Mehrere Länder erkennen palästinensischen Staat an

Mehrere europäische Länder wollen Palästina als Staat anerkennen © APA/GETTY/SCOTT OLSON

Norwegen, Spanien und Irland werden einen unabhängigen palästinensischen Staat anerkennen. Formell soll der Schritt am 28. Mai vollzogen werden, wie die Regierungschefs der drei europäischen Staaten am Mittwoch ankündigten. Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu nannte die Anerkennung eines eigenständigen Palästinenserstaats durch die drei Länder eine „Belohnung für Terror“.

„Die Absicht mehrerer europäischer Länder, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, ist eine Belohnung für den Terror“, erklärte Netanyahu am Mittwoch in einem von seinem Büro veröffentlichten Video. Ein souveräner Palästinenserstaat wäre ein „Terrorstaat“, der „versuchen würde, das Massaker vom 7. Oktober zu wiederholen“, erklärte er weiter. Der Schritt würde nicht zum Frieden führen, betonte Netanyahu.

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Das israelische Außenministerium rief seine Botschafter in den drei Ländern zu „dringenden Konsultationen“ zurück und bestellte zugleich deren Botschafter in Israel ein. Mit Blick auf den Hamas-Großangriff auf sein Land erklärte Außenminister Israel Katz, das Vorgehen Spaniens, Irlands und Norwegens sei „eine Ungerechtigkeit“ gegenüber den „Opfern des 7. Oktober“ und eine „Goldmedaille für die Mörder und Vergewaltiger der Hamas“. Dies werde „ernsthafte Konsequenzen“ haben.

„Israel wird angesichts derjenigen, die seine Souveränität untergraben und seine Sicherheit gefährden, nicht schweigen“, schrieb Katz auf X (ehemals Twitter). „Die heutige Entscheidung sendet eine Botschaft an die Palästinenser und die Welt: Terrorismus zahlt sich aus“, so der Außenminister.

Der Generalsekretär des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Hussein al-Sheikh, bezeichnete die Anerkennung Palästinas durch Irland, Norwegen und Spanien als „historischen Moment“. Auch die rivalisierende Islamisten-Organisation Hamas, die im Gazastreifen an der Macht ist, begrüßte die Anerkennung.

EU-Chefdiplomat Josep Borrell nahm die Ankündigungen zur Kenntnis und spricht sich weiter für eine Zweistaatenlösung in Nahost aus. „Ich nehme die heutige Ankündigung von zwei EU-Mitgliedstaaten – Irland und Spanien – sowie von Norwegen zur Anerkennung des Staates Palästina zur Kenntnis“, schrieb der EU-Außenbeauftragte am Mittwochabend auf der Plattform X (früher Twitter). „Im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik werde ich unermüdlich mit allen Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um eine gemeinsame EU-Position auf der Grundlage einer Zweistaatenlösung zu fördern.“

Nach palästinensischen Angaben haben inzwischen 142 der 193 UN-Staaten einen Palästinenserstaat anerkannt, darunter auch mehrere europäische Staaten. Schweden war 2014 das erste EU-Mitglied, das einen Palästinenserstaat anerkannte. Bulgarien, Zypern, Tschechien, Ungarn, Polen und Rumänien hatten dies vor ihrem EU-Beitritt getan.

„Heute geben Irland, Norwegen und Spanien bekannt, dass wir den Staat Palästina anerkennen“, sagte der irische Ministerpräsident Simon Harris am Mittwoch. „Jeder von uns wird nun die notwendigen nationalen Schritte unternehmen.“

Harris gehe davon aus, dass andere Länder in den kommenden Wochen dem Schritt Irlands, Spaniens und Norwegens folgen werden. Die Regierung Irlands hatte bereits erklärt, dass sie „sicherlich“ bis Ende Mai einen Palästinenserstaat anerkennen werde. Auch die Regierung in Oslo hatte einen derartigen Schritt im Laufe des Frühlings in Aussicht gestellt. Auch die EU-Mitglieder Slowenien und Malta hatten eine Anerkennung Palästinas als Staat angedeutet.

„Die Palästinenser haben ein grundlegendes, unabhängiges Recht auf einen eigenen Staat. Sowohl Israelis als auch Palästinenser haben das Recht, in Frieden in getrennten Staaten zu leben. Es kann keinen Frieden im Nahen Osten ohne eine Zweistaatenlösung geben“, hieß es in einer Mitteilung der norwegischen Regierung. Mit dem Schritt solle die Option einer Zweistaatenlösung am Leben gehalten werden, sagte ein irischer Regierungssprecher.

Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez bezeichnete seine Entscheidung zur Anerkennung eines Palästinenserstaates als eine Aktion zugunsten „des Friedens, der Kohärenz und der Gerechtigkeit“. Der israelische Ministerpräsident Netanyahu habe trotz aller Aufrufe die „Zerstörung des Gazastreifens fortgesetzt“ und bestrafe die Palästinenser weiterhin „mit Hunger und Terror“. Im Umgang mit Gaza und mit der Ukraine dürfe es keine Doppelmoral geben, betonte Sánchez.

Die israelische Organisation Peace Now (Frieden jetzt) hat unterdessen ein klares Ja zur Zweistaatenlösung gefordert. „Es ist an der Zeit, zu erkennen, dass ein palästinensischer Staat unvermeidlich ist und es wäre besser für Israel, den Prozess zu initiieren, statt hineingezogen zu werden“, schrieb Peace Now am Mittwoch auf X. Peace Now engagiert sich seit den späten 1970er-Jahren für Frieden zwischen Israel und den Palästinensern.

Die USA wollen einen Palästinenserstaat hingegen nur nach Verhandlungen anerkennen. „Der Präsident ist ein starker Befürworter einer Zwei-Staaten-Lösung“, sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses am Mittwoch mit Blick auf US-Präsident Joe Biden. „Er glaubt, dass ein palästinensischer Staat durch direkte Verhandlungen (…) und nicht durch eine einseitige Anerkennung erreicht werden sollte“, fügte er hinzu.

Frankreich hält eine diplomatische Anerkennung eines Palästinenserstaates für verfrüht. Es seien derzeit nicht alle Bedingungen dafür erfüllt, teilte das französische Außenministerium mit. Die Anerkennung Palästinas sei für Frankreich kein Tabu, sagte Außenminister Stéphane Séjourné.

Ähnlich äußerten sich Deutschland und Österreich: Das Außenministerium in Wien sprach von einer „symbolischen Anerkennung“, die den Palästinensern nicht helfe.

Auslöser des derzeitigen Kriegs im Gazastreifen war der Großangriff der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel am 7. Oktober. Die radikalislamischen Kämpfer töteten nach israelischen Angaben rund 1.170 Menschen. 252 weitere Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, mehr als 35.600 Menschen getötet.

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