluss der Islamisten in der arabischen Welt, aber auch hier in Europa nicht zurückgedrängt wird, bleibt als wahrscheinlichster Termin für den großen Friedensschluss in Nahost nur der St. Nimmerleinstag…

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