Keine Ende des Konfliktes in Sicht

Ukraine: Zigtausende Tote und acht Mio. Vertriebene im ersten Kriegsjahr

Ein russischer Panzer fand in einem ukrainischen Weizenfeld bei Charkiw seine letzte Ruhestätte, einige ukrainische Soldaten fanden die ihre nahe der Kirche Zur Heiligen Mutter Gottes bei Bohorodychne im Oblast Donezk (unten rechts).
Ein russischer Panzer fand in einem ukrainischen Weizenfeld bei Charkiw seine letzte Ruhestätte, einige ukrainische Soldaten fanden die ihre nahe der Kirche Zur Heiligen Mutter Gottes bei Bohorodychne im Oblast Donezk (unten rechts). © Fotos (2): AFP/Stepanov

Ein Jahr nach Beginn der russischen Invasion ist Moskau von seinen Kriegszielen weit entfernt. Prahlte die Chefin des Propagandasenders RT, Margarita Simonjan, kurz vor dem Einmarsch noch damit, Kiew innerhalb von zwei Tagen einzunehmen, stecken die russischen Truppen nun seit einem halben Jahr rund um die ostukrainische Industriestadt Bachmut fest.

Diese ist längst zum Symbol für die Brutalität und Sinnlosigkeit des russischen Angriffskriegs geworden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf der russischen Armee vor, Bachmut in „eine verbrannte Ruine verwandelt“ zu haben.

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Sinnloses Töten

Täglich sterben in dem Inferno auf beiden Seiten Hunderte Soldaten, wobei es sich auf russischer Seite zumeist um Söldner der Wagner-Einheit handelt. Deren größter Erfolg war die Einnahme der nördlich von Bachmut gelegenen Kleinstadt Soledar im Jänner nach der Verschärfung der Offensive. Zum Zusammenbruch der Front hat dies nicht geführt, die Ukrainer haben bewiesen, dass sie taktisch sehr klug agieren.

David gegen Goliath

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz letzte Woche beschrieb der über Video zugeschaltete Selenskyj den Kampf als David gegen Goliath. Der Kleinere nutzt geschickt die Steinschleuder gegen den halb blinden Riesen und siegt. Es war auch die Aufforderung, rasch mehr und modernere westliche Waffen zu schicken.

Auf etwa 200 Schützenpanzer und Kampfpanzer aus NATO-Beständen kann die Ukraine bald hoffen. Die Ausbildungen laufen gerade in mehreren Staaten, die schweren Waffensysteme sollen die Ukraine dann zu gezielten Vorstößen gegen russische Ziele befähigen.

Leopard als Schlüssel

„Ein westlicher Panzer besitzt den Wert von vier russischen Panzern. Das heißt, wenn ich eine Kompanie aus 14 deutschen Leopard habe und damit auf ein russisches Panzerbataillon treffe, geht das mit 33 zerstörten russischen Panzern und einem beschädigten Leopard aus. Man konnte dies in beiden Golfkriegen beobachten“, sagte Militärexperte Thomas Theiner der „Welt“. „Die russischen Panzer des Irak haben nicht einen amerikanischen Abrams zerstört. Russische Panzer sind gut gegen russische Panzer, gegen Häuser und Zivilisten, die auf der Straße demonstrieren.“ Apropos Zivilisten, von diesen haben mittlerweile rund acht Millionen Ukrainer ihre Heimat verlassen.

Hohe Verluste

Nach jüngsten Schätzungen aus Norwegen sind bei den Kämpfen bisher rund 180.000 russische Soldaten getötet oder verletzt worden und 100.000 Soldaten aufseiten der ukrainischen Armee. Andere westliche Schätzungen gehen von 150.000 Opfern auf jeder Seite aus.

Im Vergleich dazu hat der Afghanistan-Krieg von 1979 bis 1989 rund 15.000 sowjetische Soldaten das Leben gekostet.

Die Verluste sind auch deshalb so hoch, weil russische Soldaten oft zur Aufdeckung ukrainischer Positionen als Kanonenfutter verwendet werden. Somit hat Russland trotz der von Putin im Herbst ausgerufenen Teilmobilmachung mit 300.000 Reservisten nach Ansicht vieler Militärexperten nicht die Stärke, um weitere größere Offensivaktionen zu starten.

Kriegsende nicht in Sicht

Kremlchef Putin bietet zwar offiziell Verhandlungen an, Experten sehen jedoch keine Ernsthaftigkeit hinter diesen Avancen. Schließlich rückt Putin von seinen Maximalforderungen weiterhin nicht ab. Die von Moskau geforderten massiven Gebietsabtretungen der Ukraine, deren blockfreien Status und Entmilitarisierung kann Kiew nicht akzeptieren, die Ukraine wäre Russland damit völlig ausgeliefert.

Auf politischer Ebene sei „eine Verhärtung der Fronten“ festzustellen, in einer „europäischen Konfliktordnung statt in einer Friedensordnung“, stellte Lukas Wank vom Österreichischen Friedenszentrum Schlaining-Wien fest.

China legte am Freitag einen 12-Punkte-Plan zur Beilegung des Konfliktes vor, in Kiew wird die Initiative Pekings aber mit Skepsis gesehen.

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