Behörden in Berg-Karabach verkünden Selbstauflösung

Bisher lebten 120.000 Armenier in Krisenregion © APA/AFP/ALAIN JOCARD

Die Behörden in Berg-Karabach haben nach der Niederlage der pro-armenischen Kräfte gegen Aserbaidschan die Auflösung der Region verkündet. In einem am Donnerstag veröffentlichen Dekret ordnete die Führung der örtlichen Behörden an, zum 1. Jänner 2024 „alle staatlichen Institutionen und Organisationen“ in der Kaukasusregion aufzulösen. Die armenische Regierung wirft Aserbaidschan eine „ethnische Säuberung“ vor und fordert eine Reaktion der internationalen Gemeinschaft.

Der Exodus der Armenier aus Berg-Karabach halte an, sagte der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan am Donnerstag bei einer Kabinettssitzung. „Unsere Analyse zeigt, dass es in den nächsten Tagen keine Armenier mehr in Berg-Karabach geben wird.“ Dies sei „ein Akt der ethnischen Säuberung, vor dem wir die internationale Gemeinschaft gewarnt haben“, sagte Paschinjan. „Wenn auf die Verurteilung (durch die internationale Gemeinschaft) keine angemessenen politischen und rechtlichen Entscheidungen folgen, werden diese Verurteilungen zu Akten der Zustimmung zu den Geschehnissen.“

Fast 70.000 Armenier aus Berg-Karabach sind laut armenischen Behörden bereits geflohen. In Berg-Karabach, das international als Teil Aserbaidschans anerkannt wird, lebten bisher knapp 120.000 ethnische Armenier, sie stellten so gut wie die gesamte Bevölkerung dar. Für Armenien ist der Zustrom aus Berg-Karabach eine Herausforderung. In dem Land selbst leben nur 2,8 Millionen Menschen.

Der Kreml sieht für die Massenflucht keinen Anlass. Es gebe keinen „direkten Grund“ für die Flucht, sagte Dmitri Peskow am Donnerstag der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Deswegen lasse sich auch kaum sagen, wer schuld daran sei.

Nach der Militäroffensive Aserbaidschans am 19. September mussten die pro-armenischen Kämpfer von Berg-Karabach bereits einen Tag später eine Waffenstillstandsvereinbarung akzeptieren. Russland als traditionelle Schutzmacht Armeniens hatte die Aserbaidschaner bei ihrer Militäroffensive gewähren lassen. Armeniens Regierungschef Paschinjan machte Moskau deshalb bittere Vorwürfe. Russland warf Jerewan wiederum vor, mit seiner jüngsten Hinwendung zum Westen einen „großen Fehler“ zu begehen.

Am Donnerstag kritisierte Peskow die Absicht Eriwans, das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zu ratifizieren. Die Führung von Armenien wisse genau, dass Russland das Gericht nicht anerkenne, „dessen Entscheidungen außergewöhnlich feindselig uns gegenüber sind“, sagte der Kremlsprecher. Der Internationale Strafgerichtshof hat einen Haftbefehl gegen Russlands Präsident Wladimir Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine ausgestellt.

Die Region Berg-Karabach war seit Jahrzehnten zwischen den beiden Ex-Sowjetrepubliken Aserbaidschan und Armenien umstritten. Nach einem Krieg Anfang der 1990er Jahre hatten die Armenier die Kontrolle. Ein auf dem Boden Berg-Karabachs ausgerufener eigener Staat wurde international nicht anerkannt. Nach einem weiteren Krieg 2020 hatte Aserbaidschan Teile Berg-Karabachs und besetzte aserbaidschanische Gebiete zurückerobert.

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