Dramatische Niederlage für gemäßigte Islamisten in Marokko

In Marokko steht ein Regierungswechsel bevor: Bei der Parlamentswahl verbuchten die seit 2011 regierenden gemäßigten Islamisten der Partei PJD laut dem am Donnerstag veröffentlichten vorläufigen Auszählungsergebnis massive Verluste. Sieger der von Stimmenkauf-Vorwürfen überschatteten Wahl ist die Partei Unabhängige Nationalversammlung (RNI), gefolgt von der ebenfalls liberalen PAM. König Mohammed VI. muss aus den Reihen der RNI nun den neuen Regierungschef auswählen.

Die bisher regierende PJD kam nur auf zwölf Abgeordnete, wie Innenminister Abdelouafi Laftit bekannt gab. Zuvor war sie mit 125 Mandaten stärkste Kraft. Die RNI ging mit 97 Sitzen als stärkste Kraft aus dem Wahlgang hervor, gefolgt von der ebenfalls liberalen Partei für Ehrlichkeit und Modernität (PAM) mit 82 Abgeordneten. Drittstärkste Fraktion ist demnach die Mitte-Rechts-Partei Istiqlal mit 78 Mandaten.

An der Spitze der Partei RNI steht der Geschäftsmann Aziz Akhannouch, der König Mohammed VI. nahestehen soll. Der frühere Regierungschef Abdelilah Benkirane griff Akhannouch zuletzt scharf an und verlangte, an der Spitze der Regierung müsse eine „integre Persönlichkeit“ stehen. Akhannouch spielte bereits in der bisherigen Regierung eine wichtige Rolle, da er das Wirtschafts-, Finanz- und Indurstrieministerium kontrollierte.

Die Wahlbeteiligung fiel mit knapp über 50 Prozent deutlich höher aus, als bei der vorherigen Parlamentswahl vor fünf Jahren. Damals hatten nur 43 Prozent der Stimmberechtigten ihre Stimme abgegeben. Ein Grund für das größere Interesse dürfte sein, dass erstmals zeitgleich auch Regional- und Kommunalwahlen abgehalten wurden.

Die PJD, die 2011 im Zuge des Arabischen Frühlings an die Macht gekommen war, hatte vor Ende der Abstimmung Vorwürfe des Wahlbetrugs geäußert. „Wir sind sehr besorgt“, erklärte sie am Mittwoch. „Wir haben mehrere Unregelmäßigkeiten festgestellt.“ Die Partei berichtete unter anderem von „Bargeldverteilungen“ in der Nähe von Wahllokalen und „Verwirrung“ bei einigen Wählerverzeichnissen, in denen manche Wähler nicht aufgeführt gewesen seien.

Video
Ich möchte eingebundene Social Media Inhalte sehen. Hierbei werden personenbezogene Daten (IP-Adresse o.ä.) übertragen. Diese Einstellung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in der Datenschutzerklärung oder unter dem Menüpunkt Cookies geändert werden.

Innenminister Laftit widersprach dieser Darstellung: Bis auf „Einzelfälle“ sei die Abstimmung „unter normalen Umständen“ verlaufen.

Der Wahlkampf war bereits von Vorwürfen der illegalen Wahlkampffinanzierung und des Stimmenkaufs überschattet worden, inhaltliche Themen blieben daher im Hintergrund. In den letzten Tagen vor der Abstimmung hatten sich die PJD und die RNI einen heftigen Schlagabtausch darüber geliefert.

Marokko hat seit 2011 eine neue Verfassung, die dem Parlament und der Regierung deutlich weiter reichende Befugnisse einräumt als zuvor. Entscheidungen und Anweisungen in zahlreichen Schlüsselbereichen werden jedoch weiterhin vom König getroffen.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie ist Ihre Meinung?

Um Ihre Meinung zu posten, müssen Sie bei Facebook registriert und angemeldet sein.

Social Media Inhalt
Ich möchte eingebundene Social Media Inhalte sehen. Hierbei werden personenbezogene Daten (IP-Adresse o.ä.) übertragen. Diese Einstellung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in der Datenschutzerklärung oder unter dem Menüpunkt Cookies geändert werden.